Gesprächstechniken wie das aktive Zuhören sind in den vergangenen 30 Jahren zum Gemeinplatz geworden. In einer achtsamen Gesprächsführung gehört es sich, dem anderen durch das Aufgreifen oder sogar Wiederholen seines Standpunktes Verständnis zu signalisieren. Noch besser gelingt dies, wenn man sogar verbalisiert, wie es dem Gegenüber gerade geht. Will man eine Konfliktsituation deeskalieren, hilft diese Technik ungemein. Sie hilft auch, wenn man in einem Gespräch nicht mehr weiterkommt und die verschiedenen Standpunkte und Sichtweisen rückformulierend zusammenfasst, um Klarheit über die bisweilen verworrene Gesprächslandschaft zu erhalten.
Doch wie schon die Bezeichnung impliziert, ist die rein technische Verwendung problematisch. In vielen Trainings werden nur die Techniken vermittelt ohne die jeweiligen philosophischen oder wenigstens theoretischen Hintergründe. Kaum einem ist dann klar, dass die Technik des aktiven Zuhörens aus dem Kontext der Humanistischen Psychologie stammt. Die Technik kann nur dann wirklich funktionieren, wenn man unter anderem annimmt, dass jeder Mensch eigenmotiviert und selbstgesteuert leben und arbeiten kann. Und soll. Und genau in diesem SOLL liegt die Grenze der Methode: wird sie rein technisch zur Erreichung anderer Ziele als denen des individuellen Wachstums eingesetzt, bewirkt sie das Gegenteil. Verständnisorientierte Gesprächstechniken bewirken (neben einigen anderen Faktoren) in der Regel die Entstehung einer emotional nahen, im Idealfall sogar helfenden Beziehung zwischen den das Gespräch Führenden. Wird also eine verständnisorientierte Technik rein technisch und zu anderen Zwecken als der individuellen Weiterentwicklung eingesetzt, so kann dies als rhetorische Manipulation angesehen werden. Kurzfristig mag das den jeweiligen Zielen dienen, langfristig bewirkt es das Gegenteil, denn sobald ein Betroffener die Manipulation erkennt, wird er sich dementsprechend verhalten (bspw. Rückzug oder Dienst nach Vorschrift). Es kommt also bei jeder Gesprächstechnik auf die Haltung und das Menschenbild an, auf die den Zielen des Gesprächs innewohnende Ethik.
Aus der Forschung wissen wir, dass bereits kleine Nuancen in der Gesprächsführung große Wirkungen zeigen können. So formulieren beispielsweise Mathematiklehrer ihr Feedback auf eine geringe Leistung bei Jungen überdurchschnittlich häufig etwa so: „Beim nächsten Mal strengst Du Dich etwas mehr an.“ Bei Mädchen nutzen sie hingegen häufiger Varianten der Formulierung: „Du hast es wenigstens probiert.“ Interessanterweise hat das Geschlecht auf Lehrerseite keinen Einfluss – Mathematiklehrerinnen formulieren ganz ähnlich wie ihre männlichen Kollegen. (Vgl. Woolfolk 2008, S. 225)
Doch nicht nur die einer Formulierung innewohnende Richtung der Rückmeldung (positiv: „Beim nächsten Mal strengst Du Dich etwas mehr an.“; negativ: „Du hast es wenigstens probiert.“) entfaltet eine Wirkung, sondern auch die Reihenfolge der Argumente. So kann Kritik durchaus ihre Wirkung entfalten, wenn sie auf der Grundlage einer tragfähigen positiven Beziehung formuliert wird. Solche Beziehungen wiederum brauchen Zeit, Verständnis und eine Reihe von positiven Gesprächsinhalten. Angewandt auf Personalgespräche (Zielvereinbarungs- oder Feedbackgespräche) heißt das nicht nur, wie oft betont wird, das Gespräch mit etwas Positivem zu beginnen, sondern vor allem, eine tragfähige Beziehung aufzubauen. Die alleinige Erwähnung einiger positiver Aspekte am Anfang eines Gesprächs reicht allein nicht aus. In Verbindung mit einem Grundsatz aus der Pädagogischen Psychologie – „Jedes Verhalten, aus dem gelernt werden soll, braucht ein Feedback.“ – wird ein Schuh daraus: Es gilt, eher mehrere kleine (und zuweilen auch beiläufige) Rückmeldungen zu geben als eine große. Der Mensch lernt vor allem dann, wenn etwas schief geht oder etwas zum ersten Mal gelingt. Zu den vielen kleinen Ereignissen des Gelingens oder Misslingens nach vielen Wochen ein längeres Feedback zu bekommen, ist weit weniger hilfreich als mehrere kleine Feedbacks zwischendurch.
Aus meinen Gesprächstrainings in ganz unterschiedlichen Branchen hat sich eine grundlegende Gliederungsvariante für Feedbackgespräche herauskristaliisiert, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise auch in der entsprechenden Fachliteratur wiederfinden lässt:
- Einstieg
- Beobachtungen schildern
- Gegebenenfalls: Die Selbsteinschätzung des Gesprächspartners erfragen
- Positive Aspekte benennen
- Kritische Aspekte benennen
- Gegebenenfalls: Einigung über Bewertung erzielen
- Ziele benennen oder gemeinsam erarbeiten und vereinbaren
Je nach hierarchischer Ausprägung und Führungsverständnis kann es hilfreich sein, nicht nur Feedback zu geben, sondern auch Feedback zur eigenen Person zu erfragen. Eine Lerngelegenheit ist es in jedem Fall, aber ob gegenseitiges Feedback angebracht bzw. erwünscht ist, hängt von der jeweiligen Kultur und der Persönlichkeit des oder der Führenden ab.
Praktisch könnte die oben dargestellte Gesprächsgliederung für die Rolle des Feedback Gebenden wie folgt aussehen:
- Einstieg: „Wie läuft es heute?“
- Beobachtungen schildern: „Ich habe mir…angesehen…“
- Positive Aspekte benennen: „Insgesamt ist es…gelaufen. …war sehr gut. Gut lief auch…“
- Kritische Aspekte benennen: „Auf der anderen Seite gibt es…zu sagen…“
- Ziele benennen und vereinbaren: „Ich möchte, dass Sie auf…achten. Können wir…vereinbaren?“
Dieses eher einseitige (es gibt ganz klar einen Feedbackgeber und einen Feedbacknehmer) Gesprächsbeispiel kann durch folgende Elemente dialogischer (und damit langfristig lernorientierter und motivierender) gestaltet werden:
- nach der eigenen Sichtweise des Gefeedbackten fragen
- sich auf eine gemeinsame Sichtweise auf die Leistung einigen
- Ziele gemeinsam erarbeiten und vereinbaren
- Feedback in der anderen Richtung erfragen (der Feedbacknehmer über den Feedbackgeber/Vorgesetzten)
- gar keine direkte Einschätzung geben, sondern zunächst nur die Selbstbeobachtungen erfragen und diese ggf. durch eine Coaching-ähnliche Gesprächsführung einschätzen und hinterfragen lassen (durch Rückformulierungen, Zusammenfassungen und Fragen)
Beherzigt man den letzten Punkt dieser Liste, dann erscheint Feedback Geben als eine Form von Beratung oder Coaching. Feedback ist denn auch eines der wichtigsten Beratungsinstrumente. Beratung „wird als Ratgeben verstanden, wie eine von vielen Antworten auf eine Befragung zeigt: ‚Beratung, das ist eben – ich kann hingehen und man gibt mir Tipps’. Demgegenüber definiere ich Beratung in erster Annäherung als
- einen zwischenmenschlichen Prozeß,
- in welchem eine Person (Ratsuchender, Klient)
- in und durch die Interaktion mit einer anderen Person (Berater)
- mehr Klarheit über eigene Probleme und deren Bewältigungsmöglichkeiten gewinnt.“ (Rechtien 2004, S. 9)
Was wirkt bei der Beratung?
Im Grunde ist Beratung ein Prozess der Suche nach bzw. der Erweiterung von Perspektiven. Im Gespräch mit dem Berater gewinnt ein Klient einen Überblick über seine Situation; in gewisser Weise wird eine komplizierte Situation aufgeklärt. Der Berater dient hierbei als Spiegel und als Person, die hinterfragt, stellenweise konfrontiert und immer wieder zusammenfasst.
Die Wirkmechanismen von Beratung lassen anhand von drei Grundhaltungen des Beraters darstellen:
Positive Wertschätzung, die einem Klienten durch einen Berater entgegengebracht wird, führt dazu, daß sich der Klient besser als bisher akzeptieren und achten kann. Dies schafft die Grundlage zum Abbau von Spannungen und Ängsten und zum Aufbau eines positiveren Selbstbildes. (Vgl. Rechtien 2004, S. 49f.)
Die Echtheit (Kongruenz von Innerung und Äußerung oder Selbstkongruenz) des Beraters wird im Beratungsverständnis von Carl R. Rogers (1978) als elementare Voraussetzung für einen konstruktiven Beratungsprozeß angesehen. Echtheit bzw. Selbstkongruenz bedeuten, daß
- der Berater sich seiner selbst gewahr ist,
- ihm das eigene Erleben bewußt ist und
- er dieses in die Beziehung zum Klienten einbringen kann.
Das Kriterium der Echtheit gilt auch für negative Gefühle, die sich auf Dauer nicht verbergen lassen und mit denen der Berater konstruktiv umgehen muß. Die Forderung nach Echtheit heißt allerdings nicht, daß der Berater alle Gefühle umgehend äußern sollte. Es geht nicht um grenzenlose Offenheit, sondern um Aufrichtigkeit. Äußerungen sollten also dem Ziel der Beratung dienen. (Vgl. Rechtien 2004, S. 50f.)
Empathie: Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die Wahrnehmungs- und Erfahrungswelt eines jeden Menschen eine andere ist, hat der Berater die Aufgabe, die „innere Realität des Klienten soweit wie möglich wahrzunehmen und zu verstehen und das Verstandene zu kommunizieren“ (Rechtien 2004, S. 51).
Der wichtigste Wirkmechanismus der Beratung ist die Wertschätzung durch den Berater. Methodisch wird diese Grundhaltung vor allem durch das Empathische Kommunizieren verwirklicht. Der Berater sollte sich echt verhalten. Eine reine Orientierung auf Gesprächstechniken reicht nicht aus.