Die innere Zerreißprobe

Was macht eine gute Füh­rungs­kraft aus? Die Fähig­keit, aus Gefüh­len Gedan­ken wer­den zu las­sen und die eige­ne Hand­lungs­un­si­cher­heit zu ertra­gen (Wil­fred Bion). Anders aus­ge­drückt: die Fähig­keit, sich ohne Affek­te zu sich selbst zu ver­hal­ten (was in etwa der Defi­ni­ti­on von Ver­nunft nach G. H. Mead entspricht).

Anders­her­um gefragt: Was macht eine schlech­te Füh­rungs­kraft aus? Wenn die oder der Betref­fen­de zu sehr ihren Gefüh­len folgt, Situa­tio­nen unmit­tel­bar bewer­tet und aus die­sen Bewer­tun­gen her­aus handelt.

Das ergibt ein Spek­trum zwi­schen auto­ma­ti­sier­ten (affekt­ge­steu­er­ten, aus Bewer­tun­gen unmit­tel­bar resul­tie­ren­den, reak­ti­ven) Hand­lun­gen und affekt­ar­men, gleich­sam reflek­tier­ten Hand­lun­gen. Eine beson­ders häu­fig auf­tre­ten­de und dabei Kon­flik­te kon­ser­vie­ren­de Vari­an­te des affekt­ge­steu­er­ten Mus­ters ist ein Phä­no­men, das ich „inne­re Distan­zie­rung“ nen­nen möch­te. Eine Per­son, die so ihre Hand­lun­gen steu­ert, ver­or­tet das „Heft des Han­delns“ nicht bei sich selbst, son­dern bei der ihr vor­ge­setz­ten Per­son. Nach außen signa­li­siert die Per­son (vor­geb­lich) Loya­li­tät, inner­lich aber lehnt die betref­fen­de Per­son die ihr vor­ge­setz­te Per­son ab, bewer­tet sie oder ihn, unter­stellt Unfä­hig­keit o. ä. Dies führt zu einem inne­ren Kon­flikt, der die betref­fen­de Per­son letzt­lich hemmt, gar blo­ckiert und nicht sel­ten „inner­lich zerreißt“.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.