Will man ein Team entwickeln oder in einem Team intervenieren, bspw. im Falle eines Konflikts, ist es hilfreich, vorher zu überlegen, in welcher „Tiefe“ man dies tun kann oder sollte. Manche meinen ja nicht ohne Grund, dass eine gute Auftragsklärung bereits die halbe Intervention sei. Nach Argyris bedeutet eine Intervention (Definition gleich am Anfang des verlinkten PDF-Dokuments), ein laufendes Beziehungsnetz zu betreten, und zwar mit der Absicht, hilfreich zu sein. Dieses „Betreten“ kann mehr oder weniger energisch bzw. „tief“ erfolgen, je nach dem Zweck oder Ziel der Intervention.
Oft geht es zunächst „nur“ um eine Art Weiterbildung, etwa wenn die Mitglieder eines Teams dafür sensibilisiert werden sollen, welche Dynamiken oder Konflikte sich in einem Team ergeben. Auf dieser eher oberflächlichen Ebene geht es um Wissensvermittlung oder Sensibilisierung. Der Status quo des Beziehungsgeflechts wird nicht infrage gestellt. Die Mitglieder des Teams werden durch die Wissensvermittlung eher befähigt, Entwicklungen und Dynamiken zu erkennen und sich im Bedarfsfall selbst zu helfen, etwa im Rahmen von Teambesprechungen. Teamphasen-Modelle oder Übersichten zu möglichen Team-Rollen sowie Hinweise für gute Besprechungsführung oder den konstruktiven Umgang mit Konflikten etwa könnten mögliche Inhalte sein. Später kann das Team diese Erkenntnisse nutzen, um selbst mit Problemen besser umzugehen und so die Effektivität der Zusammenarbeit (Synergieeffekte zwischen unterschiedlichen Rollen im Team) zu steigern.
Auf einer zweiten, etwas tieferen Ebene geht es nicht mehr nur um Wissensvermittlung im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“, sondern darum, im „Hier und Jetzt“ der Intervention Erkenntnisse über den Status quo des Miteinanders und der Zusammenarbeit im Team zu generieren und daraus hilfreiche Impulse für eine Entwicklung des Teams hin zu einer effektiveren Zusammenarbeit abzuleiten. Die Erkenntnisse über den aktuellen Status des Teams wird durch eine Art „Spiegelwirkung“ erreicht: Man bringt verschiedene teamdiagnostische Instrumente zur Anwendung, etwa Fragebögen zur Teamentwicklung (wie den von McGregor, 1967) oder Teamrollen-Tests wie den von Belbin oder Team-Management-Systems von Margerison & McCann. Nehmen wir das Beispiel des Fragebogens zur Teamentwicklung von McGregor: Die Teammitglieder füllen den Fragebogen aus und die Ergebnisse werden anonymisiert auf ein Flipchart übertragen. Dadurch wird das Team mit seiner Stimmung bzw. mit seiner Lage oder seinem Status quo konfrontiert. Aus der Reflexion dieses Bildes ergibt sich dann die Thematisierung der „Baustellen“ oder Entwicklungsbedarfe des Teams, die erfasst, prorisiert und diskutiert werden können. Am Ende werden konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung abgeleitet und Vereinbarungen getroffen. Eine weitere Möglichkeit der Thematisierung von Team-Themen auf dieser mittleren Ebene wäre die Beschreibung des Status quo anhand von Fragen wie: „Was läuft gut, was könnte besser laufen und was wünschen Sie sich?“ oder anhand der Formulierung gegenseitiger Erwartungen. Gerade wenn neue Teammitglieder hinzukommen, ist es hilfreich, gegenseitige Erwartungen zu thematisieren (und zwar gegenseitig zwischen Team und neuen Teammitgliedern sowie zwischen Team und Leitung sowie zwischen neuen Teammitgliedern und Leitung). Rollen bestehen ja letztlich aus Erwartungen, und je klarer Erwartungen formuliert (und später immer mal wieder aktualisiert) werden können, desto einfacher erfolgt die Einarbeitung bzw. desto leichter kann mit ggf. auftretenden Konflikten umgegangen werden.
Auf der dritten und „tiefsten“ Ebene geht es nicht nur um eine mehr oder minder beschreibende Thematisierung des Status quo und die quasi „kognitive“ Aufarbeitung der Situation einschließlich der Entwicklung geeigneter Vorschläge oder Maßnahmen. Auf der dritten Ebene geht es um ein „Auftauen“ des Beziehungsgefüges mit dem Ziel, es veränderbar zu machen. Hier wird weniger deskriptiv mit Hilfe team-diagnostischer Instrumente, sondern eher mit Hilfe direkten Feedbacks bzw. direkter Erfahrung gearbeitet. Im „Hier und Jetzt“ der teamdynamischen Intervention werden Konflikte angesprochen, wird das gegenseitige Erleben mittels Feedback thematisiert, um daraus zu lernen und das Teamgefüge zu klären und so zu verändern, dass die Zusammenarbeit lern- und entwicklungsorientierter werden kann. Ein Beispiel: Eine Teamentwicklung beginnt mit der Frage, was die Anwesenden von der Idee, sich mit Teamfragen zu beschäftigen, halten. Wenn es Bedenken oder gar Ablehnung der Idee gibt, können diese thematisiert werden. Wichtig ist hier, keinen Druck aufzubauen, sondern sich eher mit dem „Widerstand“ zu verbünden. Wie das geht, steht an anderen Stellen auf dieser Webseite. Danach wird eine Erwartungsabfrage durchgeführt. Nach der Erwartungsabfrage kann man mit drei Fragen beginnen:
„Wie war es in den letzten Monaten, in diesem Team zu arbeiten? Was lief gut, was nicht?“
„Wie geht es Ihnen momentan in diesem Team?“ (Diese Frage kann, je nach Branche und Organisationskultur, als „zu psychologisierend“ aufgefasst werden, dann wäre eine Alternative: „Wie läuft es momentan?“)
„Was wünschen Sie sich in Bezug auf die Zukunft?“ (Diese Frage kann man spezifizieren, bspw. „in Bezug auf die Zusammenarbeit im Team“ oder „in Bezug auf den Umgang mit Konflikten“ o.ä.)
Wichtig ist, dass es hier erst einmal zu einer Art Schilderung kommt, nicht zu einem umfassenden Ausdiskutieren.
Nach der Schilderungsrunde scheinen die Themen, die es anzusprechen gilt, schon auf. Manchmal werden sie auch in der Schilderungsrunde noch nicht explizit angesprochen. Dann wird eine „Aussprache-Runde“ notwendig. Man bittet die Anwesenden, Dinge konkret anzusprechen. Hilfreiche Fragen könnten lauten:
„Was haben Sie in letzter Zeit ggf. nicht offen angesprochen, sondern nur bilateral thematisiert?“
„Welche Dinge sollten in dieser Runde mal ausgesprochen werden?“
„Was haben Sie ggf. übereinander, aber nicht miteinander besprochen?“
Auch hier geht es noch nicht um irgendeine Form des „Durcharbeitens“, sondern zunächst um das Ermöglichen des Aussprechens. Dementsprechend emotional kann es zugehen. Wenn etwas ausgesprochen ist, entsteht in der Regel eine Situation, die zwischen Selbstschutz und Erleichterung schwankt. Feedback auszusprechen erfordert in der Regel ebenso viel Mut wie Feedback annehmen bzw. mit den geäußerten Sichtweisen umzugehen. In der sich an das Aussprechen anschließenden Phase des Durcharbeitens geht es vor allem darum, die Unsicherheit zu ertragen, die es bedeutet, den Selbstschutz aufzugeben und sich tatsächlich mit den echten Sichtweisen der anderen zu beschäftigen (die ebenfalls von Selbstschutz gekennzeichnet sein können, etwa wenn „Do-Botschaften“ nur als „Ich-Botschaften“ verkleidet werden: „Ich habe das Gefühl, dass Du…“). Das Durcharbeiten selbst führt natürlich zu schmerzhaften Erlebnissen. Nach dem Ertragen des Schmerzes kommt das Einordnen: Was davon trifft zu? Welche Kritik nehme ich an? Was möchte ich ändern? Was kann ich ggf. nicht ändern?
Nach einer tiefen Phase des Schmerzes tritt in der Regel eine gewisse Erleichterung ein. Wenn es einmal in der großen Teamrunde nicht weitergeht, wenn das Durcharbeiten schwierig wird, hilft manchmal die Methode reflecting team, Dinge besser besprechbar oder überhaupt erst einmal sagbar zu machen.
In diesem Beitrag ging es vor allem um die Beschreibung der drei Interventionsebenen bzw. „Interventionstiefen“ in Teamentwicklungen. Wer sich ggf. mehr für das Durcharbeiten bzw. für die Auseinandersetzung mit den Selbstschutz-Mechanismen in Teamentwicklungsterminen interessiert, wird bei diesen Texten fündig: Methoden der Teamentwicklung: Worum geht es essentiell? oder: Harmonie versus Klarheit: worauf es beim Umgang mit Gruppen ankommt oder: Es hilft nichts, über gute Kommunikation zu reden, gute Kommunikation muss man machen.