Über den praktischen Umgang mit Überlastungsanzeigen

Bestandteile einer Überlastungsanzeige

In einer Über­las­tungs­an­zei­ge soll­te zunächst ste­hen, wie und in wel­chen Situa­tio­nen es zu einer Über­las­tung gekom­men ist. Es soll­te deut­lich wer­den, was der Unter­schied zu einer „nor­ma­len Arbeits­si­tua­ti­on“ ist. Dies soll­te idea­ler­wei­se ent­we­der durch Zah­len (bspw. Stück­zah­len, Anzahl von Vor­gän­gen, Ver­dich­tung von Auf­ga­ben pro Zeit­ein­heit o.ä.) oder/und durch kon­kre­te Bei­spie­le belegt werden.

Des Wei­te­ren soll­ten die bereits ein­ge­tre­te­nen oder/und die befürch­te­ten Fol­gen für die betreffende/n Person/en und ggf. die Orga­ni­sa­ti­on erläu­tert wer­den. Fol­gen für die Per­son kön­nen bspw. eine Stei­ge­rung der phy­si­schen und/oder psy­chi­schen Belas­tung sein. Fol­gen für die Orga­ni­sa­ti­on kön­nen bspw. eine stei­gen­de Feh­ler­quo­te und/oder ein Anwach­sen von Fehl­ta­gen sein.

Drit­tens soll­te eine Über­las­tungs­an­zei­ge Anga­ben dar­über ent­hal­ten, was von der oder den betrof­fe­nen Person/en bereits unter­nom­men wur­de, um der Über­las­tung zu begeg­nen (bspw. Prio­ri­sie­rung oder Neu­ord­nung von Auf­ga­ben; Gesprä­che mit der vor­ge­setz­ten Per­son, Vor­schlä­ge zur Ver­än­de­rung der Rol­len­ver­tei­lung im Team o.ä.).

Schließ­lich soll­te eine Über­las­tungs­an­zei­ge Vor­schlä­ge ent­hal­ten, wie der Über­las­tung aus Sicht der Betrof­fe­nen Abhil­fe geschafft wer­den könn­te. Ent­spre­chen­de Vor­schlä­ge, Wün­sche und Erwar­tun­gen, etwa an Vor­ge­setz­te, soll­ten mög­lichst kon­kret for­mu­liert werden.

Eine Über­las­tungs­an­zei­ge ist in jedem Fall sach­lich, höf­lich und schrift­lich zu for­mu­lie­ren. Emp­fän­ger der Über­las­tungs­an­zei­ge sind die vor­ge­setz­te Per­son und der Betriebs- oder Per­so­nal­rat, sofern es in der jewei­li­gen Orga­ni­sa­ti­on nicht abwei­chen­de oder ergän­zen­de Rege­lun­gen gibt.

In man­chen Fäl­len wol­len die Betrof­fe­nen die Über­las­tungs­an­zei­ge nicht an ihre direkt vor­ge­setz­te Per­son rich­ten. Das kann ver­schie­de­ne Grün­de haben. Dann geht die Über­las­tungs­an­zei­ge an über­ge­ord­ne­te Ebe­nen und an den Personalrat.

Wich­tig ist, dass der Über­las­tungs­an­zei­ge recht schnell ein Gespräch folgt. Ein ers­tes Gespräch dient zunächst der Klä­rung. Oft ist es so, dass Über­las­tungs­an­zei­gen nur einen Teil der oben genann­ten Ele­men­te ent­hal­ten, bspw. nur eine Auf­zäh­lung von Pro­ble­men oder etwa die Ankün­di­gung von Kon­se­quen­zen für den Fall, dass sich nichts ändert.

In vie­len, wenn nicht den meis­ten, Fäl­len sind Über­las­tungs­an­zei­gen die Fol­ge von nicht oder nicht hin­rei­chend erfolg­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on oder/und einer nur noch bedingt oder nicht mehr funk­tio­nie­ren­den Vor­ge­setz­ten-Mit­ar­bei­ter-Bezie­hung. Wenn das Ver­hält­nis und die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Vor­ge­setz­ten und ihren Teams „stim­mig“ sind, soll­te ech­tes Inter­es­se der vor­ge­setz­ten Per­so­nen aus­rei­chen, die Belan­ge der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter „auf dem Schirm“ zu haben.

Manch­mal liegt es tat­säch­lich an den objek­ti­ven Umstän­den — etwa wenn sich das Arbeits­auf­kom­men signi­fi­kant erhöht, ohne dass die Kapa­zi­tä­ten erwei­tert wer­den. Oft liegt es aber an einer Kom­bi­na­ti­on von Umstän­den — etwa wenn sich das Arbeits­auf­kom­men erhöht, Vor­ge­setz­te aber man­gels Alter­na­ti­ven zunächst mit der Bit­te reagie­ren, mög­lichst eine Wei­le durch­zu­hal­ten, bis es bes­ser wird. Wenn es dann aber nicht bes­ser wird, son­dern wei­ter „durch­ge­hal­ten“ wer­den soll, kommt es irgend­wann zu ver­ständ­li­chen Belas­tungs­re­ak­tio­nen — wobei es oft sehr schwer ist, zwi­schen tat­säch­li­chen Belas­tungs­re­ak­tio­nen und „pro­phy­lak­ti­schen Selbst­schutz­maß­nah­men“ zu unter­schei­den. Wenn etwa bereits die Kom­mu­ni­ka­ti­on der Vor­ge­setz­ten „stra­te­gisch“ (und nicht authen­tisch, ehr­lich usw.) ist, muss man sich nicht wun­dern, wenn Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter ihrer­seits irgend­wann „stra­te­gisch“ reagie­ren, nicht mehr ehr­lich sind und „pro­phy­lak­ti­sche“ Schutz­maß­nah­men einleiten.



Klärungsgespräch

Ganz gleich, wie es zu einer Über­las­tungs­an­zei­ge gekom­men ist — es ist in jedem Fall ein Gespräch zu führen.

In einem ers­ten Gespräch — idea­ler­wei­se zunächst zwi­schen der direkt vor­ge­setz­ten Per­son und der/den die Anzei­ge for­mu­liert haben­den Person/en — soll­ten fol­gen­de Fra­gen geklärt werden:

Beschrei­bung

  • Wie kam es zur For­mu­lie­rung der Überlastungsanzeige?
  • Wel­che Anzei­chen deu­ten auf eine Über­las­tung hin?
  • Wel­che Bele­ge gibt es aus Sicht der betrof­fe­nen Person/en für eine Überlastung?
  • Wel­che kon­kre­ten Situa­tio­nen las­sen sich beschreiben?
  • An ggf. wel­chen Merkmalen/Zahlen lässt sich eine Über­las­tung festmachen?
  • Wor­in besteht der Unter­schied zwi­schen einer „nor­ma­len“ Arbeits­si­tua­ti­on und der als „belas­tend“ beschrie­be­nen Situation?

Fol­gen

Wel­che Fol­gen hat die beschrie­be­ne Überlastungssituation

  • für die Per­son (phy­sisch, psy­chisch) und
  • die Orga­ni­sa­ti­on (Arbeits­leis­tung, Kom­mu­ni­ka­ti­on inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on, ggf. Feh­ler­quo­te usw.)?

Abhilfe/Maßnahmen

  • Wel­che Maß­nah­men hat die betrof­fe­ne Per­son / haben die betrof­fe­nen Per­so­nen bereits selbst ergrif­fen, um der Belas­tung zu begegnen?
  • Wel­che Fragen/„Hilferufe“ wur­den bereits for­mu­liert und sind bis­her ggf. unbe­ant­wor­tet geblieben?
  • Wel­che Maß­nah­men sind aus Sicht der Betrof­fe­nen geeig­net, die Über­las­tung abzu­stel­len bzw. der Über­las­tung zu begegnen?
  • Was erwar­ten die Betrof­fe­nen von ihren vor­ge­setz­ten Personen?

Da es sich bei Über­las­tungs­an­zei­gen wie gesagt oft um rela­tiv „spä­te“ Reak­tio­nen han­delt, kann es sein, dass ein Gespräch mit der direkt vor­ge­setz­ten Per­son abge­lehnt wird oder als „wenig hilf­reich“ ein­ge­schätzt wird. Fol­gen­de Kon­stel­la­tio­nen sind grund­sätz­lich denkbar:

  • Mitarbeiter/in — vor­ge­setz­te Person
  • Mitarbeiter/in — vor­ge­setz­te Per­son — Personalrat
  • Mitarbeiter/in — vor­ge­setz­te Per­son — vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­te — Vertreter/in aus der Personalabteilung
  • Mitarbeiter/in — vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­te — Vertreter/in aus der Per­so­nal­ab­tei­lung — Personalrat
  • Mitarbeiter/in — vor­ge­setz­te Per­son — vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­te — Vertreter/in aus der Per­so­nal­ab­tei­lung — Per­so­nal­rat — exter­ne Begleitung

Wel­che Vari­an­te gewählt wird, ist letzt­lich vom kon­kre­ten Fall abhän­gig. Grund­sätz­lich soll­te das Prin­zip ver­folgt wer­den, dass kon­kre­te Pro­ble­me auch mög­lichst kon­kret bear­bei­tet wer­den soll­ten — also unter Betei­li­gung der jeweils rele­van­ten Per­so­nen. Oft sind Über­las­tungs­an­zei­gen etwas Beson­de­res (= sel­ten Vor­kom­men­des) und wer­den des­halb wie die sprich­wört­li­che „hei­ße Kar­tof­fel“ behan­delt, was so viel bedeu­tet wie: Die Über­las­tungs­an­zei­ge lan­det zu weit oben, und es gibt in der Fol­ge vie­le indi­rek­te Gesprä­che oder gar „gro­ße Aussprachen“.

Weil die Betei­lig­ten ggf. „sehr invol­viert“ oder emo­tio­nal betrof­fen sein kön­nen, kann es hilf­reich sein, dass eine Par­tei eine gewis­se neu­tra­le Mode­ra­ti­ons- oder Beglei­tungs­rol­le über­nimmt. Es liegt nahe, dass die­se Rol­le ent­we­der der Per­so­nal­ab­tei­lung oder einer exter­nen Beglei­tung zukommt. Bei ent­spre­chen­der Eig­nung kön­nen auch Betriebs- bzw. Per­so­nal­rats­mit­glie­der oder vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­te die­se Rol­le über­neh­men. In man­chen Orga­ni­sa­tio­nen gibt es auch Ver­fah­rens- oder Com­pli­ance-Regeln, die der Per­so­nal­ab­tei­lung eine ent­spre­chen­de beglei­ten­de Rol­le zuschreiben.

Es kann hier hilf­reich sein, die Ange­le­gen­heit als etwas Mög­li­ches zu betrach­ten, nach dem Mot­to: Jeder Mit­ar­bei­ter und jede Mit­ar­bei­te­rin kann eine Über­las­tungs­an­zei­ge stel­len. An einer sol­chen Anzei­ge kann selbst­ver­ständ­lich etwas dran sein. Das ist zu klä­ren. Sowohl die Klä­rung als auch die Abhil­fe sind am Ehes­ten dort mög­lich, wo die kon­kre­te Koor­di­na­ti­on der Arbeit erfolgt, also im Team oder zwi­schen Vor­ge­setz­ten und Mit­ar­bei­tern oder zwi­schen einer vor­ge­setz­ten Per­son und einem Team. Sind die Bezie­hun­gen auf der Arbeits­ebe­ne zur Klä­rung unge­eig­net, weil es ggf. Kon­flik­te gibt, sich die Situa­ti­on „fest­ge­fah­ren“ hat oder weil ggf. die Füh­rungs­hal­tung der vor­ge­setz­ten Per­son „Teil des Pro­blems“ ist, kön­nen vor­ge­ord­ne­te Ebe­nen, Per­so­nal­rats­ver­tre­ter oder auch exter­ne Beglei­ter hilf­reich sein.

Aber es ist Vor­sicht — oder bes­ser: Behut­sam­keit — gebo­ten. Oft wer­den sol­che Din­ge zu spät oder nicht ange­mes­sen bear­bei­tet, weil die Orga­ni­sa­ti­on kei­ne kla­ren Regeln für sol­che Fäl­le hat oder über zu wenig Erfah­rung damit ver­fügt — oder die Sache zu früh „zu weit oben“ behan­delt bzw. „zu heiß gekocht“ wird, und am Ende den Betrof­fe­nen damit nicht gehol­fen ist. Behut­sa­mes Vor­ge­hen und das Ein­hal­ten einer gewis­sen „Eska­la­ti­ons­lo­gik“ kön­nen hier hilf­reich sein. Mit „Eska­la­ti­ons­lo­gik“ ist eine kla­re Vor­ge­hens­wei­se von den kon­kre­ten hin zu den all­ge­mei­ne­ren Ebe­nen gemeint.

Wenn die Sache zwi­schen vor­ge­setz­ter Per­son und anzei­gen­der Mit­ar­bei­te­rin geklärt wer­den kann, soll sie dort geklärt wer­den. Hier­für kön­nen Ver­fah­rens­re­geln geschaf­fen wer­den, bspw. die Regel, dass im Fal­le einer Über­las­tungs­an­zei­ge zunächst ein Gespräch zwi­schen den bei­den genann­ten Par­tei­en statt­zu­fin­den hat. Da eine Über­las­tungs­an­zei­ge auch ein gewis­ser Hin­weis auf Pro­ble­me zwi­schen der betref­fen­den Mit­ar­bei­te­rin und ihrer vor­ge­setz­ten Per­son sein kann, ist es sicher nicht falsch, in den ent­spre­chen­den Regeln von vorn­her­ein die Betei­li­gung wei­te­rer Instan­zen (min­des­tens Per­so­nal- oder Betriebs­rat, ggf. Per­so­nal­ab­tei­lungs­ver­tre­ter als moderierende/begleitende Rol­le) fest­zu­le­gen. Führt die­se ers­te Klä­rungs­ebe­ne nicht zu brauch­ba­ren Ergeb­nis­sen, ist bei wei­te­ren Gesprä­chen der Kreis der Betei­lig­ten ent­spre­chend zu erwei­tern, sind also bspw. vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­ten­ebe­nen hinzuzuziehen.



Vorgehensweise bei einer Überlastungsanzeige

Grund­sätz­lich folgt die Vor­ge­hens­wei­se bei einer Über­las­tungs­an­zei­ge dem fol­gen­den Muster:

Stel­len einer Über­las­tungs­an­zei­ge: Wenn Sie über­le­gen, eine Über­las­tungs­an­zei­ge zu schrei­ben, soll­te zunächst klar sein, (a) war­um Sie eine Über­las­tungs­an­zei­ge schrei­ben und (b) wozu. Aus die­sen bei­den Fra­ge­wör­tern erge­ben sich bereits die wesent­li­chen Ele­men­te einer Über­las­tungs­an­zei­ge: Was sehen Sie als Über­las­tung an? Wel­che kon­kre­ten Beispiele/Anzeichen spre­chen für eine Über­las­tung? Was sind die Unter­schie­de zu einer „übli­chen“ Arbeits­be­las­tung? Aus wel­chen Ursa­chen ergibt sich die Über­las­tung? Was haben Sie ggf. bereits selbst getan, um der Über­las­tung zu begeg­nen (Prio­ri­sie­rung von Auf­ga­ben, Struk­tu­rie­rung der Auf­ga­ben, Gesprä­che mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, Gesprä­che mit vor­ge­setz­ten Per­so­nen o.ä)? Wel­che Fol­gen erge­ben sich aus der Über­las­tung — für Sie selbst als Per­son als auch für die Orga­ni­sa­ti­on? An wen möch­ten Sie die Über­las­tungs­an­zei­ge rich­ten? Wenn Sie ggf. bereits Gesprä­che mit Ihrer direkt vor­ge­setz­ten Per­son geführt haben, ist es viel­leicht hilf­reich, die Über­las­tungs­an­zei­ge nicht nur an die direkt vor­ge­setz­te Per­son zu rich­ten, son­dern auch an eine oder meh­re­re ver­ant­wort­li­che Per­so­nen auf über­ge­ord­ne­ten Ebe­nen (vor­ge­ord­ne­te vor­ge­setz­te Per­so­nen, ggf. Per­so­nal­ab­tei­lung) und im Bedarfs­fall den Per­so­nal- oder Betriebs­rat hin­zu­zu­zie­hen. Eine Über­las­tungs­an­zei­ge soll­te sach­lich und höf­lich for­mu­liert sein und schrift­lich erfolgen.

Klä­ren­des Gespräch: Unab­hän­gig von der Fra­ge, ob eine ein­mal gestell­te Über­las­tungs­an­zei­ge allen Kri­te­ri­en für eine sol­che Anzei­ge ent­spricht — sie soll­te in jedem Fall ernst genom­men wer­den. Nach Emp­fang und Kennt­nis­nah­me ist mög­lichst zeit­nah ein Gespräch zu füh­ren. Wei­ter oben sind die mög­li­chen Betei­lig­ten in den mög­li­chen Kom­bi­na­tio­nen auf­ge­zählt wor­den. Wenn bspw. die Bezie­hung zwi­schen der die Über­las­tungs­an­zei­ge for­mu­lie­ren­den Per­son und ihrer direkt vor­ge­setz­ten Per­son nicht mehr von Ver­trau­en geprägt ist (was oft der Fall ist, weil eine Über­las­tungs­an­zei­ge nicht immer, aber oft genug ein Kenn­zei­chen für den Ver­lust einer „direk­ten Gesprächs­ebe­ne“ ist), müs­sen Drit­te (vor­ge­ord­ne­te Vor­ge­setz­te, Per­so­nal- oder Betriebs­rat, Per­so­nal­ab­tei­lung) hin­zu­ge­zo­gen werden.

Es ist rat­sam, ein ers­tes Klä­rungs­ge­spräch von einem wei­te­ren Gespräch zur Ent­wick­lung von Maß­nah­men zu tren­nen. Das ers­te Gespräch dient der Beant­wor­tung der Fra­ge, was eigent­lich Fakt ist, was zur Anzei­ge geführt hat, was bis­her unter­nom­men wur­de, wel­che Wün­sche es gibt usw. In einem zwei­ten Gespräch geht es dann um die Zukunft: Was soll unter­nom­men wer­den? Wel­che Schrit­te und Maß­nah­men wer­den ver­ein­bart? Das Ergeb­nis des zwei­ten Gesprächs ist ein Maß­nah­me­plan. Zur Umset­zung des Plans soll­ten gegen­sei­ti­ge Erwar­tun­gen, jewei­li­ge Auf­ga­ben und Zuständigkeiten/Verantwortlichkeiten sowie ent­spre­chen­de Schrit­te und Ter­mi­ne zur Umset­zung ver­ein­bart wer­den. Zudem soll­te geklärt wer­den, wie die Ein­hal­tung des Plans beob­ach­tet und aus­ge­wer­tet wird bzw. wie der Plan im Bedarfs­fall kor­ri­giert wird (Moni­to­ring). Ist der Plan umge­setzt, soll­te ein Abschluss­ge­spräch stattfinden.

Auch wenn wir hier wie­der­holt dar­auf hin­ge­wie­sen haben, dass es sinn­voll ist, die Gesprä­che und die Ent­wick­lung der Maß­nah­men auf einer mög­lichst „kon­kre­ten Ebe­ne“, also zwi­schen Betrof­fe­nen und direkt vor­ge­setz­ten Per­so­nen zu belas­sen — zu betei­li­gen sind die­se Ebe­nen in jedem Fall —, ist es in einem Teil der Fäl­le eher unwahr­schein­lich, dass dies aus­reicht, da eine Über­las­tungs­an­zei­ge nicht immer, aber oft genug, AUCH Aus­druck eines dys­funk­tio­na­len oder, posi­ti­ver for­mu­liert, „ent­wick­lungs­be­dürf­ti­gen“ Ver­hält­nis­ses zwi­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern auf der einen und ihren vor­ge­setz­ten Per­so­nen auf der ande­ren Sei­te ist. Des­halb wird man an vie­len Stel­len nicht um eine Hin­zu­zie­hung ent­we­der des Personalrats/Betriebsrats und/oder über­ge­ord­ne­ter Ebe­nen her­um­kom­men. Im Extrem­fall bedarf es exter­ner Beglei­tung. Als inter­ne Stel­len für begleitende/helfende Rol­len kom­men der Betriebsrat/Personalrat eben­so infra­ge wie die Per­so­nal­ab­tei­lung. In man­chen Orga­ni­sa­tio­nen gibt es zudem spe­zi­el­le Beauf­trag­te (etwa Gesund­heits­ma­na­ger oder Mobbing-Beauftragte).



Schema/Vorlage für eine einfache Überlastungsanzeige

Datum

Betreff: Über­las­tungs­an­zei­ge

Sehr geehrte/r (Name der vor­ge­setz­ten Person),

hier­mit möch­te ich Sie dar­über in Kennt­nis set­zen, dass ich mich auf­grund der der­zei­ti­gen Arbeits­be­las­tung stark über­las­tet füh­le. Im Ein­zel­nen betrifft dies fol­gen­de Aufgaben:

  • Auf­ga­be 1
  • Auf­ga­be 2
  • Auf­ga­be 3

Seit (Zeit­raum) ist die Arbeits­last ste­tig gestie­gen, sodass es mir nicht mehr mög­lich ist, mei­ne Auf­ga­ben voll­stän­dig und feh­ler­frei inner­halb der regu­lä­ren Arbeits­zeit zu erle­di­gen. Die hohe Arbeits­be­las­tung führt bereits zu (z. B. Feh­lern in der Arbeits­er­le­di­gung, gesund­heit­li­chen Beschwer­den, etc.).

Um die Qua­li­tät mei­ner Arbeit und mei­ne Gesund­heit nicht wei­ter zu gefähr­den, bit­te ich drin­gend um eine Anpas­sung der Arbeits­ver­tei­lung oder ande­re Maß­nah­men, die zu einer Ent­las­tung füh­ren kön­nen. Ich ste­he ger­ne für ein per­sön­li­ches Gespräch zur Ver­fü­gung, um mög­li­che Lösun­gen zu besprechen.

Mit freund­li­chen Grü­ßen,
(Name)



Grundsatz: Prävention vor Intervention

Es sei noch ein­mal ange­merkt, dass es im gelin­gen­den Fall einer Bezie­hung zwi­schen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern auf der einen und dem Unter­neh­men oder der Orga­ni­sa­ti­on auf der ande­ren Sei­te gar nicht so weit kom­men soll­te. Wenn man regel­mä­ßig offen mit­ein­an­der spricht, muss es das auch nicht — eben weil die Betei­lig­ten häu­fig und offen genug mit­ein­an­der reden und die­sen Gesprä­chen etwas fol­gen las­sen. Es kommt also, wie so oft, auf die Füh­rungs­kräf­te an.

Jeder arbei­ten­de Mensch hat zu sei­ner Orga­ni­sa­ti­on eine Bezie­hung. Die­se Bezie­hung nennt man den psy­cho­lo­gi­schen Ver­trag. Der psy­cho­lo­gi­sche Ver­trag besteht aus gegen­sei­ti­gen Erwar­tun­gen. Füh­rungs­kräf­te haben die Auf­ga­be, die­sen psy­cho­lo­gi­schen Ver­trag am Leben zu erhal­ten, zu mode­rie­ren, die gegen­sei­ti­gen Erwar­tun­gen abzu­glei­chen usw. Prä­ven­ti­on ist bes­ser als Inter­ven­ti­on. Prä­ven­ti­on kos­tet wenig, macht aber Mühe; Inter­ven­ti­on ist teu­rer und kos­tet noch mehr Kraft. (Lesen Sie im Fal­le wei­ter­füh­ren­den Inter­es­ses einen aus­führ­li­chen Bei­trag zum The­ma „Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che“.)

Es kommt auf die Hal­tung an: Wenn man prä­ven­tiv genug kom­mu­ni­ziert, hat man die The­men, die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern wich­tig sind, auf dem Schirm, bevor es brenz­lig wird. Was man hier braucht, ist die rich­ti­ge Hal­tung, näm­lich Inter­es­se an Men­schen. Wenn ich Inter­es­se habe, stel­le ich auch (offe­ne) Fra­gen — und ich bekom­me offe­ne Ant­wor­ten, wenn mir mein Inter­es­se geglaubt wird. Mein Inter­es­se soll­te also vor allem echt sein. Ich soll­te nichts heu­cheln, und ich soll­te kei­ne Fra­gen stel­len, auf die ich die Ant­wor­ten schon kenne.

Es ist aller­dings nicht ganz ein­fach, in Zei­ten, in denen man mit­un­ter bereits von Work-Life-Balan­ce spricht, bevor es um Arbeit geht, über das The­ma Über­las­tung zu spre­chen. Noch vor weni­gen Jahr­zehn­ten wur­de das The­ma Belas­tung oft ver­drängt. Das wird es oft genug auch heu­te noch, etwa indem Füh­rungs­kräf­te das Belas­tungs­le­vel ihrer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter als gering ein­schät­zen und sich dem­entspre­chend äußern. In tat­säch­li­chen Über­las­tungs­fäl­len ist es hilf­reich, Belas­tung zu the­ma­ti­sie­ren, damit man arbeits­fä­hig bleibt. Aber durch ent­spre­chen­de „Sprü­che“ von Vor­ge­setz­ten kann die Bereit­schaft, sich ent­spre­chend zu äußern, signi­fi­kant ver­rin­gert werden.

Aber all­zu schnell ent­ste­hen auch Über­trei­bun­gen — man simu­liert Über­las­tung, um sich vor bestimm­ten Din­gen zu schüt­zen oder schlicht um bestimm­te Kom­fort­zo­nen zu errei­chen. Die oft gehör­te Bezeich­nung „gel­ber Urlaubs­schein“ sei hier als Bei­spiel genannt.

Es ist nicht ein­fach, die Begrif­fe „Belas­tung“ und „Über­las­tung“ zu defi­nie­ren. Klar schei­nen die Men­ge und Dich­te an Auf­ga­ben und die damit ver­bun­de­ne Ver­ant­wor­tung nahe lie­gen­de Kri­te­ri­en zu sein. Aber die eine Per­son scheint bereits an einer vor­über­ge­hen­den Ver­dich­tung der Auf­ga­ben gegen­über dem gewohn­ten Level zu schei­tern, wäh­rend eine ande­re Per­son einen gewis­sen Druck regel­recht zu brau­chen scheint, um etwas zum Ende brin­gen zu können.

Es gibt wahr­schein­lich kei­ne letzt­gül­ti­gen objek­ti­ven Kri­te­ri­en. Aufgaben‑, erfah­rungs- und per­so­nen­be­zo­ge­ne Fak­to­ren inter­agie­ren mit­ein­an­der — eine Über­las­tung zu erken­nen und ein­zu­schät­zen bleibt also immer eine kom­ple­xe, spe­zi­fi­sche Auf­ga­be. Selbst „objek­ti­ve“ Fra­ge­bö­gen sind begrenzt — denn die eine Per­son gibt selbst unter Über­las­tungs­be­din­gun­gen an, alles im Griff zu haben, wäh­rend ande­re bereits aus Selbst­schutz­grün­den mei­nen kön­nen, über­las­tet zu sein.

Zunächst gibt es kei­ne ande­re Mög­lich­keit, als die Sache ernst zu neh­men. Die Hal­tung des Inter­es­ses soll­te also ernst gemeint sein. Die Glaub­haf­tig­keit einer Über­las­tungs­an­zei­ge bzw. der Sinn der Maß­nah­men, die ihr fol­gen, ergibt sich erst in der Fol­ge. Ob es sich um eine authen­ti­sche oder stra­te­gi­sche Über­las­tungs­an­zei­ge gehan­delt hat, wird oft genug erst in der Gestal­tung und Wir­kung der dar­aus fol­gen­den Maß­nah­men deutlich.

Dr. Jörg Heidig

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.