Bereits in früheren Lausitz-Monitor-Erhebungen wurde deutlich, dass die jüngeren Lausitzerinnen in der Altersgruppe zwischen 16 und 39 Jahren sowohl ihr eigenes Leben als auch die Region insgesamt anders sehen — und zwar nicht nur im Vergleich zu den Männern der gleichen Altersgruppe, sondern an einigen Stellen auch im Vergleich zu allen anderen Bevölkerungsgruppen. Der folgende Text stellt einige dieser Unterschiede anhand der 2023er Lausitz-Monitor-Ergebnisse dar.
Deutliche Unterschiede zwischen jüngeren Frauen und Männern beim Blick auf die Region
Am deutlichsten wird die kritischere Sichtweise der Lausitzer Frauen unter 40 bei der Einschätzung der Eigenschaften der Lausitz. Beispielsweise meinen im gesamtlausitzer Durchschschnitt zwei von drei Personen (67 Prozent), dass die Lausitz eine attraktive Urlaubsregion sei. Unter den jüngeren Frauen sieht das nicht einmal jede zweite (44 Prozent) so.
Während immerhin 42 Prozent der Männer unter 40 Jahren meinen, dass es sich bei der Lausitz um einen attraktiven Unternehmensstandort handelt, stimmt dem nur jede fünfte Lausitzerin aus dieser Altersgruppe zu. Bei der Frage, ob es sich bei der Lausitz insgesamt um eine attraktive Region handelt, scheiden sich die Geister ähnlich deutlich: 75 Prozent der jüngeren Männer und 46 Prozent der Frauen unter 40 stimmen zu.
Wirklich ähnlich sind sich die Zustimmungsanteile unter den jüngeren Lausitzerinnen und Lausitzern nur bei der Einschätzung der Rolle der sorbischen Kultur: 49 Prozent der jüngeren Frauen und 53 Prozent der jüngeren Männer sehen in der sorbischen Kultur ein Alleinstellungsmerkmal für die Region.
Gebundenheit an die Region unter jüngeren Frauen am geringsten
Der Anteil derjenigen, die sich an ihre Region gebunden fühlen, ist unter den Lausitzerinnen unter 40 im Vergleich zu allen anderen Bevölkerungsgruppen am geringsten. Während sich im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung knapp 60 Prozent der Menschen in der Region zur Lausitz zugehörig fühlen, sind es bei den Frauen unter 40 Jahren nur etwas mehr als 40 Prozent. Zum Vergleich: Unter den Männern gleichen Alters sind es 55 Prozent.
Höhere Identifikation mit großen Städten, geringere Identifikation mit ländlichen Lagen
Wenn es um die Identifikation mit Regionalbegriffen und Ortsnamen geht, liegt der Anteil der Frauen bei eher „ländlichen“ Begriffen systematisch unter dem der Männer, während der Anteil bei den Namen großer Städte gleichauf liegt. So identifizieren sich gerade einmal 16 Prozent der jüngeren Frauen mit dem Begriff „Niederlausitz“. Unter den Männern der gleichen Altersgruppe sind es immerhin 40 Prozent. In Bezug auf den Begriff „Oberlausitz“ fühlen sich 37 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer unter 40 Jahren zugehörig. Bei Städten wie Dresden (38 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer) und Cottbus (27 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer) ist (a) der Anteil der sich zugehörig fühlenden Personen generell höher und ist (b) der Unterschied zwischen Männern und Frauen sehr gering.
Jüngere Frauen sehen die Lausitz kritischer im Hinblick auf die Attraktivität für bestimmte Fachkräftegruppen
Ähnliche Unterschiede wie bei der Identifikation bzw. Zugehörigkeit an die Region lassen sich im Hinblick auf die Einschätzung der Attraktivität der Lausitz für Fachkräfte feststellen. So meinen weniger als die Hälfte (44 Prozent) der Lausitzerinnen unter 40, dass die Lausitz attraktiv für weibliche Fachkräfte ist. Von den Lausitzer Männern unter 40 glauben etwas mehr als zwei Drittel (69 Prozent), dass die Lausitz für weibliche Fachkräfte attraktiv ist. Ein ähnlicher Unterschied zeigt sich bei der Einschätzung für deutsche Fachkräfte aus anderen Regionen und für junge Fachkäfte allgemein. 40 Prozent der Lausitzerinnen unter 40 meinen, dass die Region für diese beiden Zielgruppen attraktiv sei. Bei den Männern der gleichen Altersgruppe sind es jeweils etwa zwei Drittel (68 Prozent in Bezug auf die Fachkräfte aus anderen Regionen und 64 Prozent in Bezug auf junge Fachkräfte).
Wegzugsbereitschaft
Betrachtet man die Lausitzer Bevölkerung insgesamt, bleibt die Wegzugsbereitschaft in der Lausitz über die Jahre hinweg gleich: 2021 gaben zehn Prozent der Lausitzerinnen und Lausitzer an, die Lausitz innerhalb der nächsten zwei Jahre verlassen zu wollen. 2022 und 2023 waren es jeweils 11 Prozent. Allerdings sind gerade in der für die Zukunft der Region sehr relevanten Altersgruppe unter 40 deutlich mehr Frauen (31 Prozent) als Männer (18 Prozent) abwanderungsbereit.
Im Vergleich zu Deutschland insgesamt zeigt sich hier ein Unterschied: Im gesamtdeutschen Vergleich sind deutlich mehr Männer (36 Prozent in der Altersgruppe U40) als Frauen (26 Prozent in der gleichen Altersgruppe) abwanderungsbereit. In der Lausitz ist das Verhältnis umgekehrt.
Wenn wir uns anschauen, wer unter den Abwanderungsbereiten zurückkehren möchte, so zeigt sich, dass Männer generell rückkehrbereiter sind als Frauen, und zwar in der Lausitz wie auch im gesamtdeutschen Schnitt, und dass die abwanderungsbereiten Lausitzerinnen mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit zurückkehren wollen als ihre Altersgenossinnen im gesamtdeutschen Schnitt, dieser Anteil aber trotzdem weit unter dem der rückkehrbereiten Männer bleibt.
Anlässe für die Rückkehr: Bei Frauen gibt eher die Liebe, bei Männern eher der Job den Ausschlag
In der Altersgruppe unter 40 zeigen sich Unterschiede bei den Gründen und Anlässen für eine Rückkehr – und zwar sowohl zwischen Männern und Frauen als auch im Vergleich zum Verhalten der Altersgruppe U40 im gesamtdeutschen Schnitt.
Während für Männer unter 40 Jahren eher der Job Anlass für eine Rückkehr ist (40 Prozent gegenüber 10 Prozent unter den jüngeren Frauen), gibt bei den jüngeren Frauen am häufigsten eine Partnerschaft und/oder Heirat den Ausschlag (33 Prozent der Fälle). Auf gesamtdeutscher Ebene gibt es neben der Partnerschaft für die jüngeren Frauen noch einen weiteren starken Anlass für eine Rückkehr, nämlich die Beendigung eines Studiums oder einer Ausbildung (40 Prozent der Fälle). In der Lausitz spielt dieser Anlass eine geringere Rolle (26 Prozent der Fälle).
Jüngere Frauen kritischer in der Einschätzung der Entwicklung über die vergangenen fünf Jahre
Auf den ersten Blick ist der Anteil der mit der Entwicklung der eigenen Lebenssituation zufriedenen Menschen unter den jüngeren Frauen (48 Prozent in 2023) ähnlich hoch wie unter den jüngeren Männern (52 Prozent in 2023). Allerdings ist hier der Trend über die letzten Jahre interessant.
Im Jahr 2021 waren mit 56 Prozent nur wenig mehr Lausitzer Männer als im Jahr 2023 der Meinung, dass ihr Leben in den letzten fünf Jahren besser geworden sei. Während der Anteil unter den jüngeren Männern damit seit 2021 mehr oder minder gleich geblieben ist, hat sich der Anteil unter den jüngeren Frauen deutlich verringert (67 Prozent in 2021 im Vergleich zu 48 Prozent in 2023).
Ein ähnlicher Abschwung lässt sich unter den 40 bis 59-Jährigen beobachten, hier allerdings ohne Geschlechterunterschied: 2021 waren noch 47 Prozent der Lausitzerinnen zwischen 40 und 59 und 43 Prozent der Lausitzer Männer dieser Altersgruppe der Meinung, dass sich ihre Lebenssituation in den vergangenen fünf Jahren verbessert habe. 2023 sagen das nur noch 29 Prozent der Frauen und 28 Prozent der Männer in dieser Altersgruppe von sich.
Anteil optimistischer Menschen unter jüngeren Frauen geringer als unter jüngeren Männern
Wir haben die Lausitzerinnen und Lausitzer auch nach ihrem Optimismus in Bezug auf das eigene Leben gefragt. Erwartungsgemäß ist der Anteil der Optimisten in der Altersgruppe unter 40 im Vergleich mit den beiden anderen Altersgruppen (40–59; 60+) am höchsten. Aber während der Anteil der in Bezug auf das eigene Leben optimistischen Menschen unter den Männern unter 40 im Jahr 2022 bei fast 80 Prozent lag und 2023 immer noch bei knapp drei Vierteln (74 Prozent) liegt, waren es bei den Frauen 2022 etwas mehr als 70 Prozent und sind es 2023 noch zwei Drittel.
Jüngere Frauen skeptischer bei der Bewertung des Strukturwandels und Zukunftspotentials von Technologien und Branchen
Der kritischere Blick der jüngeren Frauen in Richtung Zukunft zeigt sich auch in Bezug auf den Strukturwandel. So waren bspw. 2022 nur 29 Prozent der Lausitzerinnen unter 40 mit dem Strukturwandel zufrieden — gegenüber 53 Prozent der Männer der gleichen Altersgruppe. 2023 ist dieser Unterschied zwar etwas kleiner, aber immer noch deutlich ausgefallen (34 Prozent der Frauen gegenüber 45 Prozent der Männer unter 40 Jahren).
Bei der Einschätzung der Notwendigkeit des Strukturwandels allgemein gibt weniger das Geschlecht, sondern eher das Alter den Ausschlag: In der Altersgruppe 60 plus meinen drei Viertel der Lausitzerinnen und Lausitzer, dass ein tief greifender Strukturwandel notwendig ist. In der Altersgruppe U40 meint das nur die Hälfte. Umgekehrt sieht es bei der Frage aus, ob denn der Strukturwandel schon eingesetzt habe. Hier meinen etwas mehr als 40 Prozent der Jüngeren (U40), dass der Strukturwandel schon eingesetzt habe, während das in der Altersgruppe 60 plus nur etwa jede vierte Person so sieht.
Als Ziele des Strukturwandels nennt eine Mehrheit der jüngeren Frauen die Schaffung neuer Arbeitsplätze (65 Prozent; unter den Männern in dieser Altersgruppe: 45 Prozent) und die Verbesserung der sozialen Infrastruktur (62 Prozent; zum Vergleich: 45 Prozent der Männer gleichen Alters). Hinsichtlich des Ziels „Etablierung von Forschung und Innovation“ ist die Zustimmung mit knapp 20 Prozent unter den Lausitzerinnen unter 40 im Vergleich zu allen anderen Bevölkerungsgruppen am geringsten.
Auch bei der Einschätzung des Potentials von Branchen und Zukunftstechnologien sind die jüngeren Frauen insgesamt skeptischer. Die TOP 7 bei den jüngeren Männern — im Vergleich dazu jeweils in Klammern der Anteil der zustimmenden Frauen der Altersgruppe unter 40 Jahren:
Regenerative Energien: 54 Prozent (16 Prozent)
Schienenfahrzeuge: 48 Prozent (12 Prozent)
Recyclingwirtschaft: 45 Prozent (23 Prozent, TOP 1 bei den jüngeren Frauen)
Tourismus: 40 Prozent (18 Prozent, TOP 3 bei den jüngeren Frauen)
Wasserstoffherstellung: 30 Prozent (13 Prozent)
Maschinenbau: 28 Prozent (12 Prozent)
Landwirtschaft: 24 Prozent (20 Prozent, TOP 2 bei den jüngeren Frauen)
Einig sind sich die jüngeren Lausitzerinnen und Lausitzer nur bei den Technologien und Branchen, die in der Zukunft wahrscheinlich keine Rolle (mehr) spielen werden: Bergbau, konventionelle Energie, Kunststoff und die metallverarbeitende Industrie bilden in beiden Tabellen die Schlusslichter bei der Bewertung hinsichtlich des Zukunftspotentials für die Region.
Zusammenfassung/Interpretation
Betrachtet man die hier dargestellten Ergebnisse im Zusammenhang, so stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Unterschiede in den Sichtweisen. Wir möchten folgende Annäherungen an mögliche Gründe für die unterschiedlichen Sichtweisen anbieten.
Betrachtet man die Wegzugsgründe, sind sich die jüngeren Männer und Frauen einig: Attraktive Jobangebote stehen jeweils mit Abstand an der Spitze der Liste der Wegzugsgründe. 49 Prozent der wegzugsbereiten jüngeren Männer und 43 Prozent der wegzugsbereiten jüngeren Frauen geben Jobchancen als Grund an. Bei der Rückkehr sieht es aber anders aus. Während vier von zehn männlichen Rückkehrern ein attraktives Jobangebot als Anlass für die Rückkehr nennen, tut dies nur eine von zehn Rückkehrerinnen.
Gleichzeitig verhält sich die Lausitzer Bevölkerung, was die Abwanderung betrifft, im Großen und Ganzen nicht anders als die deutsche Gesamtbevölkerung. Im Gegenteil: Generell gesehen ist der Anteil der Abwanderungsbereiten an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2023 in der Lausitz (11 Prozent) sogar geringer als im deutschen Durchschnitt (17 Prozent), wie eine von uns zeitgleich mit dem diesjährigen Lausitz-Monitor durchgeführte Vergleichsstudie in Deutschland insgesamt zeigt. Auch der Anteil der Rückkehrer unterscheidet sich kaum (18 Prozent in der Lausitz, 17 Prozent im deutschen Durchschnitt). Lediglich das Binnenverhältnis der Anteile von abwanderungsbereiten Frauen und Männern in der jüngeren Bevölkerung ist in der Lausitz anders als im gesamtdeutschen Schnitt. In Deutschland gibt es, insgesamt betrachtet, mehr abwanderungsbereite jüngere Männer (36 Prozent) als Frauen (26 Prozent); in der Lausitz gibt es mehr abwanderungsbereite jüngere Frauen (31 Prozent) als Männer (18 Prozent).
Nimmt man beide Annäherungen an eine Interpretation der Zahlen in Bezug auf mögliche Ursachen zusammen, so scheinen die besseren (im Sinne von: vielfältigeren) Job- und Karrierechancen anderswo den Unterschied zu machen — und zwar ebenso in Bezug auf den Abwanderungswunsch (deutlich mehr jüngere Frauen als Männer wollen die Region verlassen) als auch in Bezug auf die Rückkehr (deutlich weniger jüngere Frauen als Männer kehren aufgrund von Jobchancen zurück).
Das lässt darauf schließen, dass andere Forscherinnen und Forscher Recht haben, wenn sie immer wieder sagen, dass die Lausitz zu wenig Jobchancen und Karrieremöglichkeiten für jüngere Frauen bietet. So zutreffend die Forderung sein mag, dass die Region jünger und weiblicher werden müsse — das Problem scheint struktureller Natur zu sein und wird sich also nicht kurzfristig in besonderem Maße beeinflussen lassen. Gerade deshalb sollte das Kriterium „Jobchancen und Karrieremöglichkeiten für jüngere Frauen“ auch und gerade außerhalb stereotyper „Frauenberufe“ (Pflege, Erziehung, Gesundheit, Handel, öffentliche Verwaltung…) eine zentrale Rolle bei der Planung und Umsetzung von Strukturwandelmaßnahmen spielen.
Hinzu kommt momentan vielleicht noch Folgendes: Noch 2020 waren die jüngeren Frauen die in Bezug auf das eigene Leben zufriedenste Gruppe in der Lausitz. Seit 2021 sind sie die am wenigsten zufriedene Gruppe — ein Umstand, der sich womöglich durch die starken Belastungen von Familien während der Corona-Zeit erklären lässt bzw. dadurch, dass eben die Gruppe der jüngeren Frauen höchstwahrscheinlich den Hauptteil dieser Belastungen zu tragen hatte. Seit Corona ist zudem eine Verdichtung von Krisensituationen festzustellen, der sich mittlerweile auch auf den Optimismus anderer Gruppen auswirkt, wie sich im Besonderen in der Altersgruppe zwischen 40 und 59 beobachten lässt.