Brauchen andere Zeiten auch andere Kommunikationstheorien?

Führt unser Wissen über Kommunikation tatsächlich noch zu einer „besseren Praxis“ oder zu „mehr Gelingen“?

Manch­mal fra­ge mich, ob unse­re Modell­vor­stel­lun­gen von Kom­mu­ni­ka­ti­on tat­säch­lich noch „ange­mes­sen“ oder „aus­rei­chend“ sind. Eine gute Theo­rie soll ja die Pra­xis erhel­len, sie soll beschrei­ben, erklä­ren — und sie soll Vor­her­sa­gen ermög­li­chen. Zum Bei­spiel soll sie begrün­de­te Unter­schei­dun­gen zwi­schen dem gelin­gen­den und dem nicht gelin­gen­den Fall lie­fern — und sie müss­te Aus­sa­gen dar­über ermög­li­chen, was man tun müss­te, damit etwas öfter gelingt als vorher.

Die­ser Bei­trag ist ein Ver­such, mich einer Ant­wort auf die Fra­ge nach der Eig­nung oder der Pas­sung unse­rer Modell­vor­stel­lun­gen von Kom­mu­ni­ka­ti­on anzu­nä­hern, und zwar vor dem Hin­ter­grund einer ganz bestimm­ten Beobachtung:

Wir kön­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on einer­seits zwar ganz gut beschrei­ben. Wir wis­sen, was wir tun kön­nen, damit Kom­mu­ni­ka­ti­on gelingt. Aber anstatt dass die­ses Wis­sen um das Gelin­gen tat­säch­lich zu mehr Gelin­gen bei­tra­gen wür­de, kommt häu­fig genau das Gegen­teil heraus.

Frei­lich kann man sich lan­ge strei­ten, ob dies tat­säch­lich der Fall ist.

Auf einer indi­vi­du­el­len Ebe­ne könn­te man zum Bei­spiel dar­über nach­den­ken, ob die Indi­vi­dua­li­sie­rung zu mehr Nar­ziss­mus geführt hat und heu­te immer mehr Men­schen ihre per­sön­li­chen Belan­ge über die Belan­ge des Gemein­sa­men stel­len und es in der Fol­ge zu mehr Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ab­brü­chen, Tren­nun­gen, Arbeits­platz­wech­seln usw. kommt.

Auf einer gesell­schaft­li­chen Ebe­ne könn­te man bei­spiels­wei­se über eine Zunah­me der Pola­ri­sie­rung poli­ti­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on oder über die stei­gen­de Zahl der Men­schen nach­den­ken, die sich von der Poli­tik ganz abwenden.

Aber anstatt hier erst ein­mal lan­ge Beweis­füh­run­gen anzu­tre­ten, ob an den genann­ten Ent­wick­lun­gen tat­säch­lich etwas dran sei, sei auf die ent­spre­chend ver­link­ten Tex­te ver­wie­sen und gefragt, wie Sie selbst die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen ein­schät­zen: Führt unser Wis­sen tat­säch­lich in hin­rei­chen­dem Umfang zum Gelingen?

Und wenn nicht — liegt es an unse­rem Wis­sen, also bspw. an den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­del­len? Oder liegt es eher, wie ich ver­mu­te, an den hin­ter unse­ren Theo­rien lie­gen­den Grund­an­nah­men oder an dem Bild, das wir uns von der Welt machen, bevor wir die Theo­rien anwenden?

Viel­leicht sind gar nicht die Modell­vor­stel­lun­gen selbst das Pro­blem, son­dern eher die Vor­zei­chen, unter denen wir die­se Model­le benut­zen. Oder den Model­len woh­nen gewis­se „Vor­zei­chen“ (Grund­an­nah­men) inne, die sie zuneh­mend weni­ger adäquat wer­den las­sen. Oder… Oder…

Die­ser Text lie­fert womög­lich mehr Fra­gen als Ant­wor­ten. Aber viel­leicht ist, so mei­ne Hoff­nung, allein die Nach­zeich­nung mei­nes Ver­suchs, mich einer Ant­wort auf die ein­gangs genann­te Fra­ge anzu­nä­hern, bereits inter­es­sant genug, als dass sich die Lek­tü­re lohnt.

Die „älteren“ Kommunikationsmodelle

Einem Groß­teil der aus unse­rer heu­ti­gen Sicht „älte­ren“ Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rien ist gemein, dass sie gar nicht so alt sind, son­dern erst nach dem zwei­ten Welt­krieg for­mu­liert wur­den und in der Regel mit dem spä­tes­tens seit den Sech­zi­gern popu­lä­ren „eman­zi­pa­to­ri­schen Impuls“ ein­her­ge­hen: Das Indi­vi­du­um hat sich qua­si vom Zwang befreit. Das Indi­vi­du­um wur­de aber auch immer mehr vom Zwang befreit, spä­tes­tens auch dadurch, dass die eman­zi­pa­to­ri­schen Vor­stel­lun­gen popu­lä­rer wur­den. Das Indi­vi­du­um konn­te sich bes­ser ent­fal­ten; vie­le der alten „Kor­set­te“ und Nor­men wur­den rela­ti­viert, auf­ge­weicht, spä­ter ganz weggespült.

Man hielt das für eine gute Sache. Spä­ter lehr­te man es auch.

Das war aber nur die ers­te Phase.

In die­ser Pha­se war es (noch) kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich, alles Mög­li­che zu hin­ter­fra­gen. In die­ser Pha­se war die Idee einer neu­en Erzie­hung (auf Augen­hö­he) tat­säch­lich revo­lu­tio­när. Man müs­se die Erzie­hung so ändern, damit Men­schen nie wie­der ein­fach so funk­tio­nier­ten wie die SS-Leu­te in den KZs der Nazi­zeit. Die Fol­ge waren vie­le Bil­dungs­re­for­men und eine tief grei­fen­de Ver­än­de­rung der Norm­vor­stel­lun­gen. Aber ein Gegen­ent­wurf zu gel­ten­den Norm­vor­stel­lun­gen ist eben nur so lan­ge ein Gegen­ent­wurf, wie es die (jeweils alten) Norm­vor­stel­lun­gen noch gibt.

Wer­den die neu­en Vor­stel­lun­gen lang­sam ihrer­seits zur Norm, wird man das zunächst nicht bemer­ken — man ist ja noch dabei, das Alte abzu­schaf­fen. Aber wenn sich die Abschaf­fung ver­ste­tigt, und der Grund zur Abschaf­fung lang­sam aus­stirbt, muss man das nicht zwin­gend bemer­ken, das Leben wird ja vor­wärts gelebt und rück­wärts ver­stan­den, und Gren­zen merkt man nur, wenn man dran oder drü­ber ist, aber das dau­ert, und so haben vie­le ihre Kin­der mit der Zeit nicht mehr nur „irgend­wie auf Augen­hö­he“ behan­delt, son­dern haben sich noch ihren Kin­dern unter­wor­fen — wie man es heu­te oft tut. Natür­lich tun das nicht alle, aber die Zahl der sich unter­wer­fen­den Eltern wächst, wäh­rend die Kin­der­zahl ins­ge­samt sinkt. Irgend­wann kommt es zu einer „Über­fei­ne­rung“ der Ansprü­che, aber das merkt man frei­lich nicht, wenn es pas­siert, son­dern erst hinterher. 😉

In der ers­ten Pha­se war man oft genug froh, dass es tole­ran­ter wur­de. Man kann­te ja noch jene ande­ren Zei­ten: Die „Frei­heit von“ war genug; man war froh, nicht mehr gegän­gelt, unter­drückt oder gar für irgend­et­was ver­haf­tet zu werden.

… Man hat noch nicht alle mög­li­chen Iden­ti­täts­op­tio­nen wie ein Demons­tra­ti­ons­schild vor sich her­ge­tra­gen, son­dern man war einst­wei­len froh, dass Ruhe war oder man eben end­lich machen konn­te, was man woll­te, ohne dafür denun­ziert, behel­ligt oder ein­ge­sperrt oder gar umge­bracht zu werden.

In die­ser Pha­se galt in etwa Fol­gen­des (und ja, manch­mal haben es die alten Nor­men, Auto­ri­tä­ten, Gewohn­hei­ten noch „blit­zen“ las­sen, es galt also nie ganz; die beschrie­be­nen Ent­wick­lun­gen und Über­gän­ge las­sen sich so erst in der Rück­schau beschrei­ben): Man äußert „Gel­tungs­an­sprü­che“, auf die ande­re dann reagie­ren; eine Äuße­rung hat immer einen Sach- und einen Bezie­hungs­aspekt; man sagt, wenn man etwas sagt, nicht nur etwas über die Din­ge, über die man etwas sagt, son­dern immer auch etwas über sich selbst; zudem liegt der Sinn des­sen, was man sagt, immer in der Reak­ti­on des Gegen­übers — und so weiter.

Man kann das natür­lich so ste­hen las­sen und die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen anhand der ent­spre­chen­den „Metat­rends“ plau­si­bel machen, „rah­men“ und so wei­ter: Die post­mo­der­ne Viel­falt äuße­re sich in der „Dekon­struk­ti­on“ des vor­her kol­lek­tiv Gel­ten­den, die Nor­men wür­den viel­fäl­ti­ger oder lös­ten sich auf; das „plu­ra­lis­ti­sche Gesell­schafts­ge­fühl“ rücke in den Vor­der­grund, wäh­rend sich das „kol­lek­ti­ve Wir“ (bspw. die Nati­on) lang­sam von der Büh­ne ver­ab­schie­de — wie­der­um und so weiter.

Auf den ers­ten Blick mag das — in den Augen der­je­ni­gen, die ihre eige­ne Per­spek­ti­ve jeweils für „pro­gres­siv“ hal­ten, alles irgend­wie zutref­fen. Die ent­spre­chen­den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rien basie­ren ent­spre­chend auf einer eben­so „indi­vi­dua­li­sier­ten“ wie „eman­zi­pa­to­ri­schen“ Grundannahme.

Aber hat sich hier nicht viel­leicht etwas verändert?

Aus Geltungsansprüchen werden Geltungsnormen

Wir haben m.E. längst eine neue Pha­se, eine neue Ent­wick­lungs­stu­fe erreicht, ohne dass die­ser Unter­schied in den Theo­rien hin­rei­chend the­ma­ti­siert wür­de. Unter der „Herr­schaft“ älte­rer Nor­men ging es um Tole­ranz. Dann ent­stand Tole­ranz — die natür­lich par­al­lel zu „Rest­be­stän­den“ älte­rer Nor­men exis­tier­te, aber spä­tes­tens ab den Acht­zi­gern im Wes­ten und ab den Neun­zi­gern im Osten Deutsch­lands auch real exis­tier­te und sich wei­ter­ent­wi­ckel­te: Aus der Tole­ranz wur­de lang­sam eine Norm­vor­stel­lung.

In der Stei­ge­rungs­va­ri­an­te der aktu­el­len Diver­si­täts­vor­stel­lun­gen schla­gen die indi­vi­du­el­len Belan­ge die gesell­schaft­li­che Norm — unab­hän­gig davon, ob Du bereits weißt, wer Du bist oder sein willst, erhal­ten Dei­ne indi­vi­du­el­len Seins­vor­stel­lun­gen qua­si von vorn­her­ein „gefühlt“ jedes Geltungsrecht.

Grob ver­kürzt sind wir von „über­kom­me­nen Auto­ri­täts­vor­stel­lun­gen“ über „Tole­ranz“ hin zu „neu­en Norm­vor­stel­lun­gen“ gekommen.

Unse­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rien stam­men fast alle noch aus der „Tole­ranz­pha­se“; in den Lehr­bü­chern, die ja in der Regel Hoch­schul­an­ge­hö­ri­ge mit eher pro­gres­si­ven Vor­stel­lun­gen schrei­ben, ist mitt­ler­wei­le aller­dings auch viel aus dem Bereich der „neu­en Norm­vor­stel­lun­gen“ zu lesen.

Aber pas­sen die­se Theo­rien (Inklu­si­on, Diver­si­tät, safe spaces usw.) denn wirk­lich zu dem, was drau­ßen gera­de los ist? Pas­sen sie zu den gegen­wär­ti­gen Ent­wick­lun­gen? Oder sind sie viel­leicht eher Aus­weis einer Norm­vor­stel­lung, die sich vom Boden der Tat­sa­chen ver­ab­schie­det hat?

Die Gegenreaktion

Ange­sichts der momen­tan zu beob­ach­ten­den gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen ist die­se Fra­ge zumin­dest zu stel­len — und zwar nicht so sehr, weil die den Theo­rien zugrun­de lie­gen­den Annah­men etwa gene­rell falsch sei­en oder so etwas, son­dern eher, weil die Anwen­dung der favo­ri­sier­ten Theo­rien die aktu­el­le Lage nicht mehr hin­rei­chend abbil­det, son­dern lang­sam, aber sicher unan­ge­mes­sen wird, also nur noch einen Teil der Lage (m.E. die von einem Teil der Gesell­schaft „erwünsch­te“ Inter­pre­ta­ti­on der Lage) erklä­ren kann.

Sicher habe ich eini­ges ver­kürzt dar­ge­stellt. Der den Theo­rien zwei­fel­los inne­woh­nen­de „pro­gres­si­ve Impuls“ sorgt in sei­ner „nor­ma­ti­ven“ (= oft genug beleh­ren­den) Anwen­dung ggf. dafür, dass die Theo­rien nicht mehr ange­mes­sen sind, sobald sich die Situa­ti­on — auch — in eine ande­re Rich­tung ent­wi­ckelt: Vie­le Men­schen wen­den sich ab, reagie­ren mit Wider­stand gegen Über­zeu­gungs­druck.

Nach dem Mot­to: „Soll doch jede und jeder machen, was sie oder er will, das tole­rie­re ich selbst­ver­ständ­lich, aber muss ich dar­über auch noch belehrt wer­den? Und war­um soll ich ler­nen, gleich­sam vor­beu­gend so zu kom­mu­ni­zie­ren, dass ich auch jene ein­schlie­ße, die ich noch nicht ein­mal ken­ne, geschwei­ge denn weiß, wor­aus sich ihre Iden­ti­tät ergibt? Ihr könnt gern mit bun­ten Fah­nen durch die Stra­ßen zie­hen, aber ich kann ganz und gar nicht nach­voll­zie­hen, war­um Regen­bo­gen­fah­nen an einem Rat­haus hän­gen müs­sen oder es Pla­ka­te gibt, auf denen sich Män­ner küs­sen und als Absen­der die­ser Pla­ka­te die Bun­des­re­gie­rung fir­miert. Tat­säch­li­che Tole­ranz ist das eine, ver­ord­ne­te Tole­ranz, die mit Über­zeu­gungs­druck und Aus­schlie­ßungs­ar­gu­men­ten (Ihr seid… Ihr könnt so nicht…) daher­kommt, ist etwas anderes.“

Wer­den die Unter­schie­de zwi­schen den Theo­rien deutlich?

Wenn unfreie Nor­men herr­schen, ist „mehr Frei­heit“ für das Indi­vi­du­um immer auch „bes­ser“. Wenn dann irgend­wann Augen­hö­he her­ge­stellt ist, könn­te man ein­fach leben und gut.

Aber das mer­ken wir natür­lich nicht, weil das Leben — frei nach Kier­ke­gaard — immer erst rück­wärts ver­stan­den wird, aber vor­wärts gelebt wer­den muss. Man ver­ste­tigt den Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­dan­ken und betreibt wei­ter, was man gemacht hat, um end­lich Akzep­tanz und Augen­hö­he zu errei­chen. Spä­ter erkennt und denun­ziert man Dis­kri­mi­nie­rung, wo man vor Jah­ren noch kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung gese­hen hätte.

Natür­lich ver­schie­ben sich Nor­men mit der Zeit. Das ist ein eben­so selbst­ver­ständ­li­cher wie lang­sa­mer Vor­gang. Und natür­lich geht es der jeweils idea­lis­ti­schen Frak­ti­on immer zu lang­sam. Aber was geschieht, wenn das ursprüng­li­che Ansin­nen zur Tole­ranz­stei­ge­rung selbst zur Norm wird? Wann über­schrei­ten wir die Gren­ze vom Anpran­gern von Dis­kri­mi­nie­rung hin zur Über­trei­bung der Nor­men und schließ­lich zur neu­er­li­chen Dis­kri­mi­nie­rung? Wo in den älte­ren Theo­rien noch Geltungs_ansprüche_ waren, denen man eben zustim­men konn­te oder nicht, gilt jetzt eine qua­si pro­phy­lak­ti­sche Geltungs_norm_ — der man irgend­wie zustim­men muss. Natür­lich muss man nicht, man ist ja frei.

Oder haben wir es nur mit einer „Über­fei­ne­rung“ der Ansprü­che zu tun? Eine Über­trei­bung der Nor­men wür­de zu neu­en Dis­kri­mi­nie­rungs­phä­no­me­nen füh­ren. Eine Über­fei­ne­rung der Ansprü­che wür­de weni­ger zu neu­en Dis­kri­mi­nie­rungs­phä­no­me­nen, als viel­mehr zu schlich­ter Deka­denz füh­ren. Viel­leicht haben wir es ja mit einer Mischung zu tun.

Das neue Monster

Heu­er kann es zum Bei­spiel bereits Fol­gen haben, wenn man „nur“ nicht zustimmt. Das gilt zumin­dest für die „viel­fäl­ti­ge“ Norm­vor­stel­lung, bspw. an Uni­ver­si­tä­ten oder Hoch­schu­len. Dort kann man mitt­ler­wei­le signi­fi­kan­ten Ärger bekom­men, wenn man bspw. etwas igno­riert, dem man nicht zustim­men möch­te. Poli­ti­sche Kor­rekt­heit kann als For­de­rung, qua­si pro­phy­lak­tisch kor­rek­te Gesin­nungs­be­kennt­nis­se auf­zu­sa­gen, zum Mons­ter werden.

Gibt es denn so etwas wie eine Ver­bin­dung zwi­schen „Viel­falt“ und „Norm“? Kann man denn tat­säch­lich „nor­ma­tiv viel­fäl­tig“ sein?

Spä­tes­tens mit der Vor­stel­lung, dass man „abso­lut divers“ sein oder „abso­lut inklu­siv“ kom­mu­ni­zie­ren kön­ne, errei­chen wir ein neu­es Level. Das bedeu­tet: Woll­te man das wirk­lich ernst mei­nen, stün­den nicht nur gesell­schaft­li­che Nor­men auf dem Prüf­stand, son­dern müss­te man auch dar­über nach­den­ken, wie wir über­haupt kom­mu­ni­zie­ren. Nicht umsonst wird das Bedürf­nis, sich sicher füh­len zu wol­len und zu kön­nen, man­cher­orts zur Maß­ga­be — und oft genug zur gleich­sam vor sich her­ge­tra­ge­nen Mons­tranz und damit auch zum Abwehr­me­cha­nis­mus.

Gesell­schaf­ten basie­ren auf Nor­men, auf die man sich (oft nach hef­ti­gen Kon­flik­ten) geei­nigt hat.

Haben wir uns geeinigt?

Böser Ver­dacht: Unse­re Vor­fah­ren hat­ten sich viel­leicht ein­mal geei­nigt — viel­leicht unter dem blei­ben­den Ein­druck des Schreck­li­chen, des­sen Zeu­gen sie gewor­den waren oder an dem sie mehr oder weni­ger aktiv teilhatten.

Unter­schie­de in der Auf­fas­sung von der Welt gab es immer und wird es immer geben. Eini­gung bedeu­tet, dass man einen gewis­sen gemein­sa­men „Boden“ oder gewis­se gemein­sa­me „Gewohn­hei­ten“ oder „Inter­es­sen“ oder „Regeln“ (=„Ver­fas­sung“) aner­kennt, dass man sich trotz aller Unter­schie­de einig ist, zumin­dest bei den aller­ele­men­tars­ten Grund­la­gen an einem Strick zu ziehen.

Aber die Erleb­nis­ge­ne­ra­ti­on ist tot. Es herr­schen bald acht­zig Jah­re Frie­den in Deutschland.

Streit über die Zukunft oder banale Unterhaltung?

Heu­er grenzt es eher an eine Unter­hal­tungs­sen­dung und weni­ger an einen Dia­log über das Schick­sal der gemein­sam bewohn­ten Welt, wenn sich die Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten des viel­leicht mäch­tigs­ten Lan­des der Welt zu einem Fern­seh­du­ell tref­fen. Ame­ri­ka mag weit weg sein, aber steht es um unser Land besser?

Auch wir bewe­gen und im Galopp in die­se Rich­tung: Die einen mei­nen, im Recht zu sein, und beleh­ren die ande­ren, die­ses oder jenes so nicht den­ken oder sagen zu dür­fen, die­ses oder jenes akzep­tie­ren zu müs­sen. Man ver­wen­det Begrif­fe wie „Coro­na-Leug­ner“ oder „Brand­mau­er“. Die ande­ren mei­nen, nicht weni­ger im Recht zu sein, wenn sie sagen, man müs­se das Land vor zu viel Idea­lis­mus, zu viel Heiz­ge­setz, zu viel Migra­ti­on usw. verteidigen.

Uns ist, so will ich mei­nen, die Balan­ce abhan­den gekom­men. Viel­leicht erscheint uns Ange­la Mer­kel im Nach­hin­ein als eine Meis­te­rin genau jener Balan­ce. Aber auch das, fürch­te ich, stimmt nicht, denn die Spal­tung der Welt war auch sei­ner­zeit schon spürbar.

Auf die Fra­ge, ob die aktu­el­le Bun­des­re­gie­rung Über­zeu­gungs­druck aus­übt, habe ich eine Ant­wort. Aber dar­über lie­ße sich strei­ten. Spä­tes­tens die Wahl­er­geb­nis­se spre­chen jedoch ihre eige­ne Spra­che. Dar­auf mit noch mehr poli­tisch kor­rek­ter Ent­rüs­tung und noch mehr Über­zeu­gungs­druck zu reagie­ren, wür­de (und ver­mut­lich: wird) die Lage nur wei­ter zuspitzen.

Also wird auch unser „Kanz­ler­du­ell“ irgend­wann eine Art Jahr­markt­ver­an­stal­tung? Min­des­tens steht zu erwar­ten, dass es irgend­wann „Kanzler_Innen_duell“ hei­ßen wird. Ohne Jahr­markt, ver­steht sich. Aber wird das auch die Wäh­le­rin oder der Wäh­ler so sehen?

Ein gro­ßer Teil der Gesell­schaft mag zustim­men, wenn man sagt, Viel­falt sol­le mög­lich sein. Aber zwi­schen „mög­lich sein“ und dem, was heu­er an man­chen Uni­ver­si­tä­ten oder in man­chen poli­ti­schen Bewe­gun­gen regel­recht erwar­tet zu wer­den scheint, klaf­fen womög­lich Welten.

Die jüngs­ten Wahl­er­geb­nis­se illus­trie­ren die­se Kluft.

Idealism as choice

In extre­men Zei­ten soll­ten wir unse­re Auf­merk­sam­keit weni­ger auf die nor­ma­le Kom­mu­ni­ka­ti­on rich­ten, die wir mit Hil­fe der älte­ren Model­le gut betrach­ten kön­nen. Wir soll­ten unse­re Auf­merk­sam­keit viel­mehr auf die Kom­mu­ni­ka­ti­on unter Druck, also in Kon­flik­ten, unter Pola­ri­sie­rungs­um­stän­den usw., richten.

An die­ser Stel­le hat man zwei Optionen:

  1. Man kann, wie es häu­fig geschieht, die aktu­el­len Theo­rie­trends idea­li­sie­ren. Man kann aus einer durch­aus plau­si­blen Ana­ly­se der Ver­gan­gen­heit Schluss­fol­ge­run­gen zie­hen. Aber spä­tes­tens, wenn man die­se Schluss­fol­ge­run­gen ver­all­ge­mei­nert, kämpft man irgend­wann qua­si immer noch für die Abschaf­fung von etwas, das viel­leicht schon gar nicht mehr da ist — zumin­dest nicht mehr in der Men­ge und in der Gestalt wie in jener Zeit, als jenes star­ke Motiv ent­stand, es abzuschaffen.
  2. Man kann aber auch ver­su­chen, die Rea­li­tät ohne Idea­lis­mus zu betrach­ten — etwa so, wie es, wenn man ver­ste­hen woll­te, was Frie­den ist, viel­leicht weni­ger hilf­reich ist, den Frie­den anzu­schau­en (um dann in der Idea­li­sie­rung der Frie­dens­be­din­gun­gen etwa auf die For­mu­lie­rung der Nor­men für eine gewalt­freie Kom­mu­ni­ka­ti­on zu kom­men), son­dern den Krieg, um genau zu sehen, wann er auf­hört und der Frie­den beginnt.

In bei­den Fäl­len las­sen sich jeweils gewis­se Grund­an­nah­men erken­nen. Kei­ne Theo­rie­bil­dung wird frei von Grund­an­nah­men sein, etwa so, wie man bspw. in den unter vie­len deut­schen Intel­lek­tu­el­len popu­lä­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­re­men von Haber­mas immer auch eine qua­si-pro­tes­tan­ti­sche Beleh­rungs­hal­tung erken­nen kann: Etwas ist nicht nur theo­re­tisch plau­si­bel, son­dern es erscheint auch irgend­wie „gut“ oder min­des­tens „nor­ma­tiv wün­schens­wert“, wes­halb es als umso „gül­ti­ger“ daherkommt.

Die heu­te popu­lä­rer wer­den­den Theo­re­me der Kom­mu­ni­ka­ti­on gehen von idea­li­sier­ten Bedin­gun­gen aus, auf die man ohne die (a) eman­zi­pa­to­ri­schen Theo­rien und die (b) damit ein­her­ge­hen­de Indi­vi­dua­li­sie­rung und die © sich anschlie­ßen­de Idea­li­sie­rung der Vor­stel­lun­gen so wahr­schein­lich nicht gekom­men wäre.

Zwischenfazit

Noch ein­mal lang­sam, denn hier kann und soll nicht jede ein­zel­ne Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rie dis­ku­tiert wer­den. Viel­mehr könn­te es hilf­reich sein, die Ent­wick­lung der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­theo­rien und die damit ver­bun­de­nen wesent­li­chen Lini­en noch ein­mal zusam­men­fas­send dar­zu­stel­len, um den Kern der Fra­ge zu verdeutlichen.

Betrach­tet man die Theo­rie­ent­wick­lung im 20. Jahr­hun­dert von einer sehr all­ge­mei­nen Ebe­ne, so lässt sich eine gewis­se Hin­wen­dung zum Indi­vi­du­um und sei­ner Ent­fal­tung beob­ach­ten. Das Indi­vi­du­um „eman­zi­piert“ sich von all­zu star­ken gesell­schaft­li­chen Nor­men, ent­fal­tet sich, äußert Gel­tungs­an­sprü­che, trifft eige­ne Ent­schei­dun­gen. Bedürf­nis- und Moti­va­ti­ons­theo­rien blü­hen auf, mit der Psy­cho­lo­gie wird eine „Wis­sen­schaft des Indi­vi­du­ums“ popu­lär; die Belan­ge des Indi­vi­du­ums wer­den zuneh­mend getrennt von den Belan­gen der Grup­pe oder der Gesell­schaft the­ma­ti­siert. Den meis­ten die­ser Kon­zep­te wohnt ein „befrei­en­der“ oder „eman­zi­pa­to­ri­scher“ Impuls inne. Es wird bspw. klar, dass Kom­mu­ni­ka­ti­on immer ent­we­der auf Augen­hö­he oder im Rah­men eines gewis­sen Über- und Unter­ord­nungs­ver­hält­nis­ses statt­fin­det. Den meis­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kon­zep­ten wohnt — min­des­tens impli­zit — inne, dass man als Indi­vi­du­um Aner­ken­nung für sei­ne „Gel­tungs­an­sprü­che“ erfährt. Das setzt im Kon­text von Gesprä­chen min­des­tens eine gewis­se „Augen­hö­he“ — also eine grund­le­gen­de Aner­ken­nung der Legi­ti­mi­tät der Gel­tungs­an­sprü­che des Gegen­übers — vor­aus. Im Kon­text von Insti­tu­tio­nen setzt es min­des­tens eine gewis­se Dis­kri­mi­nie­rungs­frei­heit bzw. Gleich­be­hand­lung voraus.

Auf die­ser ers­ten Ebe­ne der Theo­rie­bil­dung hat sich qua­si das Indi­vi­du­um von den kol­lek­ti­ven Nor­men eman­zi­piert. Bspw. gab (und gibt) es die Kir­chen noch, aber ihre „selbst­ver­ständ­li­che Auto­ri­tät“ begann zu schwin­den; spä­tes­tens mit der Psy­cho­ana­ly­se begann man auch, all­zu fins­te­re Fami­li­en­ver­hält­nis­se zu the­ma­ti­sie­ren und den Betrof­fe­nen einen begrün­de­ten Aus­weg zu bie­ten. Ganz zu schwei­gen von den bit­te­ren und viel zu oft töd­li­chen Kon­se­quen­zen tota­li­tä­rer Herrschaft.

All das — und nach­ge­ra­de das zuletzt Genann­te — soll­te nicht mehr sein: Die Vor­stel­lun­gen von „Eman­zi­pa­ti­on“ ver­ban­den sich im Ange­sicht der Opfer tota­li­tä­rer Herr­schaft aus gutem Grund mit der Maxi­me „Nie wieder!“

Die Eman­zi­pa­ti­on — auch schlicht „Augen­hö­he“ genannt — wur­de zur oft unaus­ge­spro­che­nen, weil „irgend­wie selbst­ver­ständ­li­chen“ Norm oder Grund­an­nah­me „hin­ter“ oder „unter“ vie­len „ori­en­tie­ren­den Vor­stel­lun­gen“ oder gar „Leit­vor­stel­lun­gen“, im Beson­de­ren auch in den Modell­vor­stel­lun­gen zur Kommunikation.

15 Jahre Schlaf

Das alles habe ich in den aus­ge­hen­den Neun­zi­ger und frü­hen 2000er Jah­ren stu­diert („Kom­mu­ni­ka­ti­ons­psy­cho­lo­gie“), und was ich da gelernt habe, erschien mir einer­seits als Kind der ehe­ma­li­gen DDR und ande­rer­seits nach einem drei­jäh­ri­gen Aus­lands­ein­satz in Bos­ni­en nur all­zu plau­si­bel. Ich habe die­se Grund­an­nah­men damals nicht infra­ge gestellt, im Gegen­teil: Ich war froh, dass man zu nichts mehr gezwun­gen wur­de, man frei sein konnte.

Ich ver­brach­te mei­ne ers­ten Berufs­jah­re nach dem Stu­di­um damit, genau die­se Model­le anzu­wen­den. Erst viel spä­ter begann ich zu ahnen, dass für mei­ne Gene­ra­ti­on die Abwe­sen­heit von Zwang oder gar phy­si­scher Gewalt schon „Frie­den genug“ gewe­sen sein könn­te, und dass die nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen aber ganz ande­re Vor­stel­lun­gen von Frei­heit ent­wi­ckeln würden.

Jede Gene­ra­ti­on, so wur­de mir klar, erlernt ihre jeweils eige­nen „Grund­li­ni­en des Den­kens“ — und zwar auf der Grund­la­ge der Regeln, Häu­fig­kei­ten etc. aus der Kind­heit und Jugend. So mag ich als Kind der Sieb­zi­ger Jah­re heu­te mei­nen, dass es viel mehr Autos gibt als frü­her. Als ich Kind war, gab es ja tat­säch­lich weni­ger Autos. Die Norm ver­schiebt sich aber von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on. Mag mei­nem Groß­va­ter die Zahl der Autos in den Acht­zi­gern hoch vor­ge­kom­men sein, weil er die Zahl der Autos in den spä­ten Zwan­zi­gern als „Grund­li­nie“ gespei­chert hat­te, so wird mei­ner Toch­ter die heu­ti­ge Zahl der Autos ganz und gar nicht komisch erschei­nen, son­dern eher die „Grund­li­nie“ ihrer Wahr­neh­mung ausmachen.

Irgend­wann jeden­falls war ich nicht mehr Drei­ßig und hat­te mit The­men wie Fir­ma, Fami­lie und Dis­ser­ta­ti­on zu tun. Und noch ein paar Jah­re spä­ter kam ein Moment, an dem ich das Gefühl hat­te, fünf­zehn Jah­re geschla­fen zu haben.

Im Grun­de begann alles ganz viel­ver­spre­chend: Ich begeg­ne­te mehr­fach Edgar Schein wäh­rend sei­ner letz­ten Euro­pa-Rei­sen. Die­se Begeg­nun­gen — um genau­er zu sein: drei Work­shops und zwei per­sön­li­che Gesprä­che — brach­ten auf wun­der­sa­me Wei­se Ord­nung in mein Den­ken. Scheins Theo­rien schie­nen alle­samt der Pra­xis abge­run­gen zu sein und erhell­ten des­halb mein Ver­ständ­nis von mei­ner Pro­fes­si­on unge­mein. Ich konn­te mei­ne Erfah­run­gen neu ord­nen und wur­de durch Edgar Schein, mei­nen dama­li­gen Kol­le­gen Ben­ja­min Zips und mei­ne Dok­tor­vä­ter Albert Löhr und Her­bert Bock in die Lage ver­setzt, eine eige­ne Meta­theo­rie zum Ver­ständ­nis von Orga­ni­sa­tio­nen und zur Kom­mu­ni­ka­ti­on zu entwickeln. 

In der Fol­ge der Begeg­nun­gen mit Schein begann ich, mich mit dem The­ma „psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit“ zu beschäf­ti­gen. Ursprüng­lich von Schein bereits vor Jahr­zehn­ten geprägt, wur­de der Begriff vor allem durch sei­ne Schü­le­rin Amy Edmond­son und ihre Unter­su­chun­gen zum The­ma „psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit“ bekannt. Die Rele­vanz des Kon­zep­tes der psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit wird in einem ande­ren Bei­trag auf die­sem Blog dis­ku­tiert, wes­halb hier auf eine aus­führ­li­che inhalt­li­che Erör­te­rung ver­zich­tet wer­den soll.

Als ich nach mei­nen „gefühlt fünf­zehn Jah­ren Schlaf“ wie­der auf­wach­te, fand ich, dass man das Kon­zept der psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit nicht mehr nur als „eman­zi­pa­to­risch-kom­mu­ni­ka­ti­ves“ Kon­zept oder als Modell zur Ver­bes­se­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on in Orga­ni­sa­tio­nen ver­wen­de­te, son­dern dass es mitt­ler­wei­le regel­recht „nor­ma­ti­ve“ Vor­stel­lun­gen von psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit gab.

Wenn man sich nicht sicher („safe“) genug füh­le, kön­ne man nicht kom­mu­ni­zie­ren bzw. sei das Gegen­über oder die Situa­ti­on irgend­wie „toxisch“. Aus einer eigent­lich befrei­en­den Vor­stel­lung, dass man „auf­mu­cken“ kön­ne, ohne Angst vor nega­ti­ven Kon­se­quen­zen haben zu müs­sen, war qua­si „über Nacht“ die For­de­rung gewor­den, bereits pro­phy­lak­tisch bit­te so zu kom­mu­ni­zie­ren, dass sich nie­mand über­haupt auch nur mög­li­cher­wei­se ein­ge­schränkt, benach­tei­ligt, unsi­cher, getrig­gert usw. füh­len könnte.

Was war passiert?

Mei­ne kur­ze, viel­leicht zu kur­ze oder zu „spit­ze“ Ant­wort lau­tet: Eine „eman­zi­pa­to­risch befrei­te“ oder min­des­tens „eman­zi­pa­to­risch gebil­de­te“ Gene­ra­ti­on hat gemeint, ins­be­son­de­re Wer­te wie Augen­hö­he oder Wahl­frei­heit wei­ter­zu­ge­ben. Aller­dings hat­ten bereits die Eltern nur noch indi­rek­ten und die Kin­der kei­nen Kon­takt mehr zur Ent­ste­hung die­ser Vor­stel­lun­gen (Stich­wort: Erleb­nis­ge­ne­ra­ti­on). Dem­entspre­chend wur­de aus einer begrün­de­ten Über­zeu­gung zuneh­mend eine sich aus­dif­fe­ren­zie­ren­de und immer idea­lis­ti­sche­re und schließ­lich „Blü­ten trei­ben­de“ — sich über­fei­nern­de — „Anspruchs­hal­tung“.

Hin­zu kom­men natür­lich noch vie­le wei­te­re Ent­wick­lun­gen und Ein­flüs­se. Ein­her­ge­hend mit einem bis­her unbe­kann­ten Grad der Indi­vi­dua­li­sie­rung wur­de, als kol­lek­ti­ve Nor­men zurück­gin­gen und die indi­vi­du­el­le Wahl­frei­heit umso mehr betont wur­de, aus der Theo­rie — ggf. unbe­ab­sich­tigt — eine Ideo­lo­gie.

Die älte­ren Model­le stam­men wie gesagt aus einer Zeit des Ein­drucks von zu star­ker Auto­ri­tät, oft regel­recht erdrü­cken­der kol­lek­ti­ver Norm. Damals waren die Modell­vor­stel­lun­gen „Gegen­ent­wür­fe“, die spä­ter tat­säch­lich zu einer indi­vi­du­el­len Befrei­ung oder zu einer Befrei­ung des Indi­vi­du­ums geführt haben. Aber spä­tes­tens mit einer Gene­ra­li­sie­rung die­ser Nor­men bei gleich­zei­tig zurück­ge­hen­der Ursa­chen­wir­kung (die Gesell­schaft wur­de immer frei­er), begann die­se Norm, auch nega­ti­ve Kon­se­quen­zen zu entfalten.

In Zei­ten mas­si­ver Ein­schrän­kun­gen der indi­vi­du­el­len Frei­heit ist „mehr Frei­heit“ wie gesagt immer auch „bes­ser“.

In Zei­ten der Dis­kri­mi­nie­rung von Min­der­hei­ten auf der Grund­la­ge vor­ge­stell­ter Unter­schie­de ist „mehr Gleich­heit“ immer auch „bes­ser“.

In Zei­ten, in denen man Unter­schie­de auf­grund von tat­säch­lich von einer „Norm“ abwei­chen­den Eigen­schaf­ten macht, ist „mehr Inklu­si­on“ oder „mehr Diver­si­tät“ für die davon Betrof­fe­nen auch „bes­ser“.

Aber was geschieht, wenn die Vor­stel­lun­gen, die zu einer freie­ren oder bes­se­ren Situa­ti­on füh­ren soll­ten, ihrer­seits zur Norm erho­ben werden?

Genau hier liegt, so will ich mei­nen, der Unter­schied zwi­schen den etwas älte­ren, eman­zi­pa­to­ri­schen, und den neue­ren, Inklu­si­on und Diver­si­tät beto­nen­den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­del­len. Aus dem Wunsch, „von etwas frei“ zu sein, ist eine Norm­vor­stel­lung gewor­den, „jeder­zeit zu allem Mög­li­chen frei“ sein zu sol­len.

Die bis­he­ri­gen Dar­stel­lun­gen dien­ten einer­seits der Dar­stel­lung der bei­den Grup­pen von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­del­len sowie des Über­gangs zwi­schen ihnen. Bei­den Grup­pen ist der eman­zi­pa­to­ri­sche Impuls gemein; die spä­te­ren Vor­stel­lun­gen sind ja qua­si aus den frü­he­ren her­vor­ge­gan­gen. Bei der spä­ter ent­stan­de­nen Grup­pe kommt aber der nor­ma­ti­ve Impuls hin­zu. Das bedeu­tet im Grun­de, dass bereits die ers­te Grup­pe von Model­len von impli­zi­ten Vor­aus­set­zun­gen aus­ging; die Dich­te oder „Anspruchs­hö­he“ der Vor­aus­set­zun­gen bei der zwei­ten Grup­pe aber gewach­sen ist.

Idealism @ heart: Die Erfahrung des Nichtfunktionierens führt nicht zwingend zu Erkenntnissen

Viel­leicht illus­triert das Modell der gewalt­frei­en Kom­mu­ni­ka­ti­on die­sen Über­gang exem­pla­risch — man geht selbst­re­dend von Augen­hö­he bzw. einem gewis­sen Macht­gleich­ge­wicht oder der Abwe­sen­heit von Ungleich­heit und Macht aus, und man meint, dass alle Betei­lig­ten auf stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­zich­ten sol­len. Das benennt man oft genug nicht expli­zit — in der Regel wird eher eine gewis­se nor­ma­ti­ve Mach­bar­keits­vor­stel­lung im Sin­ne eines Ide­als for­mu­liert, zum Bei­spiel in Gestalt einer so genann­ten „Win-Win-Lösung“. Dass sol­che Lösun­gen in der Pra­xis extrem sel­ten sind, wird kaum the­ma­ti­siert. Auch wird kaum expli­zit erwähnt, dass für das Gelin­gen gewalt­frei­er Kom­mu­ni­ka­ti­on ganz bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen gel­ten müs­sen, eben zum Bei­spiel jener bereits genann­te Ver­zicht auf stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on. Das Ergeb­nis: Man fin­det in Deutsch­land wahr­schein­lich zehn mal mehr Semi­na­re ÜBER gewalt­freie Kom­mu­ni­ka­ti­on als tat­säch­lich gelin­gen­de Pra­xis­bei­spie­le, eben­so wie Media­ti­on viel häu­fi­ger gelehrt als tat­säch­lich gelin­gend ange­wandt wird.

Was geschieht näm­lich bei­spiels­wei­se, wenn jemand nicht erst in Augen­hö­he ein­wil­ligt, nicht auf stra­te­gi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­zich­tet oder sich dem Theo­rem des Aus­tauschs gene­rell ver­wei­gert? Was geschieht, wenn die­ser Jemand bspw. sagt, Kom­mu­ni­ka­ti­on sei gar nicht mög­lich, weil allein die Exis­tenz des Gegen­übers das Pro­blem sei, und dass man das Pro­blem nicht kom­mu­ni­ka­tiv lösen kön­ne, eben weil das Gegen­über das Pro­blem sei? Dann ist gewalt­freie Kom­mu­ni­ka­ti­on unmög­lich, was die von die­sem Pro­gramm Über­zeug­ten aber kei­nes­wegs davon abhält, die gewalt­freie Kom­mu­ni­ka­ti­on wei­ter­hin für die Lösung vie­ler Pro­ble­me zu halten.

Ich habe bspw. Natio­na­lis­ten ver­schie­de­ner Her­kunft jeweils sagen hören, dass man kein Pro­blem mit den im betref­fen­den Land leben­den Ange­hö­ri­gen ande­rer Eth­ni­en habe, weil das Pro­blem an und für sich ja eben jene Ange­hö­ri­gen ande­rer Eth­ni­en sei­en, und wenn es jene Ange­hö­ri­gen ande­rer Eth­ni­en in dem Land nicht mehr gäbe, dann hät­te man auch kein Pro­blem mit ihnen.

Dass eine sol­che Sicht­wei­se für ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben min­des­tens offen pro­ble­ma­tisch ist, liegt auf der Hand.

Ein Pro­blem wird nicht ver­schwin­den, wenn man davon aus­geht, dass es nicht exis­tiert (oder eben nicht exis­tie­ren soll). Es sei denn, man könn­te das Pro­blem tat­säch­lich aus der Welt schaf­fen. Das aber ist wie­der­um etwas, was sich man­che gern vor­stel­len, was aber in der Regel unrea­lis­tisch bzw. nicht mach­bar ist. Im Fal­le des kur­di­schen Vol­kes soll­te das eben­so unmög­lich sein, wie es im Fal­le des bos­nia­ki­schen Teils der bos­ni­schen Bevöl­ke­rung unmög­lich war, und wie es im Fal­le des ukrai­ni­schen Vol­kes unmög­lich sein wird, oder — um ein Ter­rain zu betre­ten, über das man als Deut­scher die­ser Tage bes­ser nicht spricht — heu­te im Fal­le des paläs­ti­nen­si­schen Vol­kes oder frü­her des jüdi­schen Volkes.

Man kann sei­ne Gefüh­le an die Rea­li­tät anpas­sen oder die Rea­li­tät an die Gefüh­le. Im ers­te­ren Fall akzep­tiert man etwas, im letz­te­ren Fall ver­än­dert man etwas. Im Fal­le jener Natio­na­lis­ten bedeu­tet es ent­we­der Akzep­tanz, dass es die jeweils ande­re Sei­te gibt — oder eben Kampf. Was bei letz­te­rer Opti­on her­aus­kommt, sehen wir jeden Tag im Fern­se­hen. Das bedeu­tet nicht, dass es „ein­fa­che Alter­na­ti­ven“ gäbe. Was bit­te soll denn die eine Sei­te machen, wenn die ande­re Sei­te nicht ver­han­deln will, es aber in der Pro­pa­gan­da gern so aus­se­hen lässt? Dass wir als Men­schen theo­re­tisch Hand­lungs­mög­lich­kei­ten haben, bedeu­tet nicht zwin­gend, dass wir auch prak­tisch Hand­lungs­op­tio­nen haben. Es gehö­ren immer zwei oder mehr dazu, das Ende einer Eska­la­ti­on her­bei­zu­füh­ren. Das Ende des Krie­ges haben nur die gese­hen, die gefal­len sind (Pla­to). Im Nach­hin­ein wird ihr Opfer nicht in Rela­ti­on zum Ergeb­nis ste­hen. Unse­re ver­meint­li­che post­mo­der­ne Abge­klärt­heit ver­lei­tet uns mit­un­ter zu einer Gering­schät­zung der Opfer — was nicht bedeu­tet, dass sie nicht mehr vor­kom­men. Wir kön­nen uns zwar ein „Ende der Geschich­te“ im Sin­ne eines Endes jeg­li­cher Feind­se­lig­kei­ten vor­stel­len — aber ob es auch ein­tritt, rich­tet sich nicht nach unse­ren Vor­stel­lun­gen, son­dern eher nach den Regeln der Macht. Und dar­über wis­sen His­to­ri­ker und Anthro­po­lo­gen mehr als Idealisten.

Neh­men wir nun ein deut­sches Beispiel:

Das deut­sche Volk hat gewählt. Es bil­det sich, den Regeln und Mög­lich­kei­ten ent­spre­chend, eine Regie­rung. Die Regie­rung macht. Das Volk wählt fort­an anders. Die Kom­mu­ni­ka­ti­on der Regie­rungs­par­tei­en wird beleh­rend: „Man sol­le…“ oder: „Man dür­fe nicht…“ Man redet von Band­mau­ern und meint, alles rich­tig auf­zu­zäh­len und dar­zu­stel­len. Das Volk wählt trotz­dem anders. Auf­grund einer sich ver­dich­ten­den Kri­sen­la­ge spitzt sich die Dyna­mik zu. Das Volk wählt erst recht anders.

Ist nun das Volk wei­ter­hin „dumm“ oder „kurz­sich­tig“, oder ist es ein­fach nur unzu­frie­den mit der aktu­el­len Politik?

Der Nach­kriegs­ge­nera­ti­on ist es immer­hin gelun­gen, so etwas wie einen „gemein­sa­men Boden des Han­delns“ her­zu­stel­len. Die­se gemein­sa­me Grund­la­ge ist uns abhan­den gekom­men — nicht nur in Deutsch­land, son­dern in wei­ten Tei­len des­sen, was man seit eini­gen Jah­ren die „west­li­che Welt“ nennt.

An die Stel­le der gemein­sa­men Grund­la­ge ist gegen­sei­ti­ge Denun­zia­ti­on getre­ten, und es steht nicht zu erwar­ten, dass sich das ändert. Eher wird es sich noch ver­stär­ken. Inso­fern hat die dem „Wes­ten“ skep­tisch bis feind­lich gegen­über­ste­hen­de Pro­pa­gan­da nicht ganz unrecht, wenn sie uns der Deka­denz bezichtigt.

Hat die Menschheit etwas gelernt?

Man könn­te sich an die­ser Stel­le ganz gelas­sen zurück­leh­nen und Par­al­le­len zu den Sieb­zi­ger Jah­ren zie­hen. Auch damals waren die sich für pro­gres­siv hal­ten­den Tei­le der Gesell­schaft radi­kal, aber sie waren es nicht für immer. Sie haben sich beru­higt und sich von den all­zu idea­lis­ti­schen Spit­zen ihrer For­de­run­gen ver­ab­schie­det. Die Kin­der die­ser Men­schen sind oft lie­ber in die Dis­co gegan­gen und haben sich ein Auto gekauft, als dass sie auf der Stra­ße poli­ti­sche Losun­gen geru­fen hät­ten. Viel­leicht wird das auch heu­er so ähn­lich, indem etwa von den idea­lis­ti­schen Maxi­mal­for­de­run­gen in Bezug auf Sprach­re­ge­lun­gen, Migra­ti­ons­po­li­tik, Heiz­ge­setz und so wei­ter nur das prag­ma­tisch Mach­ba­re übrig bleibt und man die Maxi­mal­for­de­run­gen irgend­wann ein­fach wie­der ver­gißt. Ob das zutref­fen wird oder ich damit nur etwas über mich selbst und mei­ne Welt­sicht und mei­ne Hoff­nun­gen schrei­be, wird die Zukunft zeigen.

In Bezug auf die davor dis­ku­tier­te Fra­ge nach Krieg und Frie­den haben wir es aller­dings mit einer viel grö­ße­ren „Gret­chen­fra­ge“ zu tun: Hat die Mensch­heit seit dem zwei­ten Welt­krieg tat­säch­lich etwas gelernt, oder herrscht(e) nur weit­ge­hend Frie­den, wie das Mar­tin van Cre­veld gern betont hat, weil es seit dem zwei­ten Welt­krieg Atom­bom­ben gibt und sich seit­her buch­stäb­lich nie­mand getraut hat, bis zum Äußers­ten zu gehen?

Die Lese­rin oder der Leser die­ses Tex­tes möge selbst eine Ant­wort auf die­se Fra­ge for­mu­lie­ren. Von die­ser Ant­wort mag mög­li­cher­wei­se abhän­gig sein, ob man die fol­gen­den Zei­len eher nach­voll­zie­hen kann oder eher ableh­nen wird.

Kritik, Rechtfertigung, Gegenkritik und Blockaden: Gelingende Kommunikation ist weniger wahrscheinlich als nicht gelingende Kommunikation (Elemente einer Kommunikationstheorie)

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on über ein ech­tes (= für die Betei­lig­ten rele­van­tes) Pro­blem ist häu­fig mit Kri­tik verbunden.

Was sind die wahr­schein­li­chen Reak­tio­nen auf Kri­tik? Recht­fer­ti­gung oder Gegen­kri­tik — letz­te­re kommt oft auch als schlich­ter ver­ba­ler Angriff daher. Bei­de Vari­an­ten der Reak­ti­on sind weni­ger auf Aus­tausch, son­dern viel­mehr auf die Siche­rung oder Ver­bes­se­rung der eige­nen Posi­ti­on ausgerichtet.

Die „eigent­lich sou­ve­rä­ne“ Reak­ti­on, also bspw. die Fra­ge „Was meinst Du genau?“ oder „Was möch­test Du damit sagen?“ oder „Erklä­re mir das bit­te ein­mal genau­er.“ ist unwahr­schein­li­cher als eine der bei­den genann­ten Varianten.

Wenn dem so wäre — was wür­den wir dar­aus ler­nen? Dass im Kon­flikt­fall gelin­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on unwahr­schein­li­cher ist als nicht gelin­gen­de Kommunikation?

Wenn gelin­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on weni­ger wahr­schein­lich als nicht gelin­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­on ist — was hat sich dann spä­tes­tens in der poli­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on ver­än­dert? War das schon immer so, oder gab es in der Erleb­nis­ge­ne­ra­ti­on einen gewis­sen „Respekt vor dem Unge­heu­er­li­chen“? War man sei­ner­zeit ggf. demü­tig genug, auf die Maxi­mie­rung der eige­nen Belan­ge zu verzichten?

Man strei­tet sich ggf. hef­tig — und einigt sich dann irgend­wie — was nicht bedeu­tet, dass es kei­ne Gewin­ner oder Ver­lie­rer geben kann.

Ver­liert man jedoch die­se Demut, weil man die eige­nen Belan­ge für so wich­tig hält, dass man sie über das Gemein­sa­me stellt — oder meint man, dass die eige­nen Belan­ge „rich­ti­ger“ sind als die einer ande­ren Sei­te, kommt es zu Blockaden.

Man kann sich nicht mehr eini­gen, weil die eige­ne Posi­ti­on wich­ti­ger und rich­ti­ger gewor­den ist als die ande­re Seite.

Wir leben in einer Zeit wachsender Verachtung

Damit haben wir einen „per­fek­ten“ Anfang für nicht zu klä­ren­de Kon­flik­te: Aus ver­schie­de­nen Posi­tio­nen wer­den unver­ein­ba­re Posi­tio­nen und an die Stel­le gegen­sei­ti­gen Respek­tes tritt erst Gering­schät­zung und spä­ter Ver­ach­tung. Spä­tes­tens, wenn die Ver­ach­tung zum Volks­sport wird, betrifft sie alle betei­lig­ten Seiten.

Nun haben wir den Salat: Die Älte­ren unter uns hat­ten gehofft, unse­re Kin­der wür­den frei­er, sta­bi­ler, eigen­stän­di­ger, wenn man ihnen Augen­hö­he bei­bräch­te. Aber das Gegen­teil ist der Fall: Die Unsi­cher­heit wächst, die Belas­tungs­schwel­le sinkt. Die Indi­vi­dua­li­sie­rung lässt sich nicht zurück­dre­hen. Unse­re Kin­der ent­schei­den — weni­ger zwi­schen Alter­na­ti­ven, son­dern mehr, weil sie es kön­nen.

Im Fal­le einer Eska­la­ti­on wird heu­te weit weni­ger auf eine Norm geschaut als viel­mehr auf die eige­nen Belan­ge. Das war unter den Umstän­den von zu stei­ler Hier­ar­chie und zu restrik­ti­ven Nor­men sicher eine gute Idee. Aber wenn nach der Hier­ar­chie und nach den Nor­men nur die eige­nen Belan­ge übrig blei­ben, ist guter Rat teu­er, weil die eige­nen Nor­men dann das letz­te sind, was gilt — dann ste­hen die eige­nen Belan­ge und Bewer­tun­gen logi­scher­wei­se auch über dem Funk­tio­nie­ren des Gemein­sa­men. Dann wird alles — posi­tiv for­mu­liert — frei­wil­lig oder auch — nega­tiv for­mu­liert — belie­big.

Wie soll bei­spiels­wei­se die Nacht­schicht in einer ansons­ten daseins­vor­sor­ge­re­le­van­ten Orga­ni­sa­ti­on wie bspw. einem Kran­ken­haus, einem Ret­tungs­dienst oder einer Feu­er­wehr (indi­rekt auch: einer Fabrik oder einem Kraft­werk) nur auf der Basis von Frei­wil­lig­keit funk­tio­nie­ren? Einst­wei­len läuft es ja noch — aber die Signa­le häu­fen sich, dass das nach­rü­cken­de Per­so­nal eine gänz­lich ande­re Auf­fas­sung von Pflicht und Dienst­treue hat als die jetzt in Ren­te Gehenden.

Wenn das stimmt, dann lau­tet eine inter­es­san­te Fra­ge, ob das Fol­gen hat, und wenn ja, wel­che Fol­gen es hat. Und anschlie­ßend ist die Fra­ge inter­es­sant, was das für unse­re Kom­mu­ni­ka­ti­on bedeutet.

Ers­te Schluss­fol­ge­rung: Hat man frü­her Nar­ziss­mus noch für eine irgend­wie zuge­spitz­te, ver­ein­zel­te Form des Seins in der Welt gehal­ten, muss man fest­stel­len, dass wir — zumin­dest in den „west­li­chen“ Gesell­schaf­ten — nar­ziss­ti­scher gewor­den sind, weil es heu­er selbst­ver­ständ­li­cher ist, die eige­nen Belan­ge auf Sta­tus­hö­he mit dem Arbeit­ge­ber oder gar der gan­zen Gesell­schaft zu reflek­tie­ren — oder die eige­nen Belan­ge gleich über die von Arbeit­ge­ber und Gesell­schaft zu stellen.

Man mag sich nur ein­mal vor­stel­len, was das bspw. für die Bereit­schaft bedeu­tet, Steu­ern zu zah­len. Donald Trump bspw. erscheint aus die­ser Sicht nicht nur als ein Kan­di­dat, den zu wäh­len mir mei­ne ggf. reak­tan­te Hal­tung nahe­legt, son­dern des­sen Pro­to­typ des Ver­hal­tens gegen­über der Gesell­schaft mei­ner Hal­tung näher liegt als die, ehr­lich zu sein und an das Funk­tio­nie­rens des Gemein­we­sens zu glauben.

Prognose

Ich will am Ende die­ses Bei­trags eine Pro­gno­se wagen. Im Grun­de gibt es zwei Optionen:

Ent­we­der wir drif­ten wei­ter in Rich­tung Spal­tung und Deka­denz und fin­den uns tat­säch­lich irgend­wann vor dem Fern­se­her wie­der und schau­en eine Unter­hal­tungs­sen­dung über unse­re Zukunft.

Natür­lich soll­ten wir unse­re Zukunft nicht einer Unter­hal­tungs­sen­dung über­las­sen. Aber stel­len Sie sich ein Kanzler_innen_duell zwi­schen Sahra Wagen­knecht und Kevin Küh­nert oder zwi­schen Björn Höcke und Ricar­da Lang vor. Natür­lich sind das kei­ne wahr­schein­li­chen Optio­nen. Aber stel­len Sie sich das ein­mal vor! Wäre es dann nicht viel­leicht doch bes­ser, die Sache als Unter­hal­tungs­sen­dung zu betrachten?

Die ande­re Opti­on ist, dass wir uns tat­säch­lich auf etwas besin­nen, das wir teilen.

Aber was tei­len wir noch? Die einen wol­len mög­lichst allen Migrant_innen_ eine Opti­on bie­ten, die ande­ren wol­len mög­lichst kei­nen mehr rein­las­sen und mög­lichst vie­le raus­schmei­ßen. Die einen reden von Sozi­al­po­li­tik, obwohl die Kas­sen abseh­bar leer sein wer­den; die ande­ren reden von Steu­er­sen­kun­gen — und wer­den ihre lie­be Not haben, auch nur einen Bruch­teil ihrer ent­spre­chen­den Absich­ten umzusetzen.

Klar ist die Welt kom­ple­xer gewor­den, klar bau­en ande­re Natio­nen (fast) genau­so gute Autos wie wir. Die Fra­ge ist, wer die Zukunft unse­res Gemein­we­sens finan­ziert. Wir haben die Auto­in­dus­trie unter Ver­än­de­rungs­druck gesetzt; wir haben die Ener­gie­er­zeu­ger unter Druck gesetzt; der Maschi­nen­bau ächzt und sieht sich weit weg von „Export­welt­meis­ter“. Wie vie­le Bran­chen kön­nen wir noch unter Druck set­zen — oder unter Druck gera­ten las­sen? Jede Woche neue Vor­schrif­ten aus Brüs­sel, stei­gen­de Prei­se, eine uns weit über den Kopf gewach­se­ne Büro­kra­tie, gro­ße Her­zen für Migra­ti­on, aber rie­si­ge Hür­den bei der Arbeits­auf­nah­me eben jener Migran­ten, eine unter Druck gera­te­ne Wirt­schaft — und das ist nur der Anfang einer Lis­te mit noch unsor­tier­ter Rang­fol­ge. Es gab sicher schon weni­ger Grün­de für die Abwahl einer Regierung.

Natür­lich muss man die­se Sicht­wei­se so nicht tei­len, aber bei einer Fra­ge kom­men am Ende des Besens alle an, näm­lich wie gesell­schaft­li­che Pro­jek­te finan­ziert wer­den sol­len. Und da ist auf abseh­ba­re Zeit mit Idea­lis­mus sicher Schluss, es sei denn, man setz­te die Schul­den­brem­se außer Kraft. (Man mag von der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik hal­ten, was man will, aber genau das scheint dort nach Coro­na funk­tio­niert zu haben.)

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Anhand der bis­he­ri­gen Über­le­gun­gen wur­de deut­lich, dass jede Theo­rie ihrer Zeit — also bestimm­ten Erwünscht­hei­ten — ent­spricht, und dass jede Theo­rie unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen gilt. Das bedeu­tet nicht, dass die bis­her for­mu­lier­ten Theo­rien falsch sind — nur dass es eben von der jewei­li­gen Lage abhän­gig ist, wie weit sie anwend­bar und gül­tig sind. Klar gewor­den ist auch, dass die neue­ren Theo­rien von Annah­men aus­ge­hen, die ein Teil der Gesell­schaft zuneh­mend ablehnt, was ihre Gül­tig­keit in des Augen ihrer Autor_innen_ bestä­ti­gen mag, sie der Rea­li­tät aber ggf. umso unan­ge­mes­se­ner erschei­nen lässt.

Hier soll kein „zurück zu den älte­ren Theo­rien“ for­mu­liert wer­den; die „alten Zei­ten“ und ihre Umstän­de keh­ren nicht wie­der. Zwar wie­der­holt sich die Geschich­te manch­mal, aber wenn, dann tut sie das nicht direkt, son­dern unter jeweils neu­en oder ande­ren Umstän­den. Hier geht es um die Fra­ge, wie eine den heu­ti­gen Vor­gän­gen und Ent­wick­lun­gen ange­mes­se­ne Theo­rie aus­se­hen könnte.

Eine ers­te, ganz prag­ma­ti­sche Ant­wort könn­te lau­ten: Wenn es stimmt, dass die Spal­tung der Gesell­schaft zuge­nom­men hat, dann könn­te man sich dar­auf fokus­sie­ren, was uns zusam­men­hält. Unab­hän­gig von der Fra­ge, was uns (poli­tisch, welt­an­schau­lich) spal­tet, sind uns die­se Din­ge gemein: Wir kön­nen uns gemein­sam freu­en, wir kön­nen gemein­sam trau­rig sein, wir kön­nen gemein­sam essen und gemein­sam feiern.

Wir kön­nen Inter­es­sen haben, die wir — unab­hän­gig von Unter­schie­den — tei­len, bspw. die Gestal­tung der Zukunft des Ortes, der Regi­on oder des Lan­des, in dem wir gemein­sam leben. Betei­li­gung muss, wenn sie erfolg­reich sein soll, kon­kret sein. Was ist kon­kret genug? Sicher nicht das, was man in Ber­lin ver­han­delt, wenn es um Diver­si­tät, Inklu­si­on, Will­kom­mens­kul­tur, Heiz­ge­setz usw. geht. Kon­kret ist: Wie geht es mit unse­rem Ort wei­ter? Wann wird die Kita neu gebaut? Wie soll das neue Haus aus­se­hen, das die Gemein­de baut? Hat unse­re Feu­er­wehr genug Nach­wuchs? Wel­che Pro­jek­te sol­len in den kom­men­den Jah­ren Prio­ri­tät haben? Wo kommt ein Arzt für unse­re Gemein­de her? Wel­che Zukunfts­pro­jek­te sind für eine Mehr­heit zustim­mungs­fä­hig? Wie geht es mit den Steu­ern und der Ren­te wei­ter? Wo bekom­me ich als Unter­neh­mer Mit­ar­bei­ter her?

Man kann die gro­ßen Dis­kus­sio­nen her­un­ter­bre­chen. Die Fra­ge nach einem kon­kre­ten Arzt für das Dorf wird anders dis­ku­tiert als die Migra­ti­ons­fra­ge ins­ge­samt. Beleh­run­gen aus Ber­lin, man müs­se so und so den­ken oder dies oder jenes sei alter­na­tiv­los, oder die Bevöl­ke­rung in der Pro­vinz sei ohne­hin rechts usw., ver­stär­ken nur, was wir schon sehen — und ändern nichts am eigent­li­chen Pro­blem: Wenn es kon­kre­te Migran­ten gibt, die hier arbei­ten wol­len, haben die­se mehr büro­kra­ti­sche Pro­ble­me als alles ande­re. Ver­mut­lich zögert kein Land in Euro­pa die kon­kre­te Arbeits­auf­nah­me — und zwar von aus dem Aus­land kom­men­den Fach­kräf­ten wie Flücht­lin­gen glei­cher­ma­ßen — län­ger hin­aus als Deutsch­land. Und die­se Pro­ble­me haben kaum etwas mit einer etwa feh­len­den Will­kom­mens­kul­tur, son­dern schlicht mit einer über­bor­den­den Büro­kra­tie zu tun. Möge die gegen­wär­tig amtie­ren­de deut­sche Innen­mi­nis­te­rin bit­te ein­mal ein hal­bes Jahr als Wel­co­me Mana­ge­rin (= Per­so­nal­sach­be­ar­bei­te­rin für aus­län­di­sche Fach­kräf­te) in einer deut­schen Kli­nik oder als Migra­ti­ons­be­ra­te­rin für Flücht­lin­ge arbei­ten. Ihre Wor­te wären sicher weni­ger beleh­rend, und sie wür­de danach viel­leicht mehr an der Lösung tat­säch­li­cher Pro­ble­me arbei­ten als in allen mög­li­chen Ecken der Repu­blik ver­meint­li­che Faschis­ten zu entdecken.

Aber es ist sehr unwahr­schein­lich, dass die aktu­el­le Lage zu einem Umden­ken bei der gegen­wär­ti­gen Regie­rung führt.

Umso wich­ti­ger ist es, kon­kre­te Fra­gen zu dis­ku­tie­ren und kon­kre­ten Zusam­men­halt zu organisieren.

Natür­lich ist es schwer, tat­säch­lich ver­bin­den­de The­men zu fin­den. Wenn es einem Bür­ger­meis­ter etwa gelingt, ein gro­ßes, Zusam­men­halt schaf­fen­des (= oft unpo­li­ti­sches) The­ma zu eta­blie­ren, gewinnt er mehr, als wenn er bspw. das Rat­haus mit Regen­bo­gen­fah­nen aus­staf­fiert und die Bevöl­ke­rung bei Face­book über Tole­ranz belehrt.

Neben dem Fokus auf mög­lichst „mensch­lich ver­bin­den­de“ The­men wie gemein­sa­me Freu­de oder Trau­er, gemein­sa­mes Essen oder gemein­sam ver­folg­te Inter­es­sen (für den Ort oder bspw. auch für die Feu­er­wehr oder die Jugend­ar­beit vor Ort; wel­che Fra­ge ist bspw. in vie­len Lagen Ost­deutsch­lands wich­ti­ger als die nach den Inter­es­sen der­je­ni­gen, die in 30 Jah­ren hier leben wer­den?), kann man in Bezug auf kon­kre­te Gesprächs­si­tua­tio­nen aus den obi­gen Dar­stel­lun­gen ablei­ten, dass es weni­ger hilf­reich ist, die eige­ne Posi­ti­on zu recht­fer­ti­gen oder durch Gegen­kri­tik zu ver­tei­di­gen, als viel­mehr eine sou­ve­rä­ne, fra­gen­de Posi­ti­on ein­zu­neh­men: Was mei­nen Sie genau? Was ist Ihr Inter­es­se? Was möch­ten Sie? Wenn Ihre Zie­le erfüllt wären, wie wür­de die Sache dann aus­se­hen? Oder: Sie haben vor­hin mei­ne Belan­ge und Zie­le gehört — was hal­ten Sie davon? Sehen Sie ggf. Schnitt­men­gen? Was ist Ihnen beson­ders wich­tig und ggf. weni­ger wich­tig? Wel­che Optio­nen sehen Sie? Was wür­de pas­sie­ren, wenn kei­ne Lösung gefun­den wür­de? Was wären für Sie Alter­na­ti­ven? Von wel­chen Annah­men gehen Sie aus?

Das sind sicher vie­le Fra­gen, und nicht alle Fra­gen sind für jede Situa­ti­on geeig­net, aber die Hal­tung (Inter­es­se, Sou­ve­rä­ni­tät) ist wich­ti­ger als die eigent­li­che Gesprächs- oder Fra­ge­tech­nik. Es geht um jene „mitt­le­re Posi­ti­on“ auf Augen­hö­he und eben nicht dar­um, sich zu recht­fer­ti­gen oder ver­mit­tels Gegen­kri­tik anzu­grei­fen oder mit ver­meint­lich „bes­se­rem Wis­sen“ zu belehren.

Die soeben beschrie­be­ne „mitt­le­re Posi­ti­on“ ist aber wahr­schein­lich auch eine Idealvorstellung.

Der wahr­schein­li­che­re Ver­lauf ist näm­lich jene wei­ter oben beschrie­be­ne Dyna­mik aus ent­we­der (a) Aus­sa­ge und Recht­fer­ti­gung, wobei die Aus­sa­ge eben als Kri­tik ver­stan­den wird und man sich recht­fer­tigt, oder (b) Aus­sa­ge und Gegen­kri­tik, wobei die Gegen­kri­tik eben als Grund ver­stan­den wird, wie­der­um selbst Kri­tik zu üben.

Die Fol­ge bei­der Vari­an­ten ist Eskalation.

Eine Eska­la­ti­on führt in einen Teu­fels­kreis aus gegen­sei­ti­gen Anschul­di­gun­gen, und es ist not­wen­dig, dass eine Sei­te aus dem Teu­fels­kreis aus­steigt — durch eben jene Souveränität.

Inso­fern haben wir noch nichts beschrie­ben, was man nicht hät­te mit den älte­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­del­len abbil­den kön­nen. Nur sinkt eben die Wahr­schein­lich­keit, dass jemand aus dem Teu­fels­kreis aus­steigt. Wir wis­sen eigent­lich, wie es geht: Wir könn­ten — tat­säch­lich pro­ak­tiv — Inter­es­se zei­gen und ver­su­chen, uns von unse­ren eige­nen Annah­men über ande­re und unse­ren eige­nen „Vor­ver­ur­tei­lun­gen“ zu distan­zie­ren; wir könn­ten auch nach „gemein­sam ver­bin­den­den, kon­kre­ten The­men“ suchen; wir könn­ten eine weder recht­fer­ti­gen­de noch angrei­fen­de, viel­mehr „sou­ve­rä­ne­re“ Hal­tung ein­zu­neh­men usw.

Alles das ist nicht wirk­lich „neu“. Man kann es bereits aus den älte­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­del­len ablei­ten, und man fin­det es — kon­kre­ter und den heu­ti­gen The­men eher ent­spre­chend — etwa in den jün­ge­ren Tex­te von Bre­né Brown oder in den letz­ten Büchern von Edgar Schein.

Aber: Wir könn­ten, jedoch sinkt die Wahr­schein­lich­keit, dass wir es tun. Und genau hier liegt die Ursa­che, die letzt­lich zu der am Anfang die­ses Tex­tes gestell­ten Fra­ge geführt hat. Wir tun vie­le Din­ge nicht mehr, weil wir genau das kön­nen, also nicht mehr nur, weil wir die­se Din­ge nicht mehr tun müs­sen, son­dern weil wir sie unter­las­sen kön­nen. Wir haben uns zu allem Mög­li­chen befreit, auch dazu, unse­re indi­vi­du­el­len Belan­ge über das Gemein­sa­me zu stel­len. Und die Älte­ren haben das ihren Kin­dern mit guter Absicht beigebracht.

Nun befin­den wir uns auf der Kehr­sei­te des Beab­sich­tig­ten: Wäh­rend die älte­ren Theo­rien „eman­zi­pa­to­risch“ waren und tat­säch­lich zu einer gewis­sen Befrei­ung geführt haben, sind man­che der jün­ge­ren Vor­stel­lun­gen „offen nor­ma­tiv“, was, wie deut­lich gewor­den sein soll­te, eben nicht nur zu der gewünsch­ten Wir­kung, son­dern bei einem Teil der Men­schen zu einer Abkehr (Reak­tanz) geführt hat.

Natür­lich könn­te man nun schluss­fol­gern, dass acht­zig Jah­re Frie­den irgend­wie zu viel waren und es sich zwangs­läu­fig zuspitzt. Dann wäre es mit dem Reden einst­wei­len vor­bei. Dann zei­gen die kom­men­den Wah­len, wie es steht. Und dann steht einst­wei­len nicht zu erwar­ten, dass sich an der Dyna­mik irgend etwas ändert.

Die hier beschrie­be­ne „drit­te Posi­ti­on“ wür­de einen Aus­weg bie­ten, einen ande­ren Ansatz, eine Theo­rie für pola­ri­sier­te Zustän­de oder Zei­ten. Die Fra­ge ist nur, wie wahr­schein­lich es ist, dass die­se sou­ve­rä­ne­re, nach Gemein­sam­kei­ten suchen­de Hal­tung auch Anwen­dung fin­den würde.

Die Hoff­nung stirbt bekannt­lich zuletzt — aber sie stirbt, sagen die Pes­si­mis­ten. Und sie mei­nen, damit nur die rea­lis­ti­sche­re Posi­ti­on einzunehmen.

Alter­na­tiv wäre es eine inter­es­san­te Fra­ge, ob es über die von mir dar­ge­stell­ten Theo­rie­ele­men­te „Vor­ur­teils­ar­mut“, „gemein­sa­me The­men“ und „sou­ve­rä­ne Position/Interesse/Fragetechnik“ noch ande­re Ansät­ze für die aktu­el­le Lage gäbe, auf die ich hier noch nicht gekom­men bin. Gibt es tat­säch­lich ande­re oder neue Ideen?

Jörg Hei­dig

PS: Das Bei­trags­bild wur­de mit Hil­fe künst­li­cher Intel­li­genz generiert.

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt als Dozent tätig und hatte viele Jahre Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Hochschulen, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.