Rhetorik und Präsentation, Teil 1

Wie man in den Wald hineinruft…

Den Rhe­to­rik-Leh­rer Enkel­mann habe ich ein­mal sagen hören, das ers­te Gesetz der Rhe­to­rik lau­te: „Wie man in den Wald hin­ein ruft, so schallt es her­aus!“ Die­ses Sprich­wort mag jeder Mensch im deut­schen Sprach­raum schon oft gehört haben, und im Grun­de erscheint sei­ne Aus­sa­ge so banal, dass sie nicht unbe­dingt in ein Rhe­to­rik-Skript gehört. Den­noch erge­ben sich bei nähe­rer Betrach­tung wert­vol­le Hin­wei­se für das eige­ne Auftreten.

So ist es ers­tens ent­schei­dend, wie ich mei­nen Zuhö­rern und Gesprächs­part­nern ent­ge­gen­tre­te. Tue ich dies offen und freund­lich und auf „Augen­hö­he“? Oder bin ich unsi­cher oder wäh­ne mich gar in der erha­be­nen Posi­ti­on des Beleh­ren­den? Wie so oft im Umgang mit Men­schen gibt es kein Rich­tig und Falsch. Es gibt nur das, was in einer kon­kre­ten Situa­ti­on wirk­sam ist. Dabei ist jedoch die Art und Wei­se, wie ein Mensch auf ande­re zugeht, aus­schlag­ge­bend, wie die Prä­sen­ta­ti­on oder das Gespräch verläuft.

Zwei­tens legt das Sprich­wort nahe, sich gut auf die Zuhö­rer und Gesprächs­part­ner vor­zu­be­rei­ten. Man­che Rhe­to­rik-Leh­rer mei­nen, je bes­ser ein Red­ner die Spra­che sei­ner Zuhö­rer spricht, des­to erfolg­rei­cher kön­ne er sein. 

Aber wie funk­tio­niert das?

Kurz gesagt: Je bes­ser jemand in der Lage ist, (mehr oder weni­ger unbe­wusst) sein Gegen­über zu imi­tie­ren, umso wirk­sa­mer wird die Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­lau­fen. Der Begriff Sym­pa­thie lei­tet sich von „sym-pathein“ (mit-emp­fin­den) her. Sym­pa­thisch ist, wer ande­ren Men­schen das Gefühl gibt, mit­zu­füh­len, „mit ihnen“ zu sein. Nun funk­tio­niert dies sicher nicht, indem man ab und an ein „Ich bin da ganz bei Ihnen!“ in die Rede oder das Gespräch ein­streut. Den über­wie­gen­den Teil des­sen, was  wir wahr­neh­men, ver­ar­bei­ten wir auto­ma­tisch und unbe­wusst. Ins­be­son­de­re die non­ver­ba­le Kom­mu­ni­ka­ti­on ist nur bedingt bewusst­seins­fä­hig, hat aber einen star­ken Ein­fluss auf das Verhalten.

Ein Bei­spiel aus der „Trick­kis­te“:

Stel­len Sie wäh­rend eines Gesprächs oder Vor­trags rhe­to­ri­sche Fra­gen, denen die Zuhö­rer mehr oder weni­ger ein­fach zustim­men müs­sen. Anschlie­ßend stel­len Sie die eigent­li­che Fra­ge, um die es Ihnen geht, und ein wesent­lich höhe­rer Pro­zent­satz der Zuhö­rer wird – bereits an das Nicken gewöhnt – zustim­men, als wenn Sie die Fra­ge ein­fach so direkt gestellt hätten…

Es gibt nicht die eine gute Art zu reden

Vie­le erwar­ten von Rhe­to­rik-Trai­nings eine Art „Trick­kis­te“, wie sie in Zukunft bes­ser mit bestimm­ten Situa­tio­nen umge­hen kön­nen – bei­spiels­wei­se mit Lam­pen­fie­ber oder mit „schwie­ri­gen“ Gesprächs­part­nern. Sicher gibt es sol­cher­lei Tricks, aber ich möch­te behaup­ten, dass sie zu nichts gut sind, außer, dass sie ggf. den Kon­to­stand des betref­fen­den Rhe­to­rik-Leh­rers erhö­hen. Denn so ein­fach ist es nicht. Man kann nicht zwei, drei Mani­pu­la­ti­ons­stra­te­gien erler­nen (die es zwei­fels­oh­ne gibt) und wird dar­auf­hin alle Zie­le erreichen.

Ich möch­te behaup­ten, dass es nicht die eine gute Art gibt, Gesprä­che zu füh­ren oder zu reden. Viel­mehr gibt es vie­le unter­schied­li­che Men­schen mit vie­len ver­schie­de­nen Stär­ken und Schwä­chen. Was bei dem einen Men­schen wirk­sa­me Kom­mu­ni­ka­ti­on ist, kann bei einem ande­ren ganz schreck­lich aus­se­hen. Gute, über­zeu­gen­de Rhe­to­rik wirkt durch die Kör­per­spra­che. Da Kör­per­spra­che jedoch zu grö­ße­ren Tei­len unbe­wusst gesteu­ert wird, erfor­dern wirk­sa­me Rhe­to­rik und Gesprächs­füh­rung ein gewis­ses Maß an Echt­heit. Es gibt Men­schen, die wie gedruckt lügen kön­nen. Ich mei­ne, die­se Men­schen sind gebo­re­ne Imi­ta­to­ren. Sie kön­nen sich unbe­wusst an jede erdenk­li­che Situa­ti­on anpas­sen und mei­nen dann im betref­fen­den Moment ganz ehr­lich, was sie sagen. Und so ist es nicht erstaun­lich, dass die­je­ni­gen Teil­neh­mer von Rhe­to­rik-Trai­nings, die sich viel von so genann­ten Über­zeu­gungs­stra­te­gien und mani­pu­la­ti­ven Tricks erwar­ten, in Zukunft vor allem eines nicht sein wer­den – überzeugend.

Ich habe Men­schen getrof­fen, die bereits in den ers­ten Sekun­den ihrer Prä­sen­ta­ti­on einen „komi­schen“ Ein­druck hin­ter­las­sen. Manch­mal hat ihre Spra­che auf­ge­setzt oder gar gepresst gewirkt, manch­mal haben sie zu lang­sam ges­ti­ku­liert oder so ener­gisch und gleich­zei­tig abge­hackt, dass man kei­nen Respekt ver­spür­te, son­dern sich das Lachen ver­knei­fen muss­te. In jedem Fall hat die Kör­per­spra­che (unbe­wusst gesteu­ert) nicht mit der gespro­che­nen Spra­che (bewusst­seins­fä­hig) über­ein­ge­stimmt. Gute, über­zeu­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on kommt von innen, und das muss sie auch, denn sie bedarf der Über­ein­stim­mung zwi­schen Wor­ten (nach Watz­la­wick et al. [1996]: digi­ta­ler Modus) und Kör­per­spra­che (ana­lo­ger Modus). Dies bedeu­tet, dass es tat­säch­lich nicht den einen Weg zur guten Rede gibt, son­dern vie­le ver­schie­de­ne. Jeder Mensch hat unter­schied­li­che Vor­aus­set­zun­gen – Stär­ken, auf die er sich bereits ver­las­sen kann und die es ggf. aus­zu­bau­en gilt, und Schwä­chen, die man zu redu­zie­ren versucht.

Und wie gesagt: Was bei einer Red­ne­rin gut aus­sieht, kann bei einer ande­ren ganz und gar lächer­lich wir­ken. Ziel des Trai­nings soll­te also ein bes­se­res – im Sin­ne der Kom­mu­ni­ka­ti­on wirk­sa­me­res – Gesamt­bild sein und nicht eine Samm­lung ein­fa­cher Tricks, die man sich mit ein biß­chen Zeit auch im Inter­net zusam­men­su­chen könn­te. Letzt­end­lich geht es um Persönlichkeitsentwicklung.

Eine gute Rede will gut vor­be­rei­tet sein. Je bes­ser die Vor­be­rei­tung, des­to siche­rer kön­nen Sie in die Rede­si­tua­ti­on hin­ein­ge­hen. Genau­so wich­tig wie der Inhalt ist jedoch, dass es Ihnen gut geht und Ihre Aus­strah­lung stimmt. Der Inhalt ist also nur die hal­be Mie­te, wenn über­haupt. Die ande­ren Berei­che der Wir­kung sind non­ver­bal – Kör­per­hal­tung, Ges­tik, Blick­kon­takt, ggf. Freundlichkeit.

Es ist die Auf­ga­be des Red­ners, sein Publi­kum zu begeistern

Wenn ein Red­ner Begeis­te­rung wecken möch­te, geht es dabei – psy­cho­lo­gisch betrach­tet – um Emo­tio­nen, also um die Fra­ge, wie ein Red­ner gezielt Emo­tio­nen aus­lö­sen kann. Die Phy­sio­lo­gi­sche Psy­cho­lo­gie betrach­tet das Bewusst­sein als eine Neben­funk­ti­on des Sprach­zen­trums. Als einer der im Ver­lau­fe der Phy­lo­ge­ne­se zuletzt ent­stan­de­nen Funk­ti­ons­be­rei­che des Gehirns ist das Sprach­zen­trum nicht mit allen ande­ren (älte­ren) Funk­ti­ons­be­rei­chen in glei­chem Maße ver­bun­den. Das bedeu­tet, dass nicht alle Pro­zes­se im Gehirn bewusst­seins­fä­hig sind, son­dern viel­mehr nur ein eher klei­ner Teil. Dies trifft ins­be­son­de­re auf die emo­tio­na­len Pro­zes­se zu – bei­spiels­wei­se zei­gen vie­le Men­schen, wenn sie ärger­lich sind, die ent­spre­chen­den kör­per­sprach­li­chen Signa­le, bevor sie selbst über­haupt mer­ken, wel­che Emo­tio­nen sich ihrer bemäch­tigt haben. Man­che emo­tio­na­len Zustän­de bemerkt man eher durch Selbst­be­ob­ach­tung als anhand eines klar benenn­ba­ren Gefühls. Hier wird auch der Unter­schied zwi­schen Emo­ti­on und Gefühl klar: Die Emo­ti­on ist das phy­sio­lo­gi­sche Ereig­nis und das Gefühl das qua­si sche­men­haf­te Echo der Emo­ti­on im Bewusst­sein, also eine Art bewusst­seins­fä­hi­ges Abbild des eigent­li­chen emo­tio­na­len (phy­si­schen) Gesche­hens. (Vgl. Carlson, 2004)

Der Ton macht die Musik

Das Bewusst­sein als eine Neben­funk­ti­on des Sprach­zen­trums ist nur in gerin­gem Maße mit den emo­tio­na­len Ver­ar­bei­tungs­zen­tren ver­bun­den. Des­halb ver­lau­fen vie­le hand­lungs­steu­ern­de Akti­vi­tä­ten nicht oder nur teil­wei­se bewusst ab. Schluss­fol­ge­rung für die Rhe­to­rik: Es ist weni­ger wich­tig, was gesagt wird, son­dern viel­mehr, wie es gesagt wird. 

Wenn ein Red­ner nun sein Publi­kum begeis­tern möch­te, dann fin­det er am Ehes­ten einen Zugang zum Publi­kum, indem er Emo­tio­nen her­vor­ruft. Er muss sich einer Spra­che bedie­nen, die vor allem auch die nicht bewuss­ten (und damit wort­lo­sen) Ver­ar­bei­tungs­pro­zes­se anspricht. Es geht also weni­ger dar­um, was der Red­ner sagt, son­dern wie er es sagt. Es geht um Ges­tik, Mimik, Kör­per­hal­tung (non­ver­ba­le Aspek­te). Und es geht um das Sprech­tem­po, um Pau­sen in der Rede, um Beto­nung, um das Heben und Sen­ken der Stim­me (para­ver­ba­le Aspek­te). Dar­über hin­aus kann ein Red­ner die emo­tio­na­le Wirk­sam­keit sei­ner Dar­stel­lun­gen durch eine mög­lichst tref­fen­de Bild­haf­tig­keit sei­ner Spra­che unter­stüt­zen, denn die Bild­ver­ar­bei­tung fin­det auto­ma­ti­sier­ter und damit schnel­ler statt als die Wortverarbeitung.

Hirn­freund­li­che Dramaturgie

Ein Red­ner braucht also bei­des – einen Span­nungs­bo­gen für die gesam­te Prä­sen­ta­ti­on und Metho­den, um sei­ne Zuhö­rer immer wie­der zu akti­vie­ren. Doch wie funk­tio­niert das? Stel­len Sie sich bit­te ein­mal einen Stan­dard-Vor­trag oder eine „08/15“-Präsentation vor: Was erwar­ten Sie? Einen Red­ner, der in vier­zig Minu­ten eben­so­vie­le Power­point-Foli­en her­un­ter­spult? Und nun fra­gen Sie sich bit­te, was pas­sie­ren müss­te, damit eine sol­che „08/15“-Präsentation abwechs­lungs­reich und span­nend wird… Wel­che Erwar­tun­gen haben Sie an eine span­nen­de Prä­sen­ta­ti­on? Wie kann man aus „Stan­dard“ etwas machen, das die Zuhö­rer begeis­tert und über­zeugt, ohne dabei gleich den reins­ten Zir­kus zu veranstalten?

Erkennt­nis­se aus der Hirn­for­schung legen nahe, dass eine gelun­ge­ne Mischung wirk­sam ist: Eine gute Prä­sen­ta­ti­on braucht den Span­nungs­bo­gen (bspw. durch die Nen­nung eines über­ra­schen­den Ergeb­nis­ses oder einer pro­vo­kan­ten The­se bereits am Anfang der Prä­sen­ta­ti­on) genau­so wie kurz­fris­tig fes­seln­de Ele­men­te (Bei­spie­le, Fra­gen, Auf­lo­cke­run­gen, Kon­tras­te zwi­schen den Foli­en, Ver­deut­li­chung des Nut­zens, rhe­to­ri­sche Stilmittel).

Zuhö­rer wol­len aktiv ein­ge­bun­den wer­den. Sie möch­ten nicht nur pas­siv kon­su­mie­ren, son­dern das Gefühl haben, Teil der Prä­sen­ta­ti­on zu sein. Klei­ne Inter­ak­tio­nen, Fra­gen oder Auf­for­de­run­gen sor­gen dafür, dass das Publi­kum sich stär­ker betei­ligt. Die­se Betei­li­gung erhöht nicht nur die Auf­merk­sam­keit, son­dern auch die Ver­an­ke­rung der Inhalte.

Visu­el­le Hilfs­mit­tel spie­len eine zen­tra­le Rol­le. Aber: Weni­ger ist oft mehr. Prä­sen­ta­ti­ons­fo­li­en soll­ten klar, ein­fach und über­sicht­lich sein. Kom­ple­xi­tät über­for­dert, wäh­rend ein­fa­che Struk­tu­ren und visu­el­le Anker die Inhal­te unter­stüt­zen. Gut gestal­te­te Foli­en hel­fen, das Gesag­te zu unter­mau­ern, ohne dabei abzu­len­ken oder zu überfrachten.

Der ers­te Moment ent­schei­det. Gleich zu Beginn muss eine Ver­bin­dung ent­ste­hen, die Auf­merk­sam­keit erzeugt und das Inter­es­se weckt. Ein Ein­stieg, der über­rascht, pro­vo­kant oder uner­war­tet ist, zieht die Zuhö­rer sofort in den Bann. Dabei soll­te es nicht zu kom­pli­ziert sein – ein kur­zer, prä­gnan­ter Auf­hän­ger reicht oft aus, um die Büh­ne zu set­zen und das Publi­kum auf den wei­te­ren Ver­lauf vorzubereiten.

Men­schen den­ken in Bil­dern, und genau hier setzt eine anschau­li­che Spra­che an. Wenn Sie Geschich­ten erzäh­len, neh­men Sie Ihr Publi­kum mit auf eine Rei­se. Durch leben­di­ge Erzäh­lun­gen, kon­kre­te Bei­spie­le und kla­re Beschrei­bun­gen ent­steht ein inne­res Bild, das hilft, auch kom­ple­xe The­men ver­ständ­lich und greif­bar zu machen. Das Ziel ist es, nicht nur Infor­ma­tio­nen zu ver­mit­teln, son­dern eine emo­tio­na­le Ver­bin­dung zu schaf­fen, die nach­hal­tig wirkt.

Mono­to­nie ist der Feind jeder Prä­sen­ta­ti­on. Abwechs­lung sorgt dafür, dass das Publi­kum wach und auf­merk­sam bleibt. Das kann ein Wech­sel des Stand­orts im Raum sein, der den Red­ner aus einem neu­en Blick­win­kel zeigt, oder der geziel­te Ein­satz unter­schied­li­cher Medi­en. Wich­tig ist, dass immer wie­der neue Rei­ze gesetzt wer­den, um das Inter­es­se zu hal­ten und den Fluss der Prä­sen­ta­ti­on leben­dig zu gestalten.

Zum Schluss kommt es dar­auf an, die Atmo­sphä­re auf­zu­lo­ckern. Ein locke­rer Kom­men­tar, ein uner­war­te­ter Witz oder eine humor­vol­le Anek­do­te kön­nen Wun­der wir­ken. Sol­che Momen­te bre­chen die Span­nung auf ange­neh­me Wei­se und schaf­fen eine Ver­bin­dung, die das Publi­kum ent­spannt und die Auf­merk­sam­keit neu bün­delt. Es geht dar­um, Leich­tig­keit in die Prä­sen­ta­ti­on zu brin­gen, ohne dabei die Ernst­haf­tig­keit des The­mas zu verlieren.

Jede Prä­sen­ta­ti­on lebt davon, dass der prak­ti­sche Nut­zen klar erkenn­bar wird. Es geht nicht nur dar­um, Infor­ma­tio­nen wei­ter­zu­ge­ben, son­dern auch dar­um, zu zei­gen, war­um die­se Infor­ma­tio­nen rele­vant sind. Was bringt das Gehör­te den Zuhö­rern? Wie kön­nen sie es in ihrem All­tag nut­zen? Indem Sie die­se Aspek­te wie­der­holt in den Vor­der­grund rücken, schaf­fen Sie eine star­ke Bin­dung und erhö­hen die Bedeu­tung Ihrer Inhalte.

Bil­der sind wirk­sa­mer als Worte

Einem deut­schen Wirt­schafts­mi­nis­ter wird der Aus­spruch zuge­schrie­ben, dass Wirt­schaft zu 50% Psy­cho­lo­gie sei. Wie hoch der Anteil der Psy­cho­lo­gie genau ist, kann zwar nicht exakt bestimmt wer­den, aber die bedeu­ten­de Rol­le, die Mar­ke­ting und Wer­bung heu­te für den wirt­schaft­li­chen Erfolg spie­len, spricht für sich. Mit Mar­ke­ting und Wer­bung haben sich auch die ent­spre­chen­den fach­be­zo­ge­nen psy­cho­lo­gi­schen Wis­sen­schaf­ten ent­wi­ckelt – die Markt- und die Werbepsychologie.

Einer der wesent­li­chen Lehr­sät­ze der Wer­be­psy­cho­lo­gie besagt, dass Bil­der leich­ter ver­ar­bei­tet wer­den als Wor­te. Bil­der wer­den zuerst betrach­tet, schnel­ler ver­ar­bei­tet, schnel­ler gelernt und blei­ben bes­ser im Gedächt­nis als Wor­te. Dar­über hin­aus erschei­nen Sie glaub­wür­di­ger, weil sie sowohl bewusst (ana­ly­tisch) als auch unbe­wusst (emo­tio­nal wirk­sam ohne die Mög­lich­keit einer „Bewer­tung“) ver­ar­bei­tet wer­den. Im Fal­le ange­neh­mer Moti­ve beför­dern Bil­der eine posi­ti­ve Ein­stel­lung gegen­über einer Wer­be­an­zei­ge. Wer­bung wird unter ande­rem des­halb immer weni­ger argu­men­ta­ti­ons­be­tont. Lag der Anteil der Anzei­gen­wer­bung ohne Fließ­text 1960 noch bei 16%, so waren es 1990 bereits 37%. Der Flä­chen­an­teil von Bil­dern in Anzei­gen wächst, dem­ge­gen­über nimmt die Län­ge der Fließ­tex­te ab. Die Beach­tungs­chan­ce einer Anzei­ge ist um so grö­ßer, je weni­ger Text sie ent­hält. Wer­be­pro­fis wür­den sogar ganz auf Text ver­zich­ten, wenn For­scher nicht her­aus­ge­fun­den hät­ten, dass Anzei­gen, die etwas Text ent­hal­ten, für seriö­ser gehal­ten wer­den (vgl. Fel­ser, 2001).

Die Schluss­fol­ge­run­gen für die Gestal­tung von Vor­trä­gen und Prä­sen­ta­tio­nen lie­gen auf der Hand: Bil­der sagen mehr als Wor­te – benut­zen Sie daher in Prä­sen­ta­tio­nen durch­aus Bil­der! Der Rhe­to­rik-Leh­rer Pöhm (2002) meint sogar, Bil­der soll­ten groß­flä­chig (auf der gesam­ten Foli­en­flä­che nur ein Bild) und mög­lichst ohne zusätz­li­che Wor­te ver­wen­det wer­den. Des Wei­te­ren soll­ten Sie mög­lichst bild­haft (Ana­lo­gien, Wort-Bil­der) und kon­kret (Bei­spie­le, Nut­zen) sprechen.

Bil­der kom­mu­ni­zie­ren mehr Inhal­te in kür­ze­rer Zeit. Im Text erhal­ten die Infor­ma­tio­nen eine Rei­hen­fol­ge, wäh­rend sie durch Bil­der simul­tan erfass­bar wer­den. Die Ver­ar­bei­tung von Bil­dern erfolgt schnel­ler und intui­ti­ver. Des­halb soll­te die Spra­che eines Vor­tra­gen­den mög­lichst bild­haft sein. Wer­den Foli­en ein­ge­setzt, so ist es rat­sam, mit Text spar­sam umzu­ge­hen und auch hier zusätz­lich Bil­der zu verwenden.

Bewuss­te und unbe­wuss­te Informationsverarbeitung

Men­schen ver­ar­bei­ten Infor­ma­tio­nen zu jeder Zeit sowohl bewusst als auch unbe­wusst, wobei sich die bei­den Modi der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung hin­sicht­lich ihrer Eigen­schaf­ten deut­lich unter­schei­den: Der bewuss­te Modus hat eine wesent­lich gerin­ge­re Kapa­zi­tät und erfor­dert vom Zuhö­rer einen erheb­li­chen Auf­wand an Kon­zen­tra­ti­on und kogni­ti­ver Ener­gie. Der unbe­wuss­te Weg der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung funk­tio­niert hin­ge­gen auto­ma­tisch und erfor­dert kei­ne Auf­merk­sam­keit. Wenn Sie also beim Lesen einer Zei­tung eine Dop­pel­sei­te mit Wer­bung acht­los betrach­ten und nach zwei Sekun­den wei­ter blät­tern, heißt das nicht, dass die­se Wer­bung wir­kungs­los an Ihnen vor­bei­ge­gan­gen ist. Bei Prä­sen­ta­tio­nen soll­ten Sie des­halb dar­auf ach­ten, dass Sie bei­de Modi der Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung in geeig­ne­ter Wei­se bedie­nen – bspw. indem Sie Bil­der ein­set­zen und mög­lichst anschau­lich spre­chen (unbe­wuss­ter, auto­ma­ti­scher Weg der Ver­ar­bei­tung) und indem Sie die auf Foli­en dar­ge­stell­ten Tex­te soweit redu­zie­ren, dass die Kon­zen­tra­ti­on der Zuhö­rer davon nicht voll­kom­men in Anspruch genom­men ist. Gute Foli­en unter­stüt­zen die Wor­te des Red­ners, all­zu aus­führ­li­che Foli­en rau­ben dem Red­ner die Auf­merk­sam­keit und damit die Wirkung.

Der so genann­te „Drit­te-Per­son-Effekt“ besagt, dass die meis­ten Men­schen glau­ben, Wer­bung wir­ke nur bei ande­ren, nicht aber bei ihnen selbst. Dem ist jedoch nicht so: Selbst bei­läu­fig und unbe­wusst wahr­ge­nom­me­ne Infor­ma­tio­nen hin­ter­las­sen Gedächt­nis­spu­ren, die dann die Zugäng­lich­keit zu den betref­fen­den Infor­ma­tio­nen im Gedächt­nis (eben­falls unbe­wusst) erhö­hen. Bei­na­he die gesam­te Fern­seh­wer­bung zielt nur noch auf unbe­wuss­te Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung ab: Ziel ist, dass die Kon­su­men­ten sich für das Pro­dukt ent­schei­den, des­sen Gedächt­nis­spu­ren am leich­tes­ten abruf­bar sind. So wäh­len Kon­su­men­ten dann aus 30 aus­tausch­ba­ren Pro­duk­ten im Dro­ge­rie­markt das­je­ni­ge aus, das mit den meis­ten bzw. posi­tivs­ten Gedächt­nis­spu­ren besetzt ist.

Kapa­zi­tät des Kurzzeitgedächtnisses

Die mensch­li­che Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung ver­läuft nach einem fest­ge­leg­ten Muster:

  1. Wahr­neh­mung
  2. Aus­wahl rele­van­ter Infor­ma­tio­nen zur Wei­ter­ver­ar­bei­tung durch akti­vier­te Sche­ma­ta aus dem Vorwissen
  3. Wei­ter­lei­tung der sen­so­ri­schen Infor­ma­tio­nen ins Ultra­kurz­zeit­ge­sächt­nis (Ver­bleib der Infor­ma­tio­nen: eini­ge Millisekunden)
  4. Wei­ter­lei­tung ins Kurz­zeit­ge­dächt­nis (Ver­bleib der Infor­ma­tio­nen: eini­ge Sekunden)
  5. Über­tra­gung ins Lang­zeit­ge­dächt­nis durch Ver­ar­bei­tung bzw. mehr­fa­che Wiederholung

Das Kurz­zeit­ge­dächt­nis hat eine begrenz­te Kapa­zi­tät: Ledig­lich 7 +/- 2 Aspek­te kön­nen von Kurz­zeit­ge­dächt­nis simul­tan erfasst bzw. ver­ar­bei­tet wer­den. Es ist daher rat­sam, ledig­lich fünf bis sie­ben Aspek­te auf eine Folie zu brin­gen (bspw. Bild, Über­schrift, drei Punkte).

Die Ver­lo­ckung der Bühne

Die „Büh­nen­si­tua­ti­on“ des Redens oder Prä­sen­tie­rens birgt – neben der Her­aus­for­de­rung – auch eini­ge Gefah­ren. Man­che Men­schen las­sen sich von der Mög­lich­keit ver­füh­ren, im Ram­pen­licht zu ste­hen. Wink­ler & Com­mi­ch­au (2005) nen­nen dies die „Nar­ziss­mus-Fal­le“. Im Grun­de geht es dar­um, dass es in man­chen Per­sön­lich­kei­ten Wesens­zü­ge gibt, die dazu prä­de­sti­nie­ren, dem Publi­kum gefal­len zu wol­len und die Rede die­sem Bedürf­nis unterzuordnen.

Nar­ziss­ten geht es in ers­ter Linie um ihren Selbst­wert. Grund­sätz­lich geht es jedem Men­schen dar­um, aber Nar­ziss­ten sind davon in beson­de­rer Wei­se betrof­fen, denn sie kön­nen Bestä­ti­gung nur in unzu­rei­chen­der Wei­se spei­chern. Kurz gesagt: Nar­ziss­ten brau­chen stän­dig Bestä­ti­gung, kön­nen in gewis­ser Wei­se uner­sätt­lich sein. Ihre Gefüh­le schwan­ken zwi­schen Groß­ar­tig­keit und Wert­lo­sig­keit, und sie reagie­ren beson­ders schnell gekränkt. Eine Büh­ne hat „nar­ziss­ti­sche Ver­füh­rungs­qua­li­tä­ten“ (Com­mi­ch­au & Wink­ler, 2005, S. 14). Büh­nen kön­nen auch in weni­ger nar­ziss­ti­schen Men­schen das ent­spre­chen­de Poten­zi­al wecken, ins­be­son­de­re „wenn das Publi­kum groß und (hier­ar­chisch oder gesell­schaft­lich) ‘bedeu­tend’ ist“ (ebd.).

Einem nar­ziss­ti­schen Red­ner geht es vor allem dar­um, gut dazu­ste­hen, Lob zu erhal­ten, und in Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen der Bes­te zu sein. Ent­spre­chen­de Ver­hal­tens­wei­sen: Charme, Bril­lanz, per­fek­te Rhe­to­rik, guter & trick­rei­cher Umgang mit Fra­gen und Ein­wän­den, Beherr­schung moderns­ter Vor­trags­me­di­en, kaum Angriffs­flä­chen, gepfleg­tes Äuße­res, „sein“ Publi­kum mit Heils­ver­spre­chen begeis­tern: Wer­det wie ich!

Der Ein­satz eines nar­ziss­tisch moti­vier­ten Red­ners ist extrem hoch, aber er wird nie­mals wirk­lich zufrie­den sein kön­nen: Erreicht er sein Ziel, hat er nichts davon, es nährt sei­nen Hun­ger nicht. Die „nar­ziss­ti­sche Spi­ra­le“: Einer­seits wächst die Anstren­gung, noch bes­ser zu sein, ande­rer­seits wächst aber auch die inne­re Aus­höh­lung. „Man fühlt sich, wenn die psy­chi­sche Abwehr nicht abso­lut sta­bil ist, im Grund als Mogel­pa­ckung und muss noch mehr Ener­gie auf­wen­den, um das nach außen zu ver­ber­gen und inner­lich abzu­spal­ten.“ (Wink­ler & Com­mi­ch­au, 2005, S. 16)

Nar­ziss­ti­sche Red­ner schrei­ben ihren Zuhö­rern eine enor­me Macht zu: Im bes­ten Fal­le „bän­di­gen“ sie ihre Zuhö­rer, im schlimms­ten Fal­le wäh­nen sie sich in der Höh­le des Löwen. Poten­zi­el­le Quel­len für Ener­gie sind bspw. ech­te Begeis­te­rung für das The­ma oder tat­säch­li­ches Inter­es­se an den Zuhö­rern. Die­se Quel­len flie­ßen aber nicht für den Narz­siss­ten, da er alle Leich­tig­keit unter dem Druck des Per­fek­ti­ons­zwan­ges ver­liert. (Vgl. Wink­ler & Com­mi­ch­au, 2005, S. 16f.)

Die Zuhö­rer wer­den von einem nar­ziss­ti­schen Red­ner in gewis­ser Wei­se „miss­braucht“: Der Red­ner (Trai­ner, Refe­rent…) moti­viert sei­ne Zuhö­rer, doch es geht ihm mit sei­nem „Bezie­hungs­an­ge­bot“ nicht um sie, son­dern um sich. Es geht nicht um „Wie Du die Din­ge siehst (oder Wie Du Dich fühlst), ist in Ord­nung.“ oder um „Ich habe Fähig­kei­ten und Gren­zen, und die sind trans­pa­rent.“, son­dern es geht um die Meh­rung des Ruhms, der Macht und des Selbst­wert­ge­fühls des Red­ners. Wider­stand wird von sol­chen Red­nern als unge­hö­rig emp­fun­den. Beson­ders dras­ti­sche Bei­spie­le geben jene Trai­ner ab, die (teil­wei­se ganz offen) der Mei­nung sind, „man müs­se Teil­neh­mer erst ganz klein machen, regel­recht zer­stö­ren, um sie dann neu auf­bau­en zu kön­nen“ (Wink­ler & Com­mi­ch­au, 2005, S. 16f.).

Alle Red­ner, Trai­ner usw. wer­den immer wie­der von ihren Zuhö­rern getes­tet. Das ist nor­mal. Aber geht es dem Refe­ren­ten dann aus­schließ­lich um den Wider­stand oder darf der Zuhö­rer so sein, wie er ist? Des Pudels Kern ist also die inne­re Aus­rich­tung des Red­ners – er braucht wirk­li­ches Inter­es­se am The­ma und an den Zuhö­rern sowie genü­gend Selbst­wert­ge­fühl auch ohne per­ma­nen­ten Erfolg.

Vie­le Men­schen, die ger­ne reden, haben etwas von der hier dis­ku­tier­ten „Büh­nen-Men­ta­li­tät“. Ganz so schlimm, wie Wink­ler & Com­mi­ch­au (2005) es dar­stel­len, ist es nicht. Am Ende geht es ganz ein­fach um Anstand und Cha­rak­ter bzw. um die Fra­ge, war­um jemand ger­ne redet – geht es ihm um die Sache oder nur um sich selbst? Oder ist es irgend­et­was dazwischen?

Lite­ra­tur

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Von Jörg Heidig

Jörg Heidig, Jahrgang 1974, nach Abitur und Berufsausbildung in der Arbeit mit Flüchtlingen zunächst in Deutschland und anschließend für mehrere Jahre in Bosnien-Herzegowina tätig, danach Studium der Kommunikationspsychologie, anschließend Projektleiter bei der Internationalen Bauausstellung in Großräschen, seither als beratender Organisationspsychologe, Coach und Supervisor für pädagogische Einrichtungen, soziale Organisationen, Behörden und mittelständische Unternehmen tätig. 2010 Gründung des Beraternetzwerkes Prozesspsychologen. Lehraufträge an der Hochschule der Sächsischen Polizei, der Dresden International University, der TU Dresden sowie der Hochschule Zittau/Görlitz.