Deeskalation

Über gute Kom­mu­ni­ka­ti­on kann man nicht reden, gute Kom­mu­ni­ka­ti­on muss man machen. Wie geht das?

Über Kom­mu­ni­ka­ti­on wer­den vie­le Wor­te gemacht. Aber anstatt über gelin­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on zu reden, soll­te man lie­ber ganz prak­tisch dafür sor­gen, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on gelingt. Klingt sim­pel, ist es aber nicht. Wenn es so ein­fach wäre, wie man­che Bücher über Kom­mu­ni­ka­ti­on uns weis­ma­chen wol­len, nach dem Mot­to: Hal­te die­se Regel ein oder jene, und sprich bit­te genau so und so und nicht anders, dann könn­te es jede und jeder. Kann sie aber nicht. Und er auch nicht.

Die­ser Text ist kei­ne Beleh­rung über Kom­mu­ni­ka­ti­ons­re­geln (und schon gar kei­ne Vor­le­sung über poli­tisch kor­rek­tes Spre­chen; die poli­ti­sche Kor­rekt­heit und der Ver­fas­ser die­ses Tex­tes woh­nen nicht im glei­chen Zim­mer). Die­ser Text will viel­mehr die Fra­ge beant­wor­ten, wie wir Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­ble­me prak­tisch lösen, anstatt über Regeln oder Model­le zu diskutieren.

Das Kern­pro­blem wird bereits anhand eines ein­fa­chen Bei­spiels deut­lich: Was tun Sie, wenn Sie kri­ti­siert werden?

In der Regel recht­fer­tigt man sich oder äußert Gegen­kri­tik. Oder? Bild­haft dar­ge­stellt sieht das so aus:

Die Kri­tik kommt, und man geht, was die „sozia­le Flug­hö­he“ betrifft, eine Eta­ge nach unten — man recht­fer­tigt sich, man jam­mert viel­leicht sogar ein biß­chen. Wenn man jam­mert, signa­li­siert das dem Gegen­über: „Nicht wei­ter­ma­chen, die Per­son ist ja schon ver­letzt, tritt jetzt nicht noch nach…“ Wenn man sich recht­fer­tigt, hat man viel­leicht nichts davon gewusst, oder man wur­de zum Opfer von ande­ren usw. Ziel ist immer die eige­ne Ent­las­tung. Und die Gren­zen zwi­schen „tat­säch­li­cher Betrof­fen­heit“ und „Mani­pu­la­ti­on“ sind flie­ßend. Eine Recht­fer­ti­gung unter Trä­nen, die schluch­zend und lei­se, aber den­noch bestimmt, die Schuld jeman­dem ande­ren zuschreibt, ist mit­un­ter nicht nur eine sach­li­che Recht­fer­ti­gung, son­dern viel­leicht auch eine Mani­pu­la­ti­on. Je sub­ti­ler und natür­li­cher die Tech­nik daher­kommt, des­to effek­ti­ver ist sie. Ob ich etwas glau­be oder nicht, ist weni­ger davon abhän­gig, wie wahr es ist, als viel­mehr wie wahr es daher­kommt, wie sehr ich es glau­ben möch­te, und — wenn ich vom The­ma wenig oder kei­ne Ahnung habe — wie oft es gesagt wird. Wenn eine Recht­fer­ti­gung mit ent­spre­chen­der Emo­tio­na­li­tät „gar­niert“ wird, ist sie mani­pu­la­tiv. Wenn die Emo­tio­nen hin­ge­gen echt sind, tue ich dem Gegen­über Unrecht, wenn ich eine Mani­pu­la­ti­on vermute.

Die­se Unter­schei­dung zu tref­fen, ist sehr schwer. Man­che Bücher han­deln von der Fra­ge, ob man Lügen erken­nen kann. Machen wir doch ein­mal eine Übung: Sie stel­len mir zehn Fra­gen. Ich ant­wor­te. Sie schät­zen ein, ob ich gelo­gen habe oder nicht. Hier fin­den Sie einen Arti­kel zu der Fra­ge, ob und wie man Lügen erken­nen kann.

Aber es gibt noch eine ande­re Stra­te­gie, denn man­che wür­den wohl eher nicht auf die Idee kom­men, sich zu recht­fer­ti­gen. Sie wäh­len den ande­ren Weg — und grei­fen an bzw. äußern ihrer­seits Kri­tik. Auch die­se Hand­lungs­op­ti­on dient zunächst dem Selbst­schutz, nach dem Mot­to: Ich fra­ge mich gar nicht erst, ob an der Kri­tik etwas dran sein könn­te, son­dern ich grei­fe gleich mal an, damit das Gegen­über sieht, dass man hier nicht ein­fach daher­kom­men und sagen kann, was man will. Was man viel­leicht denkt: „Da ist schon was dran, aber das las­se ich mich nicht anmer­ken. Zuge­ben kann dies oder das spä­ter immer noch. Jetzt geht es erst­mal dar­um zu zei­gen, dass man es hier mit einem eben­bür­ti­gen Geg­ner zu tun hat.“

Bei­de Wege — die Recht­fer­ti­gung und der Gegen­an­griff — sind „defen­si­ve“, also letzt­lich die eige­ne sozia­le Rol­le oder auch die eige­ne sozia­le „Flug­hö­he“ ver­tei­di­gen­de Stra­te­gien. Von Selbst­re­fle­xi­on zunächst kei­ne Spur. Man lernt ja nur etwas, wenn etwas schief gegan­gen ist oder zum ers­ten Mal gelingt — aber all­zu häu­fig schüt­zen wir uns selbst davor zu ler­nen. Wir bestehen vor allem aus Erin­ne­run­gen und Gewohn­hei­ten — die Annah­me eines irgend­wie wun­der­schö­nen und höchst indi­vi­du­el­len Selbst ist mehr Folk­lo­re als Rea­li­tät; wer sich selbst sucht, fin­det nichts, könn­te man den Mil­lio­nen von mehr oder min­der extro­ver­tier­ten Selbst­su­cher*innen in den sozia­len Netz­wer­ken zuru­fen. Aber das hören sie ohne­hin nicht. 😉

Die Vor­aus­set­zung für Refle­xi­on und Ler­nen ist die Fähig­keit zu ertra­gen, dass man falsch lie­gen könn­te, also gleich­sam selbst schon anzu­neh­men, dass man falsch lie­gen könn­te. Man könn­te sich also bei­spiels­wei­se fra­gen, wie man anders über eine Situa­ti­on den­ken könn­te. Damit wür­de man die Auto­bahn der emo­tio­na­len Reak­ti­on verlassen.

Die Auto­bahn der emo­tio­na­len Reak­ti­on… Was ist damit gemeint?

Wir sind Säu­ge­tie­re. Wir reagie­ren auf kör­per­sprach­li­che Rei­ze viel unmit­tel­ba­rer und schnel­ler, als auf Wor­te. Wir sind schon bspw. ängst­lich oder wütend, bevor wir es mer­ken. Unse­re Fähig­keit zu den­ken und uns etwas vor­zu­stel­len, hängt an der Spra­che. Die Fähig­keit zur Spra­che ist im Zuge der Ent­ste­hung der Homi­ni­den zuletzt ent­stan­den. Vor­her war: Reiz > Emo­ti­on > Reak­ti­on. Die Emo­ti­on ist qua­si eine reak­ti­ons­lei­ten­de Situa­ti­ons­be­wer­tung. Jetzt ist: Reiz — Emo­ti­on — Reak­ti­on (in den meis­ten Fäl­len) oder: Reiz — Emo­ti­on — Gedan­ke — Reak­ti­on (in weni­gen Fäl­len). Aber wenn es zu einem Gedan­ken kommt, dann braucht es eben auch die Fähig­keit, sich von den eige­nen Emo­tio­nen soweit zu ent­set­zen, dass ihnen nicht gleich eine Reak­ti­on folgt, son­dern ein Gedan­ke fol­gen KANN, was ein­schließt, dass man sich eben auch vor­stel­len kön­nen muss, dass man falsch gele­gen haben könnte.

Sehen Sie das Mus­ter? Recht­fer­ti­gung und Gegen­kri­tik sind mehr oder min­der emo­ti­ons­ge­lei­te­te, auto­ma­ti­sche Reak­tio­nen, die in Zwei­fels­fall zu Frust (durch Recht­fer­ti­gung) oder zu Ärger und damit zum Gegen­an­griff (Gegen­kri­tik) und damit nicht näher an das Ziel füh­ren, wäh­rend der „drit­te Weg“ dafür sorgt, dass ich emo­tio­nal weni­ger betrof­fen bin und damit hand­lungs­fä­hig blei­be (mir also etwas ein­fal­len las­sen kann) — was eini­ges an Anstren­gung erfor­dert, aber hilf­reich ist.

Auf jenem „drit­ten Weg“ stel­le ich mir Fra­gen wie:

  • Wie könn­te ich anders über die Situa­ti­on denken?
  • Was will die ande­re Sei­te wirklich?
  • Was weiß ich noch nicht?
  • Wel­che Optio­nen habe ich?

Anstatt mir Fra­gen zu stel­len wie:

  • War­um sind die so dumm?
  • Was muss ich anders machen, damit ich die über­zeu­gen kann?
  • War­um bin ich so blöd, mich eigent­lich dar­auf einzulassen?

Der drit­te Weg führt weg von der (emo­tio­na­len) Bewer­tung hin zu einer Hal­tung, die immer wie­der zu neu­en Fra­gen führt: Wie kann ich anders den­ken? Wel­che Annah­men tref­fe ich ggf. nicht? Was weiß ich ggf. nicht? Was denkt eigent­lich mein Gegen­über? Wie kann ich anders han­deln? Wel­che Optio­nen habe ich? Ich blei­be also im Gespräch, und mei­ne Hal­tung sorgt dafür, dass ich das Gespräch füh­re und nicht nur reagie­re. Die nach­fol­gend abge­bil­de­te „Land­kar­te der Wahl­mög­lich­kei­ten“ von Mari­lee Adams illus­triert die­sen Zusam­men­hang (Zeich­nung: Julia­ne Wed­lich).


Quel­le für den Inhalt der Abbil­dung: Adams, M. G. (2009): Chan­ge your ques­ti­ons, chan­ge your life. San Fran­cis­co: Ber­rett-Koeh­ler Publishers; Abbil­dung: Julia­ne Wedlich

Über­zeu­gung und Manipulation

Ich kann mich natür­lich auch fra­gen, wie ich mein Gegen­über mög­lichst so beein­flus­sen kann, damit mein Gegen­über tut, was ich möch­te. Dann ver­las­se ich den Bereich der authen­ti­schen Gesprächs­füh­rung und betre­te den Bereich des mehr oder min­der rei­nen Wir­kungs­in­ter­es­ses. Dann kommt es sehr auf die Rei­hen­fol­ge des­sen an, was ich sage oder fra­ge. Schau­en wir uns zunächst ein — zuge­spitz­tes, über­trie­be­nes, ins Gegen­teil ver­kehr­tes, ganz und gar nicht zum Nach­ah­men geeig­ne­tes — Bei­spiel an:

Wie mani­pu­lie­re ich mein Kind so, dass es den ande­ren Part infra­ge stellt und sich auf mei­ne Sei­te schlägt?

Ange­nom­men, Sie haben ein Kind und sind vom ande­ren Eltern­teil getrennt. Und ange­nom­men, Sie möch­ten Ihr Kind auf Ihre Sei­te zie­hen. Idea­ler­wei­se kommt es nicht dazu, weil das Kind ja Bin­dung zu bei­den Eltern hat und auch bei­de Eltern braucht. Wenn ich den ande­ren Eltern­teil kri­ti­sie­re, haue ich auch immer das „hal­be Kind“ in die sprich­wört­li­che Pfan­ne, denn das Kind besteht nun ein­mal aus Eigen­schaf­ten und Impul­sen bei­der Eltern, und ein Kind ver­dient — ins­be­son­de­re, wenn es klein ist —, dass sich die elter­li­chen Zwis­tig­kei­ten ganz und gar nicht an ihm „abreg­nen“, son­dern es bedarf der Unter­stüt­zung, Lie­be und Struk­tur von bei­den Sei­ten. Aber ange­nom­men, der oder die Ex ist in mei­nen Augen der reins­te „Sarg­na­gel“, und ich möch­te dies mög­lichst effek­tiv auch dem Kind ver­mit­teln. Das Rezept ist folgendes:

  • Ich stel­le dem Kind Fra­gen, wie es beim ande­ren Eltern­teil war.
  • Ich höre zu, bin empa­thisch, stel­le wei­te­re Fragen.
  • Wenn das Kind anfängt, kri­ti­sche Din­ge zu äußern, ggf. sogar frus­trie­ren­de Erleb­nis­se zu schil­dern oder gar von Angst zu reden, bestär­ke ich das Kind. „Wür­de mir genau­so gehen.“ oder: „Du hast Recht. Das geht gar nicht.“ Um schließ­lich zu sagen: „Siehst Du, da weißt Du mal, wie es mir gegan­gen ist. Genau­so ist die Mama. Mich hat sie auch gehau­en, zum Bei­spiel auch, wenn ich Dich in Schutz genom­men habe.“ Viel­leicht hat die betref­fen­de Mut­ter ihren Ex-Part­ner nie geschla­gen, oder viel­leicht wird man die Wahr­heit nie erfah­ren. Aber ich bin immer noch erwach­sen und habe mich mei­nem Kind gegen­über nicht zu ver­hal­ten, als ob ich selbst ein Kind wäre. Das ist aber der Kern einer sehr wir­kungs­vol­len Mani­pu­la­ti­on: Ich stel­le mich als Opfer dar und wei­se deut­lich dar­auf hin, wer der oder die Schul­di­ge ist.

Wie mani­pu­lie­re ich mein Gegen­über so, dass es mir ver­traut und vie­les von dem, was ich sage, glaubt?

Das Bei­spiel der Mani­pu­la­ti­on von Kin­dern mag dras­tisch sein, zeigt aber das Grund­mus­ter der Mani­pu­la­ti­on. Gegen Inter­es­se kön­nen sich Men­schen schlecht weh­ren. Ech­tes, ehr­lich gemein­tes Inter­es­se öff­net Türen. Wenn ich mei­nem Gegen­über ech­tes Inter­es­se (oder im Fall von Mani­pu­la­ti­on: gefühlt ech­tes Inter­es­se) ent­ge­gen­brin­ge, öff­net sich der Mensch in der Regel. Damit macht sich das Gegen­über auch ver­letz­lich. Ich erfah­re, die rich­ti­gen Fra­gen vor­aus­ge­setzt, etwas über die Moti­ve, die Emo­tio­nen und die Bedürf­nis­se mei­nes Gegen­übers. Dann bestä­ti­ge ich, was ich höre. Ich berich­te von eige­nen Erleb­nis­sen, von Situa­tio­nen, in denen ich ähn­lich reagiert habe, oder ich gebe schlicht zu ver­ste­hen, dass es mir genau­so gehen wür­de. Dadurch öff­net sich das Gegen­über noch wei­ter und beginnt, mir zu ver­trau­en. Ich las­se eini­ge Zeit ver­ge­hen (je nach Anlass und Situa­ti­on Minu­ten bis Wochen). Ich blei­be wei­ter inter­es­siert. Inter­es­se zeigt sich vor allem durch tat­säch­lich inter­es­sier­te Fra­gen. Alle W‑Fragen eig­nen sich hier — außer Warum/Wieso/Weshalb.

Zu früh nach dem War­um zu fra­gen, kann beim Gegen­über Recht­fer­ti­gung und damit einen Rück­zug aus­lö­sen. Ist bereits Ver­trau­en da und eine belast­ba­re Bezie­hung auf­ge­baut, kann ich auch kon­fron­tie­ren oder War­um-Fra­gen stel­len. Ist noch kein Ver­trau­en da, führt eine War­um-Fra­ge eher zur Irri­ta­ti­on oder gar zum Abbruch der im Auf­bau befind­li­chen Beziehung.

Wenn ich Ver­trau­en auf­ge­baut habe, fol­gen eine Rei­he von Bestä­ti­gun­gen. Das gebil­de­te Ver­trau­en wird gefes­tigt. Aus dem anfäng­li­chen Zutrau­en wird lang­sam tat­säch­lich gefes­tig­tes — im mani­pu­la­ti­ven Fall: sich wenigs­tens für den Moment fest anfüh­len­des — Ver­trau­en. Ein Freund ist „gefühlt“ jemand, der einen mag, obwohl er einen kennt. Jeder Mensch macht Feh­ler, und eine tat­säch­lich gefühl­te Akzep­tanz für den „gan­zen“ Men­schen (= ein­schließ­lich der Feh­ler) ist sowohl die Grund­la­ge für tat­säch­li­ches Ver­trau­en als auch die Grund­la­ge für sehr wirk­sa­me Mani­pu­la­ti­on. Es kommt also auf die Absich­ten an — was in einem Ver­triebs­ge­spräch legi­tim sein mag, ist in ande­ren Kon­tex­ten viel­leicht weni­ger erwünscht, aber des­halb nicht weni­ger wirksam.

Hin­zu kom­men ver­schie­de­ne Effek­te, die sich aus den Eigen­hei­ten der mensch­li­chen Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung erge­ben — zwei Beispiele:

  • Häu­fig­keit: Wenn mein Gegen­über wenig oder kei­ne Ahnung hat von dem, wor­über ich spre­che, sind Ein­fach­heit und Wie­der­ho­lung beson­ders wirk­sam. Ich sage, was ich zu sagen habe, in ein­fa­chen Haupt­sät­zen, und ich wie­der­ho­le die wich­ti­gen Aspek­te (Allein­stel­lungs­merk­ma­le oder Schluss­fol­ge­run­gen oder Hand­lungs­auf­for­de­run­gen) sehr oft. Man­geln­de Kom­pe­tenz wird qua­si durch Fre­quenz ersetzt — und mein Gehirn folgt der Fre­quenz bereit­wil­lig, eben weil die Fre­quenz die Kom­pe­tenz­lü­cke füllt. Des­halb ist poli­ti­sche Pro­pa­gan­da, wenn sie nur häu­fig genug dar­ge­bracht wird, bei Men­schen mit nied­ri­ger poli­ti­scher Beur­tei­lungs­kom­pe­tenz umso wirksamer.
  • Rei­hen­fol­ge: Etwa so wie das Drei­eck in der Geo­me­trie die sta­bils­te Figur dar­stellt, hat eine Abfol­ge von drei Argu­men­ten eine star­ke Wir­kung, und zwar in die­ser Rei­hen­fol­ge: das stärks­te Argu­ment zuerst, das schwächs­te in der Mit­te und das zweit­stärks­te am Ende. Men­schen nei­gen dazu, sich am bes­ten an das zu erin­nern, was am Anfang oder am Ende einer Ereig­nis­ket­te statt­ge­fun­den hat. Sie kön­nen das an einem ein­fa­chen Bei­spiel nach­voll­zie­hen: Erin­nern Sie sich an einen beein­dru­cken­den Urlaub: Die ers­ten Tage und man­che Erleb­nis­se oder Bil­der aus den letz­ten Tagen soll­ten am bes­ten „sit­zen“. Fest steht: Das stärks­te Argu­ment soll­te an ers­ter Stel­le ste­hen, damit es die ggf. vor­han­de­ne Wand durchbricht.

Wir haben bis jetzt drei Über­zeu­gungs­tech­ni­ken behan­delt: (1) Ver­trau­ens­auf­bau durch Inter­es­se, (2) Häu­fig­keit und (3) Rei­hen­fol­ge der Argu­men­te. Nun geht es um die wahr­schein­lich wirk­sams­te Mani­pu­la­ti­ons­tech­nik, näm­lich die Fra­ge, wie ich Sym­pa­thie erzeuge.

Sym­pa­thie

Bei der Sym­pa­thie han­delt es sich auf den ers­ten Blick um eine voll­kom­men intui­ti­ve Sache: jemand ist mir sym­pa­thisch oder nicht, und ent­schei­den hat mein Gehirn die­se Fra­ge in gefühlt 0,3 Sekun­den. Oder?

Aber so, wie wir uns selbst ganz ein­zig und indi­vi­du­ell vor­kom­men und es bei der Betrach­tung gro­ßer Grup­pen gar nicht sind (son­dern uns dann doch nur anhand eini­ger weni­ger Merk­ma­le unter­schei­den und zu Grup­pen zusam­men­fas­sen las­sen), ist es auch mit der Sym­pa­thie: Was uns als ganz indi­vi­du­el­le und ein­zig­ar­ti­ge Sym­pa­thie — oder im Extrem­fall: „See­len­ver­wandt­schaft“ — vor­kom­men mag, basiert im Grun­de auf Ähnlichkeit.

Am Bei­spiel der Sym­pa­thie wird die Gren­ze zur Mani­pu­la­ti­on sehr deutlich.

Jemand ist mir sym­pa­thisch, wenn sie oder er zum Bei­spiel ähn­lich alt ist und ähn­li­che Erfah­run­gen gemacht hat wie ich. Oder das Gegen­über ist ähn­lich alt und klei­det sich ähn­lich wie ich. Oder ich bin irgend­wo sehr weit weg im Urlaub und tref­fe jeman­den aus Deutsch­land — daheim wür­den wir uns viel­leicht „nicht ein­mal mit dem Hin­tern angu­cken“, wie man sagt; in der Frem­de erschei­nen wir uns aber ähn­lich. Ähn­lich­kei­ten in der Klei­dung oder der Sprech­wei­se, bei Erfah­run­gen, im Alter, oder etwa frü­her ein­mal den glei­chen Arbeit­ge­ber gehabt zu haben oder unter die sel­be kol­lek­ti­ve Dis­kri­mi­nie­rung gefal­len zu sein — sol­che Din­ge kön­nen sym­pa­thisch machen.

Nun stel­len Sie sich ein­mal vor, dass jemand das weiß — und anwen­det. Die Per­son klei­det sich viel­leicht ähn­lich, ver­wen­det ähn­li­che Sprech­wei­sen (Rede­wen­dun­gen, Dia­lekt, Aus­drucks­wei­sen usw.), zeigt Inter­es­se, stellt Fra­gen, berich­tet von ähn­li­chen Erleb­nis­sen, macht Kom­pli­men­te, sieht alles posi­tiv — und meint sogar, die Begeg­nung sei ein­zig­ar­tig. Wel­co­me to the world of love bom­bing. Wel­co­me to the world of effec­ti­ve mani­pu­la­ti­on. Ähn­li­che Klei­dung kann Zufall sein. Ähn­li­che Sprech­wei­se kann Zufall sein. Ähn­li­che Klei­dung UND ähn­li­che Sprech­wei­se kön­nen Zufall sein. Aber wenn ein wei­te­rer Ähn­lich­keits­fak­tor hin­zu­kommt oder behaup­tet wird, haben wir es ggf. mit der Gren­ze zur Mani­pu­la­ti­on zu tun.

Was machen Psy­cho­lo­gen, wenn sie Gesprä­che füh­ren? Sie stel­len Fra­gen. Sie fas­sen das Gehör­te zusam­men und for­mu­lie­ren mit eige­nen Wor­ten, was sie ver­stan­den haben. Sie visua­li­sie­ren viel­leicht noch irgend­et­was. Sie hal­ten Blick­kon­takt. Sie bestä­ti­gen, sie haben eine inter­es­sier­te und zustim­men­de Kör­per­hal­tung, sie nicken.

Jetzt rech­nen wir alles zusammen:

  • ähn­li­che Kleidung
  • Imi­ta­ti­on der Sprechweise
  • Inter­es­se
  • Blick­kon­takt
  • Zustim­mung
  • Wie­der­ho­lung des­sen, was gesagt wur­de, mit eige­nen Worten

Klingt das irgend­wie nach einem Wirk­sam­keits­re­zept? Jetzt stel­len Sie sich noch vor, dass zu all die­sen Fak­to­ren noch eine ähn­li­che Kör­per­spra­che kommt. Haben Sie ein­mal beob­ach­tet, wie sich zwei Men­schen ver­lie­ben? Oder erin­nern Sie sich? Vier Pha­sen: Blick­kon­takt — Lächeln — (schein­bar) zufäl­li­ge Berüh­run­gen — Gleich­klang der Ges­ten. Das kann über Stun­den oder Tage oder Wochen gehen, der Pro­zess ist zeit­un­ab­hän­gig, aber die Pha­sen fol­gen auf­ein­an­der. Am Ende ähnelt sich die Kör­per­spra­che stark. Haben Sie das viel­leicht auch ein­mal bei einer Psy­cho­lo­gin oder einem Ver­trieb­ler beob­ach­tet? Immer im Fokus des Blicks, immer inter­es­siert, immer Fra­gen stel­lend — UND IMMER: die Kör­per­spra­che imitierend.

All das kann natür­lich auch ohne Mani­pu­la­ti­ons­in­ter­es­se ein­ge­setzt wer­den. Dann wäre es ggf. ein­fach nur hilf­reich. Aber wenn es als Mani­pu­la­ti­ons­stra­te­gie ein­ge­setzt wird, und wenn es gekonnt gemacht wird, dann ist Gegen­wehr unwahrscheinlich.

Eine Test­fra­ge könn­te lau­ten: Sind Sie viel­leicht ein­mal einem wasch­ech­ten Nar­ziss­ten auf den Leim gegan­gen? Erin­nern Sie sich viel­leicht dar­an, wie „selbst­ver­ständ­lich“ das alles gesche­hen ist und wie Sie eben nichts gemerkt haben? … Bei einem Groß­teil der Wer­bung geht es übri­gens auch dar­um, im Ide­al­fall nichts zu merken. 😉

Für eine voll­stän­di­ge und aus­führ­li­che Dar­stel­lung die­ser und noch wei­te­rer Fak­to­ren lesen Sie ent­we­der Robert Cial­di­ni („Die Psy­cho­lo­gie des Über­zeu­gens“) oder Mat­thi­as Schran­ner („Ver­han­deln im Grenzbereich“).

Der zen­tra­le Wir­kungs­fak­tor der Dees­ka­la­ti­on: Körpersprache

Wenn wir die bis­he­ri­gen Erkennt­nis­se aus die­sem Text zusam­men­fas­sen, wis­sen wir zunächst, wie es zur Eska­la­ti­on kommt. Wir müs­sen nur „auto­ma­tisch“ reagie­ren, also uns selbst schüt­zen — durch ent­we­der Recht­fer­ti­gung oder Gegenkritik/Gegenangriff. Wenn wir uns recht­fer­ti­gen, wird das Gegen­über das ggf. als Ein­la­dung ver­ste­hen, nach­zu­le­gen oder sogar „nach­zu­tre­ten“. Wenn wir mit einem Gegen­an­griff reagie­ren, führt das wahr­schein­lich zu einer wei­te­ren Ver­stär­kung der Kri­tik — jenem Wech­sel­spiel aus Kri­tik und Gegen­kri­tik. „Ja, aber…“ lau­tet die Grund­for­mel sol­cher Dia­lo­ge, die in der Regel nur zu einer Wie­der­ho­lung der Argu­men­te mit stei­gen­der Fre­quenz und/oder Laut­stär­ke führen.

Zudem wis­sen wir, was wir tun müss­ten, um aus einer Eska­la­ti­ons­dy­na­mik „aus­zu­stei­gen“: Wir müss­ten uns selbst und unse­re eige­nen Belan­ge nicht so ernst neh­men und statt­des­sen eine Hal­tung des Inter­es­ses am Gegen­über ein­neh­men — und ent­spre­chen­de Fra­gen stel­len. Die Hal­tung (Inter­es­se) ist dabei wich­ti­ger als die Tech­nik (Fra­gen). In der Regel gilt: Nur wenn die Hal­tung stimmt, gelingt auch die Kommunikationsabsicht.

Drit­tens wis­sen wir, wel­che Tech­ni­ken wir ver­wen­den kön­nen, um Wir­kungs­zie­le zu errei­chen. Wenn wir uns aber eini­gen wol­len, ist es nicht hilf­reich, stra­te­gisch (= wir­kungs­ori­en­tiert) zu kom­mu­ni­zie­ren — denn vor­ge­täusch­tes Inter­es­se oder vor­ge­täusch­te Authen­ti­zi­tät schla­gen ins Gegen­teil um, wenn bemerkt wird, dass das alles nur „Masche“ und nicht ehr­lich gemeint ist.

Das „eigent­li­che“ Wesen der Dees­ka­la­ti­on geht über das bis­her Bespro­che­ne hin­aus. In der direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on kommt es weni­ger dar­auf an, was man sagt, als viel­mehr dar­auf, wie man etwas sagt. Wir sind Säu­ge­tie­re; unse­re Fähig­keit zu spre­chen ist viel jün­ger als der Umstand, Emo­tio­nen zu haben. Wir haben Emo­tio­nen eher und phy­si­scher, als uns bewusst wird. Wir ärgern uns zum Bei­spiel und reagie­ren aus dem Ärger her­aus — die ent­spre­chen­de Kör­per­spra­che ein­ge­schlos­sen. Das Gegen­über reagiert mehr auf die Kör­per­spra­che als auf das, was wir sagen.

Was hilft hier?

Las­sen Sie die Arme am Kör­per. Nicht wild und schnell ges­ti­ku­lie­ren. Spre­chen Sie nicht schnel­ler oder lau­ter als gewohnt bzw. als im Nor­mal­fall. Legen Sie eine „Ver­ste­hens­pau­se“ ein — geben Sie Ihrem Gehirn also die Chan­ce zu bemer­ken, dass Sie unter Druck ste­hen — und fin­den Sie dann jene Abkür­zung auf jenen ande­ren Weg, auf dem man sich fragt, wie man anders den­ken könnte.

Indem Sie selbst ruhig blei­ben — oder wie­der ruhig wer­den — wir­ken Sie auch auf Ihr Gegen­über ein. Indem Sie selbst ruhi­ger wer­den, wird auch Ihr Gegen­über ruhi­ger. Indem Sie selbst Inter­es­se zei­gen, fühlt sich das Gegen­über ver­stan­den. Wenn sich Ihr Inter­es­se mit einer ent­spre­chend neu­tra­len oder ruhi­gen Kör­per­spra­che paart, wird auch das Gegen­über ruhi­ger, und die Eska­la­ti­on ebbt ab. Sie wol­len nichts und set­zen der Kri­tik des Gegen­übers nichts ent­ge­gen. Nicht dis­ku­tie­ren, son­dern Fra­gen stel­len. Das Gegen­über beant­wor­tet die Fra­gen. Sie nicken, zei­gen Ver­ständ­nis, stel­len wei­te­re Fra­gen. Viel­leicht „ver­bün­den“ Sie sich sogar mit dem Wider­stand. Aber in jedem Fall blei­ben Sie ruhig. Auch Ihr Gegen­über wird dann ruhiger.

Umgang mit Emotionen

Wenn es denn so ein­fach wäre, wer­den jetzt man­che Lese­rin­nen oder Leser den­ken — und sie haben Recht. Die „For­mel“ zu beschrei­ben, ist ein­fach. Bei der kon­kre­ten Umset­zung kommt es dar­auf an, wie man mit Emo­tio­nen umgeht — bzw. wie man mit Emo­tio­nen in poten­ti­ell belas­ten­den oder eska­lie­ren­den Situa­tio­nen umgeht. Hier kann man vier Typen von­ein­an­der unter­schei­den. In der Pra­xis han­delt es sich weni­ger um „rei­ne Typen“, als viel­mehr um „pro­to­ty­pi­sche Reak­ti­ons­mus­ter“, denen man mehr oder weni­ger ent­spre­chen kann, zudem gibt es ver­schie­de­ne Mischvarianten.

Der Rit­ter:
Der Rit­ter ver­sucht, belas­ten­de Ereig­nis­se nicht an sich her­an zu las­sen. Er legt sich eine Rüs­tung zu, trai­niert sich einen „Har­nisch“ an. Die meis­ten Ereig­nis­se pral­len an dem Har­nisch ab. Wenn aber im Lau­fe des Lebens pha­sen­wei­se die Belas­tun­gen zuneh­men, kann es sein, dass die Rüs­tung ros­tet. Oder das Erle­ben des Ereig­nis­ses ist so stark, dass es die Rüs­tung „durch­schlägt“. Dann trifft es den Rit­ter direkt, dann hat er kei­ne Abwehr mehr. Das äußert sich dann so, dass der Rit­ter nach einer belas­ten­den Situa­ti­on das Gegen­über abwer­tet. Er oder sie meckert dann über den Ein­satz, den Antrag, das Pro­blem o.ä. Und wird nicht fer­tig mit Meckern, im Gegen­teil: das Meckern kann in Schimp­fen über­ge­hen. Blei­ben die­se Men­schen unter Druck und ändert sich die Situa­ti­on nicht, wer­den sie zynisch.

Der die Din­ge mit nach Hau­se nimmt:
Vie­le Men­schen gehen nicht direkt mit den Din­gen um, die sie belas­ten. Sie ver­la­gern die Ver­ar­bei­tung — im häu­figs­ten Fall neh­men sie die Din­ge mit nach Hau­se und bespre­chen sie dort. In Semi­na­ren hört man oft, dass man die Din­ge nicht mit nach Hau­se neh­men soll; daten­schutz­recht­li­che Belan­ge spre­chen auch dage­gen. Aber neh­men wir das Bei­spiel einer Füh­rungs­kraft: Eine Füh­rungs­kraft kann das, was sie bewegt, schlecht mit ihren Mit­ar­bei­te­rin­nen oder Mit­ar­bei­tern bespre­chen. Füh­rungs­kräf­te sind oft buch­stäb­lich allein mit ihren Pro­ble­men. Also bespre­chen sie ihre Pro­ble­me im letz­ten und intims­ten Schutz­raum, den sie haben: in ihrer Bezie­hung oder Ehe. So lan­ge die Bezie­hung intakt ist, funk­tio­niert das auch. Pro­ble­me ent­ste­hen in der Regel dann, wenn zuhau­se etwas „kaputt“ ist. Dann reagie­ren die­se Men­schen mit Rück­zug. Sie ver­su­chen, die Kon­trol­le über die belas­ten­de Situa­ti­on wie­der­her­zu­stel­len, indem sie sich zurück­zie­hen, die Anzahl der Ein­flüs­se redu­zie­ren usw. In der Regel wird sol­ches Ver­hal­ten von Mit­ar­bei­ter­sei­te als irri­tie­rend erlebt.

Der Zuge­wand­te:
Die­ser Typ macht sich nor­ma­ler­wei­se kei­ne Sor­gen um sei­ne Emo­tio­nen — bis sie oder er sich Sor­gen machen muss. In der Regel ist die­ser Typ sehr empa­thisch — man ver­setzt sich in sein Gegen­über, man ver­sucht, hilf­reich zu sein, man fühlt mit. In belas­ten­den Situa­tio­nen merkt man aber, dass man die pro­fes­sio­nel­le Distanz ver­lo­ren und über die eige­nen Gren­zen hin­aus agiert hat. Dar­auf reagiert man, indem man die pro­fes­sio­nel­le Distanz wie­der­her­stellt. So ergibt sich ein eben­so ste­ti­ges wie lang­sa­mes Schwan­kungs­mus­ter zwi­schen Empa­thie und Distanz, mit dem die Betrof­fe­nen im Lau­fe ihres Berufs­le­bens nie wirk­lich fer­tig wer­den. Es han­delt sich sehr wohl um einen Lern­pro­zess — mit den Jah­ren wird man pro­fes­sio­nel­ler, erkennt man die Dyna­mik und sei­ne eige­nen Antei­le an einer jewei­li­gen Situa­ti­on eher — wirk­lich „weg­ge­hen“ wird die­ses Mus­ter aber kaum. Es gilt also, sich damit „anzu­freun­den“ und einen prak­ti­schen Umgang damit zu fin­den, der sich nicht zu stark an der Kli­en­ten­sei­te „abreg­net“.

Der Prag­ma­ti­ker:
Es gibt ein Mus­ter des Umgangs mit belas­ten­den Erleb­nis­sen, das tat­säch­lich wie ein Ide­al­typ aus­sieht. Die „Rit­ter“ ver­su­chen oft, genau so zu wir­ken, bekom­men es aber nicht hin und ver­lie­ren sich, wenn es sie trifft, in dem für sie typi­schen Geme­cker oder eben direkt in Abwer­tung. Ganz anders die Prag­ma­ti­ker, die sich sagen: „Naja, das ist jetzt ein Pro­blem, aber das habe ich mir ja aus­ge­sucht, als ich mich für die­sen Beruf ent­schie­den habe. Das gehört dazu. Also los. Augen zu und durch. Das wird schon. Das ist nicht die ers­te sol­che Situa­ti­on, und es wird nicht die letz­te sein.“ Die­se Ein­stel­lung hilft tat­säch­lich, ruhig zu blei­ben. Aber es scheint, als wäre die­se Ein­stel­lung eher eine Fra­ge der Per­sön­lich­keit oder eben einer „inne­ren Ent­schei­dung“ oder Hal­tung. Im Grun­de haben die­se Men­schen irgend­wann beschlos­sen, dass es eben so ist, wie es ist. Sie beschäf­ti­gen sich nur mit den Din­gen, die sie beein­flus­sen kön­nen. Alles ande­re neh­men sie hin. Der Rit­ter tut so, als wür­de er es hin­neh­men, und so lan­ge sei­ne Rüs­tung hält, tut er das auch, aber wenn der Schutz­me­cha­nis­mus kaputt ist, wirkt sich das direkt auf sei­ne Emo­ti­on aus, und er ist stän­dig damit beschäf­tigt, sich durch „Geme­cker“ oder „Abwer­tung“ wie­der ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen (was mit zuneh­men­dem Lebens­al­ter oft immer weniger/schlechter gelingt). Der gleich­mü­ti­ge Prag­ma­ti­ker hin­ge­gen hat sich irgend­wann im Leben gesagt: „Du kannst nur beein­flus­sen, was Du beein­flus­sen kannst. Idea­le hel­fen nichts. Sich auf­zu­re­gen, hilft auch nichts. Mach, was Du kannst, dort, wo Du bist, so gut es eben geht.

Ob und wie Dees­ka­la­ti­on gelingt, ist also nicht nur eine Fra­ge der Hal­tung und der Tech­nik, son­dern auch eine Fra­ge des (sehr per­sön­li­chen und wenig ver­än­der­ba­ren) Typs des Umgangs mit Eska­la­tio­nen und Belastungen.

Die soeben beschrie­be­nen Typen des emo­tio­na­len Umgangs mit belas­ten­den Ereig­nis­sen habe ich mir nicht aus­ge­dacht. Die Schil­de­rung der Typen basiert auf For­schungs­er­geb­nis­sen von Peg­gy Szy­men­der­ski, die den Umgang mit belas­ten­den Situa­tio­nen bei Poli­zis­ten unter­sucht hat. 

Aller­dings mei­ne ich, dass die dar­ge­stell­ten Mus­ter des Umgangs mit belas­ten­den Ereig­nis­sen nicht nur auf Poli­zis­ten zutref­fen, son­dern auch auf ande­re Ein­satz­kräf­te (Ret­tungs­dienst, Feu­er­wehr) und auch auf Ange­hö­ri­ge von Behör­den (bspw. Job­cen­ter, Jugend­äm­ter), wenn nicht auch auf Indus­trie­be­trie­be, die unter 24h-Bedin­gun­gen ope­rie­ren müs­sen, anwend­bar sind.

In der Hoff­nung, dass die­ser Text zum Ver­ständ­nis von Eska­la­ti­on und Dees­ka­la­ti­on bei­getra­gen und auf Ihr Pra­xis­wis­sen zum Umgang mit ent­spre­chen­den Situa­tio­nen ein­ge­zahlt hat, bleibt zu sagen: Soll­ten Sie eine Schu­lung oder ein Trai­ning zum The­ma Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che wün­schen oder Hand­lungs­be­darf bei der Bear­bei­tung von Kon­flik­ten in Teams oder zwi­schen Füh­rungs­kräf­ten sehen, zögern Sie nicht, uns anzu­ru­fen: 0174 68 55 023.

Jörg Hei­dig

PS: Spe­zi­el­le Infos zu Vor­ge­hens­wei­sen bei Pro­ble­men in Ein­satz­or­ga­ni­sa­tio­nen fin­den Sie in den Vide­os auf feuerwehrcoach.org

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.