Managementprinzipien
Die ersten systematischen Organisationsansätze haben versucht, Managementrichtlinien zu entwickeln. Die Methoden dafür waren bestechend einfach und kommen wohl deshalb auch heute noch zur Anwendung – man suche nach Beispielen „guter“ oder „bester“ praktischer Umsetzung, analysiere deren Funktionsweise und fasse die Ergebnisse zu einem Leitfaden zusammen. Die Attraktivität der Anwendung solcher Leitfäden liegt in ihrem Potential, die Komplexität einer Ausgangslage für den Praktiker überschaubar zu machen. Doch Organisationsprinzipien sind nicht allgemeingültig, sondern gelten immer nur unter bestimmten Bedingungen, bspw. für einen bestimmten Typen von Organisationsstruktur in einer bestimmten Branche. Die hinter den Prinzipien verborgenen Werte und Annahmen über die Natur des Menschen bewirken außerdem, dass die Prinzipien zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden – hält man eine starke Hierarchie und einen hohen Standardisierungsgrad für vorteilhaft, so werden sich diese Prinzipien in der Regel auch positiv auswirken.
Eine der bekanntesten Darstellungen solcher Managementprinzipien stammt von Fayol (1916):
„(1) Arbeitsteilung, (2) Autorität, (3) Disziplin, (4) Einheit der Auftragserteilung, (5) Einheit der Leitung, (6) Unterordnung des Einzelinteresses unter das Gesamtinteresse, (7) gerechte Entlohnung, (8) Zentralisation, (9) hierarchische Organisation, (10) Ordnung, (11) ausgleichende Gerechtigkeit, (12) Firmentreue der Mitarbeiter, (13) Initiative, (14) Gemeinschaftsgeist“ (zitiert nach Kieser 2006, S. 98).
Scientific Management
Eine deutliche Steigerung der Popularität der Managementlehre bewirkte Taylor, der die vermeintlich universellen Organisationsprinzipien durch eine Methode ersetzte, die er an den Prozeduren wissenschaftlicher Experimente anlehnte. Die wesentlichen Schritte der Methode der wissenschaftlichen Betriebsführung bestanden darin, den Arbeitsprozess so genau wie möglich zu beobachten, die Beobachtungen zu protokollieren und dann durch die Variation einzelner Merkmale und neuerliche Beobachtung zur optimalen Gestalt des Arbeitsprozesses zu gelangen. An die Stelle allgemeiner Prinzipien trat so ein Plan, von einer gegebenen Ausgangssituation zu einem bestimmten Ziel zu gelangen. Diese Sichtweise auf Arbeitsabläufe und ihre Optimierbarkeit wirkt bis heute nach. (Vgl. Kieser 2006, S. 104ff.; Nerdinger et al. 2008, S. 52ff.)
Psychotechnik
Taylors Ansatz des Scientific Management, der zunächst nur auf die Optimierung von Arbeitsprozessen ausgerichtet war, führte auch zur Entwicklung ähnlicher Vorgehensweisen bei der Analyse des Menschen als Betriebsfaktor. Der „psychotechnische Ansatz“ konzentrierte sich auf die Erforschung von personenbezogenen Faktoren wie Geschicklichkeit, Belastbarkeit oder Lernfähigkeit, mit dem Ziel, diese bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen und insbesondere bei der Personalauswahl zu berücksichtigen. Die heute populären Assessment Center sind „Nachfahren“ dieses Ansatzes. (Vgl. Kieser, 2006, S. 139ff.)
„Die Psychotechniker waren außerordentlich erfindungsreich, um die menschliche Arbeitskraft mittels geeigneter Apparate zu vermessen. Untersucht wurden Sinnestüchtigkeit, Gedächtnis- und Intelligenzleistungen, Willensstärke, Aufmerksamkeit, Emotionalität und Arbeitseinstellung. Häufig waren die Prüfapparate Nachbildungen einzelner oder mehrerer Komponenten des Arbeitsfeldes, für das getestet wurde. Wer sich bspw. um den Posten eines Chauffeurs bewarb, musste mit einem Metallstift möglichst schnell einen mit Nägeln abgesteckten Parcour auf einem Brett ‚abfahren‘. Bei jeder Berührung des Stifts mit einem Nageln wurde mittels eines elektrischen Kontakts ein Piepton ausgelöst, der aufgezeichnet wurde. Man musste die Strecke auf dem Brett möglichst schnell und mit möglichst wenigen Karambolagen bewältigen. Bewerber für die Feuerwehr in Dresden wurden durch einen sogenannten ‚Handzitterschreiber‘ (‚Tremograph‘) oder mit Hilfe der sogenannten ‚Wassergefäßprobe‘ getestet, bei der der Bewerber ein Wassergefäß halten musste; die Menge des nach einem unerwarteten Schrecksignal verschütteten Wassers wurde als objektives Maß für die Schreckhaftigkeit genommen (…). Vielleicht finden wir in einigen Jahren Assessment-Center genauso komisch!“ (Kieser, 2006, S. 141)
Die wissenschaftliche Betriebsführung entfaltete nicht nur positive Wirkungen im Bereich der Optimierung von Arbeitsprozessen, sondern hatte auch einige negative Folgen, indem sie eine zunehmende Sinnentleerung der Arbeit bewirkte und damit zur Entfremdung von Mensch und Arbeit beitrug. Im Zuge einer später unter der Bezeichnung „Hawthorne-Studien“ berühmt gewordenen und ursprünglich rein tayloristisch angelegten Reihe von Experimenten fand man denn auch Belege für die Kritik an den tayloristischen Prinzipien. Man versuchte, die Einflüsse externer Faktoren (bspw. Beleuchtungsstärke) auf die Arbeitsleistung zu messen, konnte aber keine systematischen Zusammenhänge zwischen Beleuchtungsstärke und Arbeitsleistung finden, was zu der Vermutung führte, dass außer den äußeren Arbeitsbedingungen noch weitere Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Steigerung oder Verringerung der Arbeitsleistung hatten.
Der „Verdacht wurde erhärtet, als sie in einer Arbeitsgruppe das Licht bis auf Mondscheinstärke reduzierten und die Arbeiterinnen immer noch eifriger als vor dem Experiment arbeiteten, sogar noch Wohlbefinden äußerten. Schummrige Beleuchtung würde sie weniger ermüden als helle, fanden sie (…). In einer anderen Versuchsgruppe kündigten die Versuchsleiter an, die Lichtstärke würde allmählich gesteigert, tatsächlich schraubten die Techniker jedoch unter den Augen der Arbeiterinnen in gewissen Zeitabständen nur Glühbirnen gleicher Lichtstärke ein. Die Arbeiterinnen waren jedoch überzeugt, dass es immer heller wurde, gaben zu Protokoll, immer besser arbeiten zu können, und leisteten auch mehr. Daraufhin gaben die Versuchsleiter kund, nun würden sie die Beleuchtungsstärke wieder schrittweise reduzieren, ließen die Techniker aber wiederum nur identische Glühbirnen einsetzen. Die Arbeiterinnen sahen es dunkler werden, fanden ihre Arbeit beschwerlicher und leisteten weniger.“ (Kieser 2006, S. 141f.)
Human Relations
Man führte die Ergebnisse darauf zurück, dass den an der Untersuchung beteiligten Arbeitern zum ersten Mal Respekt und Interesse entgegengebracht worden war, was im Gegensatz zur sonst üblichen Behandlung stand, und „entdeckte“ damit gleichsam die Bedeutsamkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen bei der Arbeit. Daher stammt auch die Bezeichnung „Human-Relations-Ansatz“. Seither bilden die Arbeitszufriedenheit und die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen eigene Kategorien der Arbeitsgestaltung.
Ergänzend sei angemerkt, dass es sich bei den Ergebnissen der Hawthorne-Studien durchaus um methodische Artefakte gehandelt haben könnte, deren Schlussfolgerungen man seinerzeit gerne glaubte, und für die erst in neuerer Zeit stichhaltigere wissenschaftliche Belege gefunden werden konnten:
„So arbeiteten die Testpersonen unter privilegierten Bedingungen, erhielten bessere Löhne, in einem Fall wurden zwei widerspenstige Frauen durch ‚kooperationswillige‘ Versuchspersonen ersetzt, die Arbeiter erhielten regelmäßiges Leistungsfeedback und wurden teilweise sogar gezielt aufgefordert, so schnell wie möglich zu arbeiten. Der Hawthorne-Effekt ist also eher ein Mythos, der aufgrund der zeitbedingten ideologischen Bedingungen gerne geglaubt wurde. Obwohl die Untersuchungen den modernen methodischen Standards nicht standhalten, hat sich aber im Laufe der Forschung herausgestellt, dass die daraus entwickelten Annahmen nicht völlig falsch sind. So zeigen z. B. neuere Metaanalysen, dass ein mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten – wie von der Human-Relations-Bewegung postuliert – sehr wohl positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit und die Leistung der Mitarbeiter hat (…).“ (Nerdinger et al. 2008, S. 56)
Sozio-technischer Ansatz
Nachdem der Taylorismus insbesondere die Optimierung von Arbeitsabläufen im Fokus hatte und der Human-Relations-Ansatz gleichsam als Gegenreaktion die Bedeutung der menschlichen Faktoren in den Vordergrund stellte, entwickelte sich mit dem sozio-technischen Ansatz nun eine Perspektive, die versuchte, den technischen und den sozialen Blickwinkel zu integrieren und Organisationen umfassend zu betrachten. Organisationen werden als Systeme aufgefasst, die sowohl technische und soziale Elemente als auch Beziehungen zwischen diesen Elementen in Gestalt der Arbeitsrollen von Mitarbeitern aufweisen. Optimierungen sind aus dieser Perspektive nur möglich, wenn technische, soziale und rollenbezogene Facetten integriert betrachtet und bearbeitet werden. Damit trat die Komplexität von Organisationen in den Vordergrund, und es wurde deutlich, dass top-down-orientierte Management-Modelle nicht immer die richtige Antwort auf Systemschwankungen geben konnten. Man suchte die Steuerungsschwächen der Hierarchie durch die Delegation von Verantwortung zu kompensieren. Das Konzept selbstregulierender Organisationseinheiten – bspw. in Gestalt teilautonomer Arbeitsgruppen – erfreut sich seither großer Popularität.
Man geht jedoch fehl in der Annahme, die Korrektur von Hierarchiedefiziten durch die partielle Verlagerung von Entscheidungsspielräumen „nach unten“ sei eine Erfindung der Arbeitswissenschaften. Bereits im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert hatte sich im deutschen Militär die heute unter dem Begriff der „Auftragstaktik“ bekannte Form von Befehlen entwickelt, die letztlich nichts anderes bedeutet, als dem unmittelbar einsatzverantwortlichen Offizier so viel Entscheidungsspielraum einzuräumen, damit dieser auf sich schnell ändernde Situationen adäquat reagieren kann.
Selbstregulierende Organisationseinheiten sind also schneller und besser in der Lage, auf äußere Situationsveränderungen oder auch interne Schwankungen zu reagieren als zentral gesteuerte Einheiten. Damit selbstregulierende Einheiten funktionieren und zur Optimierung der Arbeitsorganisation beitragen können, sind drei Faktoren notwendig:
- ein gewisser Grad an organisatorischer und, soweit das notwendig ist, auch technischer Unabhängigkeit
- möglichst „vollständige“ Aufgaben (Vollständige Aufgaben umfassen möglichst alle Phasen der Bearbeitung einer Aufgabe von der Planung über die Entscheidung und Umsetzung bis zur Ergebniskontrolle.)
- Verantwortung und entsprechende Handlungsspielräume an den entscheidenden Stellen (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 413)
Der Ursprung der Entwicklung der soziotechnischen Systemtheorie liegt in den Forschungen des Londoner Tavistock Institute of Human Relations im englischen Kohlebergbau. Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Frage nach den Wirkungen unterschiedlicher Formen der Arbeitsorganisation auf Größen wie Arbeitsleistung, Unfallhäufigkeit, Fluktuation, Fehlzeiten oder Arbeitsmotivation. Man verglich Daten bezüglich zweier verschiedener Formen der Arbeitsorganisation. Zum Einen untersuchte man eine herkömmliche Variante der Arbeitsorganisation, in denen die Arbeiter in festen Gruppen blieben und die anfallende Arbeit unter sich selbst aufteilten, und der Schichtwechsel als Übergabe zwischen diesen festen Gruppen stattfand. Auch die Belohnungen erfolgten gruppenbezogen. Zum Anderen erhob man Daten bezüglich einer damals neuen Variante mit individuell festgelegter Arbeitsteilung und Aufsicht durch einen Vorgesetzten. Die bisherigen kleinen und weitgehend selbstregulierten Arbeitsgruppen wichen einem System, in dem die Arbeitsteilung weitgehend zwischen aufeinanderfolgenden Schichten stattfand. Koordiniert wurde nicht mehr selbst, sondern durch aufsichtführende Vorgesetzte. Die Untersuchungen zeigten eindrücklich, dass die problematische Arbeitsmoral nicht direkt auf die neuen Produktionsmethoden, sondern vor allem auf die dadurch entstandenen Veränderungen im sozialen Gefüge zurückzuführen war. Während sich ein Arbeiter in der herkömmlichen Strukturierung für die Tätigkeiten seiner Kollegen mitverantwortlich fühlte, tat ein Arbeiter in der neuen Struktur dies nur für seinen ihm unmittelbar zugeteilten Arbeitsbereich. (Vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 162f.; Wimmer 2003, S. 12ff.)
Organisationsentwicklung und Lernende Organisationen
Die beiden weiteren wesentlichen Organisationsansätze, die der sozio-technischen Systemtheorie folgten, nämlich Organisationsentwicklung und Lernende Organisationen, werden in gesonderten Texten auf diesem Blog dargestellt. Siehe dazu bitte die Beitragsliste zur Vorlesung.