Gibt es so etwas wie eine ideale Bürogröße?

In der 2020er Wel­le unse­rer seit 2016 aller zwei Jah­re durch­ge­führ­ten und für Mit­tel­deutsch­land reprä­sen­ta­ti­ven Mit­ar­bei­ter-Befra­gung (allein in 2020 über 3200 befrag­te Per­so­nen) haben wir die mit­tel­deut­schen Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer unter ande­rem nach der Zufrie­den­heit mit ihrer Arbeits­um­ge­bung gefragt. Aus den Ant­wor­ten las­sen sich inter­es­san­te Schluss­fol­ge­run­gen hin­sicht­lich einer „idea­len Büro­grö­ße“ ziehen:

  1. Es macht kaum einen Unter­schied, ob jemand in einem Ein­zel­bü­ro oder einem Raum mit 2–3 Arbeits­plät­zen tätig ist.
  2. Dage­gen ergibt sich hin­sicht­lich vie­ler Merk­ma­le ein deut­li­cher Unter­schied zwi­schen sehr klei­nen Büros und grö­ße­ren Büro­räu­men mit vier oder mehr Arbeitsplätzen.
  3. Betrach­tet man wie­der­um unse­re Ergeb­nis­se zu den grö­ße­ren Büros etwas genau­er, zei­gen sich eini­ge über­ra­schen­de Effek­te. So scheint sich eine Büro­grö­ße mit 7–10 Arbeits­plät­zen als Arbeits­um­ge­bung deut­lich posi­ti­ver aus­zu­wir­ken als eine Büro­grö­ße mit 4–6 Plät­zen oder eine mit 11 oder mehr Personen.

Die Ergeb­nis­se im Einzelnen:

Zufrie­den­heit mit der Arbeitsumgebung

Es gibt, was die Zufrie­den­heit mit der Arbeits­um­ge­bung betrifft, kei­ne nen­nens­wer­ten Unter­schie­de zwi­schen Ein­zel­bü­ros und Büros mit 2–3 Arbeits­plät­zen. Ist das Büro grö­ßer, ist der Anteil der Zufrie­de­nen ins­ge­samt etwas geringer.

Zufrie­den­heit mit der Arbeits­um­ge­bung nach Bürogröße:

  • Ein­zel­bü­ro: 68 Prozent
  • Büro mit 2–3 Arbeits­plät­zen: 66 Prozent
  • Büro mit 4–6 Arbeits­plät­zen: 54 Prozent
  • Büro mit 7–10 Arbeits­plät­zen: 60 Prozent
  • Büro mit 11 oder mehr Arbeits­plät­zen: 57 Prozent

Wech­sel­wil­lig­keit

Ähn­li­che Effek­te las­sen sich mit Blick auf die Wech­sel­wil­lig­keit fest­stel­len. Wäh­rend es kaum einen Unter­schied macht, ob jemand in einem Ein­zel­bü­ro oder einem Raum mit 2–3 Arbeits­plät­zen tätig ist, hat der Umstand, in einem grö­ße­ren Büro­raum zu arbei­ten, einen Ein­fluss auf die Moti­va­ti­on, den Arbeit­ge­ber zu wech­seln. Der Anteil der Wech­sel­wil­li­gen liegt in Ein­zel- oder sehr klei­nen Büros bei etwa 25 Pro­zent und damit im mit­tel­deut­schen Durch­schnitt. In den grö­ße­ren Büro­for­men liegt der Anteil der Wech­sel­wil­li­gen zwi­schen 35 Pro­zent (7–10 Arbeits­plät­ze) und fast 40 Pro­zent (4–6 Arbeitsplätze).

Anteil der Kritiker

Wir haben in unse­rer Unter­su­chung gefragt, wer sei­nen Arbeit­ge­ber im Bekann­ten- und Freun­des­kreis wei­ter­emp­fiehlt. Über alle Bran­chen hin­weg betrach­tet, liegt der Anteil der Emp­feh­len­den bei rund 20 Pro­zent. Rund 50 Pro­zent sind dem eige­nen Arbeit­ge­ber gegen­über kri­tisch ein­ge­stellt, was bedeu­tet, dass die­ser Per­so­nen­kreis den Arbeit­ge­ber nicht wei­ter­emp­fiehlt, son­dern sich im Gegen­teil im eige­nen Bekann­ten- und Freun­des­kreis kri­tisch bzw. nega­tiv über den Arbeit­ge­ber äußert. Betrach­ten wir den Anteil der Kri­ti­ker nach Büro­grö­ße, so zeigt sich, dass es Büro­grö­ßen gibt, in denen der Kri­ti­ker­an­teil unter­durch­schnitt­lich ist (7–10 Arbeits­plät­ze: 40 Pro­zent; Ein­zel­bü­ro: 45 Pro­zent) und dass es eine Büro­grö­ße gibt, in denen der Kri­ti­ker­an­teil über dem Durch­schnitt liegt (4–6 Arbeits­plät­ze: 56 Prozent).

Zufrie­den­heit mit der abtei­lungs­in­ter­nen Zusammenarbeit

Die­je­ni­gen abhän­gig Beschäf­tig­ten, die in einem Büro mit 11 oder mehr Arbeits­plät­zen tätig sind, sind unzu­frie­de­ner mit der abtei­lungs­in­ter­nen Zusam­men­ar­beit als jene Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer, die in klei­ne­ren Büros arbei­ten. Wäh­rend nur 56 Pro­zent der­je­ni­gen, die in einem gro­ßen Büro mit 11 oder mehr Plät­zen arbei­ten, mit der abtei­lungs­in­ter­nen Zusam­men­ar­beit zufrie­den sind, liegt der Anteil der Zufrie­de­nen in den klei­ne­ren Büros zwi­schen 64 und 68 Prozent.

Zufrie­den­heit mit der abtei­lungs­über­grei­fen­den Zusammenarbeit

Über­ra­schen­der­wei­se liegt der Anteil der­je­ni­gen, die mit der abtei­lungs­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit zufrie­den sind, bei den­je­ni­gen Per­so­nen, die in einem Büro mit 7–10 Arbeits­plät­zen tätig sind, mit 48 Pro­zent ähn­lich hoch wie bei den­je­ni­gen, die in Ein­zel­bü­ros (50 Pro­zent) oder klei­nen Büro­räu­men mit 2–3 Plät­zen (eben­falls 48 Pro­zent) arbei­ten. Deut­lich gerin­ger ist der Anteil der mit der abtei­lungs­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit Zufrie­de­nen in Büros mit 4–6 Arbeits­plät­zen (40 Pro­zent) bzw. in Büros mit 11 oder mehr Arbeits­plät­zen (36 Prozent).

Zufrie­den­heit mit der Arbeitsbelastung

Ein ganz ähn­li­cher, eben­falls über­ra­schen­der Zusam­men­hang lässt sich hin­sicht­lich der Zufrie­den­heit mit der Arbeits­be­las­tung beob­ach­ten. Der höchs­te Anteil der mit ihrer Belas­tung Zufrie­de­nen fin­det sich mit 60 Pro­zent der Beschäf­tig­ten, die in der Büro­grö­ße mit 7–10 Arbeits­plät­zen tätig sind, gefolgt von den­je­ni­gen in Ein­zel­bü­ros (57 Pro­zent) und in Büro­räu­men mit 2–3 Arbeits­plät­zen (56 Pro­zent). Mit eini­gem Abstand fol­gen die­je­ni­gen in Büros mit 4–6 Plät­zen (50 Pro­zent), und das Schluss­licht bil­den die­je­ni­gen, die in Büros mit 11 oder mehr Arbeits­plät­zen tätig sind (42 Prozent).

Unter­schied­li­che Ein­schät­zun­gen der Effi­zi­enz des Unter­neh­mens in Abhän­gig­keit von der Bürogröße

Ein ein­drucks­vol­ler Beleg der für uns über­ra­schen­den Beson­der­heit der Büro­grö­ße mit 7–10 Arbeits­plät­zen fin­det sich hin­sicht­lich der Ein­schät­zung der Effi­zi­enz des Unter­neh­mens. 58 Pro­zent der­je­ni­gen, die in die­ser Büro­grö­ße tätig sind, mei­nen, dass ihr Unter­neh­men effi­zi­ent arbei­tet, wäh­rend in allen ande­ren Büro­grö­ßen dies nur 45 Pro­zent (11 und mehr Plät­ze) oder weni­ger (Ein­zel­bü­ros: 42 Pro­zent; 2–3 Arbeits­plät­ze: 41 Pro­zent; 4–6 Plät­ze: 40 Pro­zent) tun.

Meetinghäufigkeit/Interaktionsdichte und Bürogröße

Zudem scheint die Inter­ak­ti­ons­dich­te in Büros mit 7–10 Plät­zen am höchs­ten zu sein. Die­je­ni­gen, die in die­ser Büro­grö­ße arbei­ten, geben an, an durch­schnitt­lich 2,5 Mee­tings pro Woche teil­zu­neh­men. Die durch­schnitt­li­che Mee­ting-Fre­quenz pro Woche liegt in allen ande­ren Büro­grö­ßen darunter.

Meetinghäufigkeit/Interaktionsdichte und Bürogröße:

  • 7–10 Arbeits­plät­ze: 2,5 Mee­tings pro Woche
  • Ein­zel­bü­ro: 2,2 Mee­tings pro Woche
  • 11 und mehr Arbeits­plät­ze: 2,2 Mee­tings pro Woche
  • 2–3 Arbeits­plät­ze: 1,9 Mee­tings pro Woche
  • 4–6 Arbeits­plät­ze: 1,8 Mee­tings pro Woche

Ein­schät­zung der Attrak­ti­vi­tät des Unternehmens

Noch ein­mal über­rascht haben uns die Beschäf­tig­ten, die in Büros mit 7–10 Plät­zen arbei­ten, hin­sicht­lich ihrer Ein­schät­zung der Attrak­ti­vi­tät ihres Arbeit­ge­bers. Der Anteil der­je­ni­gen, die ihr Unter­neh­men für attrak­tiv hal­ten, liegt in die­ser Büro­grö­ße mit 43 Pro­zent am höchs­ten — knapp vor den­je­ni­gen, die in Ein­zel­bü­ros arbei­ten (42 Pro­zent). Der Anteil unter den­je­ni­gen, die in den ande­ren Büro­grö­ßen arbei­ten, liegt mit etwas Abstand dar­un­ter (11 und mehr Plät­ze und 2–3 Plät­ze: jeweils 37 Pro­zent; 4–6 Plät­ze: 35 Prozent).

Das Ein­zel­bü­ro bleibt die ins­ge­samt bes­te Opti­on, die sich jedoch bezüg­lich vie­ler Merk­ma­le kaum von der Büro­grö­ße mit 2–3 Plät­zen unter­schei­det. Sind hin­ge­gen Büros mit mehr Plät­zen not­wen­dig, dann spricht viel für Büros mit 7–10 Arbeits­plät­zen und weni­ger für Büros mit 11 oder mehr Arbeits­plät­zen. Die ins­ge­samt ungüns­tigs­ten Bedin­gun­gen lie­fert eine Büro­grö­ße mit 4–6 Arbeitsplätzen.

Jörg Hei­dig

PS: Die­ser Bei­trag gehört zu einer Serie über die Ergeb­nis­se unse­rer für Sach­sen, Sach­sen-Anhalt und Thü­rin­gen reprä­sen­ta­ti­ven Stu­die zum The­ma Mit­ar­bei­ter­bin­dung und Arbeit­ge­ber­at­trak­ti­vi­tät. Lesen Sie dazu auch die fol­gen­den Beiträge:

 

 

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.