Es gibt viele Modelle, an denen man sich orientieren kann, wenn es um die Frage geht, wie man in einem Konflikt intervenieren kann. Und man kann schier endlose Diskussionen darüber führen, welches Modell nun besser und welches ggf. nicht so gut sei. Freilich kommt es auch auf die Ausgangslage an, auf die Anzahl der Beteiligten usw. Nach unserer Erfahrung ist die Dynamik jedoch oft so komplex, dass die Frage nach „dem“ richtigen Modell nur eine periphere bleibt. Viel mehr kommt es auf den Willen der Beteiligten an. Interventionisten können zwar versuchen zu helfen, aber welche Schritte und Methoden sie dabei verwenden, ist absolut zweitrangig. Der folgende Beitrag gibt die Schritte einer erfolgreichen Konfliktmoderation wider, die wir kürzlich durchgeführt haben. Der Erfolg hing vielleicht auch ein wenig an unserer Haltung (möglichst allparteilich/neutral) und an der Schrittfolge, mit der wir die Sache angegangen sind. Aber den Erfolg haben letztlich die handelnden Personen selbst erzeugt.
Erstes Treffen: Klärung
Erste Frage: Was halten die Beteiligten vom Ansinnen des Termins? Es ist entscheidend zu wissen, was alle von dem Treffen halten. Manche könnten skeptisch sein, abhängig davon, wer die Intervention angefordert hat. Wenn es Skepsis oder „Widerstand“ gibt (wobei Widerstand eine völlig legitime Reaktion ist), muss das zuerst bearbeitet werden — dem kommunikationspsychologischen Grundsatz entsprechend: Widerstände haben Vorrang. In der ersten Stufe geht es darum, auf die Skepsis einzugehen und nachzufragen. In der zweiten Stufe geht es darum, sich ggf. mit dem Widerstand zu verbünden.
Zweite Frage: Was wird erwartet? Zunächst sollten alle Erwartungen und Ziele geklärt werden (Auftragsklärung).
Dritte Frage: Wie war es, in den vergangenen Wochen hier zu arbeiten? Wie läuft die Arbeit momentan? (oder: Wie geht es Ihnen momentan?) Was wünschen Sie sich? Hier kommen die eigentlichen Themen zutage.
Konflikte identifizieren: In Konfliktfällen zeigt sich hier in der Regel das eine Thema, an dem sich die Situation festgefahren hat. Manchmal ist der Konflikt offensichtlich, manchmal hat er sich über Jahre aufgebaut und wurde „beschwiegen“. Es ist wichtig, das Problem beim Namen zu nennen und die zugrunde liegende Geschichte zu verstehen. Ggf. wird deutlich, wer welche Anteile an der Konfliktdynamik hatte. Das kann man, wenn man so weit kommt, auch schon erfragen/reflektieren. Oft ergibt sich am Ende des ersten Termins bereits eine zusammenfassende „Konflikterzählung“, die, wenn man sie tatsächlich zusammenfassend schildert, auch zustimmungsfähig ist.
Zweites Treffen: Aussprache
Erste Frage: Wer hat sich durch welche Handlungen verletzt gefühlt? Es geht darum, die Gefühle zu schildern und „nebeneinander zu stellen“. Es geht nicht darum, irgendetwas auszudiskutieren. Es geht darum, die jeweils anderen und sich selbst zu verstehen. Etwas auszudiskutieren würde nur zu Dynamiken aus Kritik und Rechtfertigung führen („Das hast Du falsch verstanden. Das musst Du so sehen.“ oder: „Das war überhaupt nicht so gemeint.“). In erster Linie ist Zuhören wichtig. Ggf. kann man hier eine Seite wiederholen lassen, was sie von der anderen Seite verstanden hat, ohne selbst darauf zu reagieren (und umgekehrt, versteht sich).
Zweite Aufgabe: Sich zum eigenen Anteil bekennen. Es ist wichtig, zu erkennen und zu beschreiben, was man selbst zum Konflikt beigetragen hat.
Dritte Aufgabe: Möglichkeit zur Entschuldigung. Die Frage ist simpel: Gibt es Dinge, für die sich jemand entschuldigen möchte? Wenn ja, welche? Wenn es gelingt, mit der hier beschriebenen zweiten oder dritten Aufgabe den sprichwörtlichen „Schritt aufeinander zu“ zu machen, kommt es tatsächlich zu einem Ausgleich. Man verzeiht sich gegenseitig die Dinge, die man gesagt oder getan hat. Wichtig ist, dass dies nicht nur „als Spruch“, sondern tatsächlich passiert, denn mit dem Verzeihen muss auch das Vergessen einhergehen (G.H. Mead), sonst gelingt es nicht.
Drittes Treffen: Zukunft
Rückblick auf das zweite Treffen: Wie haben sich die Dinge seitdem entwickelt? Gibt es Fortschritte?
Planung: Wie kann man in Zukunft besser zusammenarbeiten? Welche Projekte und Ziele sollen gemeinsam verfolgt werden? Welche Regeln und Abmachungen sind notwendig? Wie oft sollte man sich treffen? Spätestens im Unternehmenskontext kann die Besprechungsfrequenz ein wichtiges Thema sein, damit man sich oft genug sieht, um dass bspw. Informationen zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle gelangen usw.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es nur sehr selten eine perfekte „WIN-WIN-Lösung“ gibt. Einige Kolleginnen (bspw. Brené Brown in „Braving the wilderness“) oder Kollegen schlagen deshalb vor, anstelle von „Konfliktlösung“ besser von „Konflikttransformation“ zu sprechen — was nach unserer Erfahrung der deutlich angemessenere Begriff ist. Es geht darum, den Konflikt so zu verändern, dass die Beteiligten damit leben können. Es geht darum, die Perspektive anderer zu verstehen und die eigenen Handlungen zu reflektieren. Eine erfolgreiche Intervention kann den Weg für eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation ebnen. Es ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und den Willen zur Veränderung erfordert — die eigentliche „Lösung“ entsteht, wenn überhaupt, oft erst viel später. Wir haben schon viel erreicht, wenn die Beteiligten im Interesse des Zweckes ihrer jeweiligen Organisation wieder zusammen arbeiten können. Es geht nicht darum, alles zu „lösen“ oder gar Menschen zu verändern (Persönlichkeiten ändern sich in der Regel nicht), sondern es geht darum, (wieder) willens und in der Lage zu sein, zusammen zu arbeiten.
Das Beitragsbild wurde mit Hilfe künstlicher Intelligenz generiert.