Energiemanagement ist in vielen Unternehmen kein „Begeisterungsthema“. Klar soll man das Licht ausmachen, wenn man die Halle verlässt, und „irgendwie“ soll auch die Lastspitze im Griff behalten werden. Aber Begeisterung? Der folgende Text gibt einen kurzen Überblick zu Methoden und Maßnahmen, wie man dennoch und ganz praktisch für Motivation in Sachen Energiemanagement und ‑effizienz sorgen kann.
Anreizsysteme
In einer kleinen Fabrik hatte die Geschäftsleitung die Idee, die für die Stromversorgung anfallenden Grundgebühren zu senken, indem die Lastspitze dauerhaft unter einem bestimmten Wert gehalten wurde. Der Geschäftsführer versprach den Mitarbeitern, einen Teil der Einsparung durch die Mitarbeiter zu teilen und als Bonus auszuzahlen, wenn das Ziel erreicht würde. Da das Unternehmen recht klein war, bedeutete der Anreiz eine attraktive Sonderzahlung. In den Folgejahren verselbständigte sich dieser Prozess – die Mitarbeiter begannen von alleine, Ideen zu sammeln und umzusetzen, womit die Lastspitze über mehrere Jahre hinweg immer weiter abgesenkt werden konnte. Natürlich kann ein solcher Prozess nicht endlos fortgeführt werden, aber einmal begonnen, kann die Motivation später mit anderen Anreizen im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses aufrechterhalten werden.
Bezüglich der Lastspitze kann kurzfristig ein ähnlicher Effekt über Zwangsabschaltungen erreicht werden, etwa indem bestimmte Maschinengruppen automatisch vom Netz gehen, wenn die Lastspitze erreicht wird. Voraussetzung ist hier eine entsprechende Transparenz über den Momentanverbrauch (etwa über Displays) und eine entsprechende Schulung der beteiligten Arbeitskräfte. Diese müssen sich mit dem System auskennen und bereit sein, sich bereichsübergreifend entsprechend abzustimmen. Wenn das der Fall ist, funktioniert auch ein solches „negatives Anreizsystem“, weil die Beteiligten in der Regel vermeiden wollen, aufwendige Wiederanfahr-Prozesse durchführen zu müssen. Voraussetzung ist natürlich, dass man die betreffenden Maschinengruppen bedenkenlos vom Netz nehmen kann, was solche Methoden in vielen Branchen unmöglich macht. Was man mit einer Zwangsabschaltung zudem nicht erreicht, ist eine kontinuierliche Wirkung auf die Motivation.
Energiemanagement-Runden statt Einzelkämpfer
In vielen Unternehmen sind die Energiemanager „einsame Wölfe“ – Spezialisten mit viel Wissen und guten Ideen, die aber den Umfang ihrer Aufgaben kaum bewältigen, weil sie weitestgehend Einzelkämpfer sind. Hinzu kommt, dass viele Vorhaben nur mit der Unterstützung von Führungskräften und den Verantwortlichen in den einzelnen Abteilungen umgesetzt werden können. Es ist daher hilfreich, die Verantwortung für das Energiemanagement weg von einzelnen Energiemanagern oder ‑beauftragten in eine „Energiemanagement-Runde“ zu verlagern, die aus relevanten Fach- und Führungskräften besteht. Diese Runde begutachtet die Ist-Situation, lässt Analysen durchführen, legt Ziele und Maßnahmen fest, überwacht und kontrolliert deren Umsetzung und ist so für die abteilungs- und bereichsübergreifende Umsetzung des Energiemanagements verantwortlich. Sie werden sehen – gut moderiert bewirken diese Runden ein höheres Verständnis für das Thema Energie bei Führungskräften sowie ein stärkeres Engagement unter den Beteiligten. Anstelle das Thema Energie der Überzeugungskraft von Einzelkämpfern zu überlassen, wird die Verantwortung in einen bereichsübergreifenden Management Circle verlagert. Freilich bedarf es hier zunächst der Überzeugungsarbeit durch die Geschäftsleitung, denn nur wenige Führungskräfte werden zunächst davon begeistert sein, einer weiteren Runde beizutreten, deren Ziel die Etablierung oder der Ausbau eines weiteren Managementsystems ist. Für die Bearbeitung solcher Bedenken ist einerseits Geduld und Verständnis, andererseits aber auch das notwendige Quentchen Nachdruck vonnöten, wofür die Initiatoren zwingend den Rückhalt durch die Führungsspitze brauchen.
Relevanz des Energiemanagements in der Hierarchie
Eine weitere, oft entscheidende Frage ist die nach der Relevanz des Energiemanagements bei unternehmerischen Entscheidungen bzw. nach seiner Verortung in der Hierarchie. Es gibt Unternehmen, in denen das Energiemanagement direkt bei der Geschäftsleitung oder als Stabsstelle in der Nähe der Führungsspitze angesiedelt ist. In anderen Unternehmen ist das Energiemanagement eine Nebenaufgabe von Abteilungs- oder Bereichsverantwortlichen. In wieder anderen Unternehmen ist der oder die Energiebeauftragte einer Abteilung zugeordnet. Je weiter unten in der Hierarchie das Thema angesiedelt ist, desto schwerer und länger sind oft die Entscheidungswege und desto geringer die Relevanz des Themas insgesamt im Unternehmen. Erfahrungen zeigen, dass diejenigen Unternehmen besonders gute Umsetzungsquoten bei Maßnahmen haben, deren Führungskräfte dem Thema Energieeffizienz einen hohen Stellenwert beimessen und die Verantwortlichen entsprechend zentral platzieren und mit den entsprechenden Vollmachten und Mandaten ausstatten und den Personen selbst einen entsprechenden Rückhalt signalisieren.
Wie Mitarbeiter proaktiv bleiben
Ich selbst habe mich als Forscher jahrelang mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen Mitarbeiter engagiert bleiben und „proaktiv“ handeln, und unter welchen Umständen sie dies nicht tun, sondern in „Dienst nach Vorschrift“ verfallen oder gar Sabotage betreiben. Die zentrale Einflussgröße ist die Führungshaltung des direkten Vorgesetzten bzw. dessen Kompetenz, die Beziehungen zu Mitarbeitern so zu gestalten, dass diese Rückhalt verspüren und bereit sind, Ideen einzubringen und Veränderungen umzusetzen. Dabei kann man einen pragmatischen „Rückhalt in der Sache“ (Delegation von Aufgaben, Übertragung von Verantwortung) von einem „personenbezogenen Rückhalt“ unterscheiden. Letzterer ist von Interesse an Mitarbeitern und von persönlicher Unterstützung im Bedarfsfall geprägt. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn beide Führungshaltungen (Rückhalt in der Sache und personenbezogener Rückhalt) zusammenkommen. Die schlechteste Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter haben Führungskräfte, die nur „formalistisch“ führen, d.h. vergleichsweise strikt auf „Dienst nach Vorschrift“ beharren.
Die Mitwirkung mittlerer Führungskräfte als wichtigste Einflussgröße auf die Motivation für Energieeffizienzmaßnahmen
Im Jahr 2018 habe ich gemeinsam mit Kollegen von MAS Partners, einem Leipziger Institut, das Mitarbeiter- und Unternehmensbefragungen durchführt, eine große Studie zum Thema Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung realisiert. Aus den Ergebnissen dieser für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen repräsentativen Studie mit mehr als 1300 Befragten lassen sich auch einige interessante Ergebnisse zum Thema Motivation von Mitarbeitern für Energieeffizienzmaßnahmen ableiten. Einerseits haben wir für mehr als 70 Faktoren (Organisationskultur, Bezahlung, Vorgesetzte, Kollegen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Größe und Stärke des Unternehmens usw.) abgefragt, wie wichtig den Befragten die entsprechenden Faktoren sind. Zum anderen haben wir berechnet, wie hoch der Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit eines Faktors und der Mitarbeiterbindung bzw. der Motivation, das Unternehmen zu wechseln, ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die direkten Vorgesetzten den insgesamt stärksten Einfluss nicht nur auf die Stärke der Bindung und auf die Wechselbereitschaft haben, sondern auch auf die Motivation und die Bereitschaft, engagiert zu handeln. Zudem spielen eine leistungsgerechte Entlohnung, die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Organisationskultur eine Rolle. Von Bedeutung ist zudem, ob Arbeitnehmer ihre Ideen verwirklichen können. Von deutlich geringerer Relevanz sind nette und kompetente Kollegen, ein gutes Klima im Team oder auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Keinen Einfluss hat beispielsweise die Größe bzw. Stärke des Unternehmens. Diese zum Teil überraschenden Ergebnisse zeigen, dass es in Sachen Motivation eben nicht nur auf die persönliche Motivation, sondern vor allem auf die Wertschätzung und die Unterstützung durch Vorgesetzte ankommt bzw. deren Fähigkeit, Mitarbeitern die Umsetzung von Ideen zu ermöglichen. Hier wird die Bedeutung mittlerer Führungskräfte für das Gelingen von Energieeffizienzmaßnahmen deutlich: mittlere Führungskräfte sind entweder „Ermöglicher“ von Veränderungsmaßnahmen oder spielen die Rolle von „Türstehern“, die bisweilen zu stark kontrollieren oder auf Althergebrachtem beharren, Informationen selektieren, Umsetzungen verhindern usw.
Gewohnheiten sind oft mächtiger als Belehrungen
Wer kennt das nicht: Man redet und redet, aber die Leute machen es nicht. Da kann etwas noch so vernünftig sein – man denkt ein paar Tage daran, und dann schleichen sich die alten Gewohnheiten durch die Hintertür wieder herein. Hier helfen zwei Merksätze:
- Wiederholung ist wirksam: Man kann nicht genug über Energieeffizienzziele sprechen. Wer schon einmal erfolgreich Veränderungen umgesetzt hat, weiß, dass man dafür drei Tugenden braucht: Geduld, Hartnäckigkeit und gute Laune. Die menschliche Natur erfordert es Energiemanagern leider ab, nicht aufzuhören, über ihre Ziele zu reden, immer wieder Fragen zu stellen – und ja, auch zu nerven, das allerdings möglichst gut gelaunt, denn eine Idee kann noch so gut sein, wird sie mit schlechter Laune vorgetragen, führt das nur zu einer negativen Beurteilung desjenigen, der sich engagiert, es verändert sich aber nichts.
- Den Gewohnheiten etwas „in den Weg stellen“: Oft sind Schilder mit konkreten Aufforderungen an den richtigen Stellen wirksamer als tausend Worte. Entsprechende Hinweise in Sichthöhe auf den Ausgangstüren und auf den Fußböden der Werkhallen entfalten bei gewünschten Verhaltensänderungen oftmals eine größere Wirkung als Ansprachen durch Führungskräfte, Trainings oder Aushänge am schwarzen Brett.
Es braucht einen Grund
Diese Regel ist eigentlich banal: Menschen handeln bereitwilliger, wenn sie den Grund kennen, warum sie etwas tun. In den Zeiten, als es noch Kopierer gab, haben Psychologen ein Experiment durchgeführt. Jemand ist an der Schlange vor dem Kopierer vorbeigegangen und hat sich mit den Worten vorgedrängelt: „Ich muss drei Seiten kopieren.“ Sie können sich die Reaktionen der Wartenden ausmalen. Wesentlich erfolgreicher war aber die folgende Strategie: „Ich möchte mich vordrängeln, weil ich sehr in Eile bin.“ Das Wörtchen „weil“ veränderte die Situation: im überwiegenden Teil der Fälle wurde die betreffende Person ohne zu murren vorgelassen. Nun kann man die Komplexität von Energieeffizienzmaßnahmen kaum mit der Aufgabe vergleichen, drei Seiten zu kopieren. Fakt ist aber, dass Mitarbeiter Aufforderungen eher Folge leisten, wenn sie den Grund für die betreffende Veränderung kennen – oder an der Gestaltung der entsprechenden Maßnahme sogar beteiligt werden. So hilft zum Beispiel ein umfassender Dialog über die Frage, wie das Unternehmen nachhaltiger arbeiten könnte, dabei, die Motivation in der gesamten Belegschaft zu steigern. Voraussetzung ist, dass die Mitarbeiter sowohl an der Ideenfindung als auch an der Umsetzung beteiligt werden. Besonders wirksam wird die Beteiligung, wenn sie als eine Art kontinuierlichen Verbesserungsprozesses fest in den Unternehmensprozessen verankert und damit zur Gewohnheit bzw. zum Teil der Organisationskultur wird.
Gute Rhetorik allein reicht nicht
Oftmals denkt man bei Motivation an die Wirkung charismatischer Führungskräfte, die allein mit ihrer Ausstrahlung und ihren Worten Mitarbeiter zum Handeln bewegen. Aber leider gibt es (a) nicht allzu viele Führungskräfte dieses Typs und sind (b) die Dinge bei der Energieeffizienz oft nicht so klar und einfach, als dass ein paar Worte ausreichen würden. Im Gegenteil: Oft ist es notwendig, Mitarbeiter dazu zu bringen, sich an der Analyse von Problemen zu beteiligen und an Ideen mitzuarbeiten. Eine solche intrinsische Motivation zur Beteiligung entsteht weniger durch Überzeugungstechnik als vielmehr durch Interesse, das man den betreffenden Mitarbeitern entgegenbringt, und die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen. Der kommunikative Erfolg, also eine positive Wirkung auf die Motivation durch Gespräche, ist oft weniger eine Frage der Gesprächstechnik, sondern mehr eine Frage der Haltung. Oft genug sind die Ausgangslagen für Energieeffizienzmaßnahmen so komplex, dass eine Person allein nicht mehr ausreicht, um adäquate Lösungen zu erarbeiten. Ebenso sieht es bei der Umsetzung von Maßnahmen aus: In der Regel müssen mehrere oder sogar viele Personen involviert werden, um Maßnahmen zum Erfolg zu führen. Wenn etwas immer komplexer wird, steigt der Bedarf für entsprechende Abstimmungen bzw. entsprechend motiviertes Engagement. Das bedeutet, dass Kommunikation immer wichtiger wird. Gelingende Kommunikation wiederum basiert auf guten Arbeitsbeziehungen. Und die Basis guter Beziehungen ist Vertrauen. Ziel der Kommunikation sollte also zunächst sein, Vertrauen aufzubauen und entsprechende Beziehungen zu etablieren. Wie entsteht Vertrauen? Die Antwort ist einfach: durch Interesse. Führungskräfte – und Energiemanager sind in dieser Hinsicht Führungskräfte, sie sollen ja zielgerichtetes Handeln bewirken – sollten also den Beteiligten zunächst Interesse entgegenbringen, indem sie Fragen stellen. Das können einfache Interessens- oder W‑Fragen sein. Idealerweise sind es Fragen, auf die die Führungskräfte selbst noch keine Antwort kennen. Dann sind es tatsächliche und nicht nur rhetorische Fragen. Aus einem durch Fragen begonnenen Austausch entwickeln sich (nach einer gewissen Einübungszeit) schnellere und bessere Lösungen, als man mit herkömmlichen Meetings erreichen könnte. Das ist keine Kritik an Meetings an und für sich, wohl aber an der Art und Weise, wie Meetings in vielen Fällen durchgeführt werden (einer oder wenige teilen etwas mit, andere hören zu vs. es findet ein tatsächlicher Austausch statt). Durch Interesse und tatsächlichen Austausch entstehen Motivation und Engagement, wo sie entstehen können. Man sollte aber nicht erwarten, dass man alle Mitarbeiter erreicht. Unsere Mitarbeiterstudie zeigt auch, dass etwa ein Drittel der Mitarbeiter beharrlich Dienst nach Vorschrift macht und dabei nicht die beste Laune hat, sprich kaum Motivationssprünge zeigen wird, wobei gilt, dass die direkten Vorgesetzten (und nicht die „einsamen Wölfe“ Energiemanager) hier den Ausschlag geben. Ansatzpunkt für ein gelingendes Energiemanagement sollten neben den Fachexperten deshalb immer die mittleren Führungskräfte sein.
PS: Dieser Text fasst meine Vorträge bei der SAENA-Fachtagung „Energie – Effizienz – Strategie“ am 25.06.2019 in Leipzig und beim Treffen des Energieeffizienznetzwerks der EPROSA-Gruppe am 18.06.2019 in Plauen zusammen.