Gemeinsam mit den Befragungsexperten von MAS Partners haben wir kürzlich die erste repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Strukturwandel in der Lausitz durchgeführt. Die Ergebnisse finden Sie auf der Website des Lausitz-Monitors (dort finden Sie auch Angaben zur Methode und zur Anzahl der Befragten) oder in einem ausführlichen Artikel der Lausitzer Rundschau. Wir haben aber nicht nur die Meinungen zum Strukturwandel erhoben, sondern auch eine Reihe von weiteren interessanten Fragen gestellt. Als Forscher interessiere ich mich vor allem auch dafür, was Menschen zusammenhält. Die generellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft zeigen in Richtung eines weiter wachsenden Individualismus’ bzw. eines Rückzugs gesellschaftlicher Institutionen. Deshalb haben wir einige Fragen integriert, die Rückschlüsse auf eher psychologische Themen wie Bindung oder Einsamkeit sowie auf gesellschaftliche Fragen wie die Zukunftsaussichten der Kirchen ermöglichen. In diesem Text fasse ich die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Junge Frauen zufriedener mit der aktuellen Lebenssituation
44 Prozent der Lausitzer sind mit ihrer Lebenssituation zufrieden oder sehr zufrieden (die Aussage „eher zufrieden“ ist hier nicht mit eingerechnet, dann läge der Anteil bei 78 Prozent). Dieser Anteil von rund 40 Prozent Zufriedenen und sehr Zufriedenen ist über fast alle Altersgruppen hinweg unabhängig vom Geschlecht. Lediglich die jüngeren Lausitzerinnen bilden hier eine Ausnahme: Bei den jüngeren Frauen (18–39 Jahre) sind mehr als zwei Drittel mit ihrer Lebenssituation zufrieden oder sehr zufrieden (69 Prozent).
Unter denjenigen, die allein leben, ist der Anteil derjenigen, die mit ihrer Lebenssituation unzufrieden sind, deutlich höher
Während sich in den Haushaltsgrößen mit zwei oder mehr Personen die Anteile der mit ihrem Leben Zufriedenen bzw. Unzufriedenen in etwa die Waage halten, sind knapp zwei Drittel (65 Prozent) der in Einpersonenhaushalten lebenden Menschen mit ihrem Leben unzufrieden. Mit dem Leben zufrieden ist nur etwas mehr als ein Viertel (28 Prozent) der in Single-Haushalten lebenden Personen. Den höchsten Anteil an sehr zufriedenen Personen gibt es in Drei-Personen-Haushalten.
Bei Frauen nimmt der Anteil der Einsamen mit dem Alter ab, bei Männern nimmt er mit dem Alter zu
Unter denjenigen, die angeben, sich manchmal einsam zu fühlen, waren 68 Prozent Männer und 32 Prozent Frauen. Betrachtet man diese generelle Verteilung nach Altersgruppen, zeigen sich interessante Unterschiede. Bei den Jüngeren gibt es kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern, hier liegt der Anteil der Einsamen in beiden Geschlechtern etwa gleich hoch. Mit dem Alter steigt der Anteil der einsamen Männer jedoch an, während der Anteil der einsamen Frauen zurückgeht. Bei den über 60-Jährigen liegt der Anteil der Männer, die angeben, sich manchmal einsam zu fühlen, mehr als vier Mal so hoch wie bei den Frauen über 60.
Unabhängig vom Geschlecht lässt sich ein Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Unzufriedenheit beobachten. 71 Prozent derjenigen, die angeben, sich manchmal einsam zu fühlen, sind mit ihrer aktuellen Lebenssituation unzufrieden. Der Anteil liegt deutlich über dem durchschnittlichen Anteil der Unzufriedenen in der Lausitz.
Männern fällt es schwerer, sich fest zu binden
Der Anteil derjenigen, die der Aussage „Es fällt mir schwer, mich fest an einen Partner/Partnerin zu binden“ zustimmen, ist in allen Altersgruppen unter Männern höher als unter Frauen. 74 Prozent derjenigen, die dieser Aussage zugestimmt haben, waren Männer, 26 Prozent Frauen. Auf eine Frau, der es schwer fällt sich zu binden, kommen also drei Männer, die das von sich sagen. Nach Altersgruppen betrachtet variiert dieser Faktor etwas: Während bei den Jüngeren (unter 40) der Faktor zunächst nur bei zwei liegt, steigt er bei den 40–59-Jährigen auf vier und sinkt bei den über Sechzigjährigen auf den Faktor drei. Unabhängig vom Geschlecht leben 80 Prozent derjenigen, die angeben, Schwierigkeiten zu haben, sich fest zu binden, allein.
Auch bezüglich der Bindung lässt sich ein Zusammenhang mit der Zufriedenheit feststellen. 67 Prozent derjenigen, denen es schwer fällt, sich fest an eine Partnerin oder einen Partner zu binden, sind mit ihrem Leben unzufrieden. Damit liegt dieser Anteil ebenfalls deutlich über dem durchschnittlichen Anteil unzufriedener Lausitzer.
Handlungsbedarf für Arbeitgeber
Der Anteil derjenigen, denen es schwer fällt, sich an einen Arbeitgeber zu binden, ist unter den Menschen mit einem Haushaltseinkommen von unter 2000 Euro netto doppelt so hoch wie unter denjenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 2000 und 4000 Euro und viermal so hoch wie bei denjenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von über 4000 Euro pro Monat. Zudem sind unter denjenigen, denen es schwer fällt, sich länger an einen Arbeitgeber zu binden, fast neunzig Prozent mit ihrem Leben unzufrieden.
Angesichts der gegenwärtigen demographischen Entwicklungen und dem Mangel an Fachkräften in vielen Branchen bedeutet das Handlungsbedarf für viele Arbeitgeber. In einer anderen Studie erheben wir alle zwei Jahre u.a. die Zufriedenheit der Arbeitnehmer in der Region mit ihren Arbeitgebern. In dieser Studie zeigt sich, dass in einigen Branchen diesbezüglich bereits gehandelt wird. So ist die Zufriedenheit mit der Bezahlung im sächsischen Handwerk in den letzten zwei Jahren signifikant gestiegen. 2018 gehörte das Handwerk noch zu den Branchen mit der höchsten Unzufriedenheit mit der Bezahlung. Das hat sich innerhalb der letzten beiden Jahre deutlich zum Positiven verändert.
Welchen Einfluss hat eine Kirchenmitgliedschaft?
Der Anteil derjenigen, die von sich sagen, dass sie gefestigte Ansichten auf die Welt haben, ist unter Kirchenmitgliedern wie Nichtmitgliedern mit jeweils knapp zwei Dritteln ähnlich hoch. Unterschiede gibt es jedoch beim Selbstbewusstsein und bei der Bereitschaft, sich von etwas überzeugen zu lassen. Der Anteil derjenigen, die von sich sagen, dass sie eine Reihe guter Eigenschaften besitzen, ist unter denjenigen, die keiner Kirche angehören, höher (75 Prozent unter Nichtmitgliedern gegenüber 61 Prozent unter Kirchenmitgliedern), während der Anteil derjenigen, die von sich sagen, dass sie sich schon oft von einer guten Idee überzeugen lassen haben, unter Kirchenmitgliedern höher ist als unter denjenigen, die keiner Kirche angehören (82 Prozent der Kirchenmitglieder gegenüber 66 Prozent unter Nichtmitgliedern). Der Anteil derjenigen, die sich manchmal einsam fühlen, ist unter Kirchenmitgliedern nur etwas mehr als halb so hoch (10 Prozent) wie unter Menschen, die keiner Kirche angehören (18 Prozent). Der Anteil derjenigen, denen es schwer fällt, sich an einen Arbeitgeber zu binden, ist unter Kirchenmitgliedern deutlich geringer als unter Menschen, die keiner Kirche angehören.
Zukunftsaussichten der Kirchen in der Lausitz düster
Während die Altersverteilung bei den Nichtkirchenmitgliedern etwa der Verteilung der Altersgruppen in der Normalbevölkerung entspricht, ist das demographische Ungleichgewicht bei den Kirchenmitgliedern viel größer als in der Normalbevölkerung. 69 Prozent der von uns befragten Kirchenmitglieder gehören zur Altersgruppe 60+, während die anderen Altersgruppen jeweils im einstelligen Prozentbereich und damit deutlich unter den Anteilen dieser Altersgruppen an der Normalbevölkerung liegen. Bei den Nichtmitgliedern bilden die Über-60-Jährigen zwar ebenfalls die größte Gruppe, aber mit 37 Prozent ist diese deutlich kleiner als unter den Kirchenmitgliedern, und die Altersgruppen unter 60 liegen alle im zweistelligen Prozentbereich.
Bei den Gewerkschaften lässt sich dieser Trend im Übrigen nicht beobachten. Hier entspricht die Altersverteilung der Mitglieder in etwa der Altersverteilung in der Normalbevölkerung mit einem gewissen Rückstand in jüngeren Altersgruppen und einem Überhang in der Gruppe der 50–59-Jährigen. Bei den Vereinen liegt der Anteil der Generation 60+ zwar etwas höher als in der Normalbevölkerung, aber anders als in den Kirchen liegen gerade die Anteile der jüngeren Altersgruppen gleichauf mit denen in der Normalbevölkerung, während die 40–59-Jährigen im Vergleich zu ihrem Anteil in der Normalbevölkerung in den Lausitzer Vereinen unterrepräsentiert sind. Vereine und Gewerkschaften sind also nur mit dem „normalen“ demographischen Problem der Region konfrontiert, während sich die demographische Situation in den Kirchen in den kommenden Jahren deutlich verschärfen wird.