Warum es in Besprechungen so schwer ist, zu einem konstruktiven Ende zu gelangen

Argy­ris (1993) sagt, dass Men­schen plan­voll han­deln und ihren Hand­lun­gen bestimm­te Theo­rien zugrun­de legen. Von die­sen Theo­rien gibt es zwei Arten – die, von denen die Men­schen sagen, dass sie sie ver­wen­den (favo­ri­sier­te Theo­rien) und jene, die tat­säch­lich zur Anwen­dung kom­men (real-ver­wen­de­te Theo­rien). Von letz­te­ren gibt es wie­der­um zwei Grund­for­men – eine, bei der es um Gewin­nen und Ver­lie­ren geht (Modell I) und eine, bei der Gefüh­le zum Aus­druck kom­men sol­len und es kei­ne Ver­lie­rer geben darf (Gegen­mo­dell I).

Bei­spiel für das Modell I: Man ver­mu­tet, unter­stellt und wird sich lang­sam fremd.

Argy­ris (1993) schil­dert ein Bei­spiel, in dem es um die Bezie­hung zwi­schen einem Unter­neh­mens­be­ra­ter und des­sen Kun­den geht. Aus Furcht, den Kun­den gegen sich auf­zu­brin­gen, sagt der Bera­ter bestimm­te Din­ge nicht. Er über­prüft die Unter­stel­lung, dass der Kun­de auf­ge­bracht wür­de, nicht und ver­deckt sie spä­ter durch wei­te­re Mut­ma­ßun­gen bzw. Unter­stel­lun­gen. Durch die­ses Hand­lungs­mus­ter wächst die Distanz zwi­schen den Part­nern, und es kommt zur Ent­frem­dung. Das unbe­wuss­te Motiv für die Abwehr bzw. Ver­mei­dung tat­säch­li­chen Dia­logs ist im Schutz­be­dürf­nis des Bera­ters vor ver­meint­li­chem Gesichts­ver­lust bzw. vor der Bedro­hung, ggf. den Auf­trag zu ver­lie­ren, zu suchen.

Bei­spiel für das Gegen­mo­dell I: Alle sind nett und wer­den dabei inkompetent.

In einem Auf­satz über ein­ge­üb­te Inkom­pe­tenz schil­dert Argy­ris (1993), wie sich Füh­rungs­kräf­te dar­in üben, sich gegen­sei­tig zu sagen, was alles falsch läuft, ohne jedoch zu Ergeb­nis­sen zu kom­men. Der Grund dafür ist dar­in zu suchen, dass die betref­fen­den Füh­rungs­kräf­te ihre Kol­le­gen zu ihrem eige­nen Stand­punkt regel­recht über­re­den möch­ten, ohne sich dabei zu nahe zu tre­ten. Man tausch sehr höf­lich ver­schie­de­ne Mei­nun­gen aus, ver­lässt aber den eige­nen Stand­punkt nicht und ist frus­triert dar­über, dass das jewei­li­ge Gegen­über den Stand­punkt nicht ver­lässt. Man glaubt, offen zu sein, die Offen­heit erschöpft sich aber in Kri­tik und Über­re­dungs­ver­su­chen, was sowohl zu einer Selbst­be­schrän­kung (man sagt nicht alles, und was man sagt, sagt man so, dass es das Gegen­über nicht irri­tiert) als auch zur Frus­tra­ti­on (weil man das Gegen­über nicht irri­tie­ren möch­te, ver­sucht man es mit Über­re­dung, das Gegen­über bemerkt dies, sagt das aber nicht, son­dern agiert selbst mit Über­re­dung; bei­de bewe­gen sich nicht, füh­len aber den glei­chen Frust). Die Fol­ge davon ist, dass weder die vor­han­de­nen Kom­pe­ten­zen der ein­zel­nen Per­so­nen zum Tra­gen kom­men noch sich Syn­er­gie­ef­fek­te ent­fal­ten kön­nen oder gemein­sam gelernt wer­den kann. Der Kokon aus Abwehr­me­cha­nis­men schützt die Indi­vi­du­en unbe­wusst vor jeg­li­cher Gefähr­dung. Die­se grup­pen­dy­na­mi­sche Kom­fort­zo­ne ver­hin­dert im Extrem­fall jede Wirk­sam­keit und jedes Ler­nen bis hin zu der von Argy­ris beschrie­be­nen ein­ge­üb­ten Inkompetenz.

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt als Dozent tätig und hatte viele Jahre Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Hochschulen, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.