Edgar Scheins „Lagerfeuer-Übung“

Das Ziel die­ser Übung ist es, mul­ti­kul­tu­rel­len Teams dabei zu hel­fen, eine sta­bi­le Bezie­hung auf­zu­bau­en, indem ein dia­lo­gi­scher Pro­zess und ein Ver­trau­ens­kli­ma geschaf­fen wer­den. Mit Hil­fe die­ser Übung ler­nen Sie, mit erns­ten Miss­ver­ständ­nis­sen in Situa­tio­nen umzu­ge­hen, an denen Per­so­nen aus unter­schied­li­chen Kul­tu­ren betei­ligt sind.

  1. Die Teil­neh­mer sit­zen in einem Kreis oder um einen Tisch mit eini­gen klei­nen Gegen­stän­den (ein paar Stif­ten oder Flip­chart-Mar­kern oder einer Fla­sche), die in der Mit­te das Lager­feu­er symbolisieren.
  2. Die wich­tigs­te Regel besteht dar­in, die Augen auf das Lager­feu­er zu rich­ten und kei­nen Augen­kon­takt mit irgend jeman­dem aufzunehmen.
  3. Spre­chen Sie abwech­selnd und ohne Unter­bre­chung über eine wich­ti­ge (das heißt: auf­ga­ben­re­le­van­te) Frage.

Die Beschrei­bung die­ser Auf­ga­be klingt viel­leicht unge­wöhn­lich, aber das Ver­mei­den von Augen­kon­takt und die Regel, dass nur eine Per­son gleich­zei­tig, ohne unter­bro­chen zu wer­den, spre­chen darf, füh­ren dazu, dass die eige­nen Annah­men über die Ande­ren zurück­ge­hal­ten wer­den, wodurch sich die Per­son auf sich selbst kon­zen­trie­ren kann. Das bedeu­tet, dass anhand der eige­nen Regeln, Wer­te, und Annah­men gelernt / mit die­sen umge­gan­gen wird, weil die „direk­te, aber augen­lo­se“ Situa­ti­on dazu führt, dass die Per­son die Kon­se­quen­zen seiner/ihrer Annah­men für den Ver­lauf und die Ergeb­nis­se des Pro­zes­ses erlebt.

Bei­spie­le für auf­ga­ben­re­le­van­te Fragen:

  • War­um sind Sie hier und was erwar­ten Sie von die­sem Meeting?
  • In Ihrem Hei­mat­un­ter­neh­men/-land: was wür­den Sie tun, wenn Ihr Vor­ge­setz­ter dabei ist, einen Feh­ler zu machen?
  • In Ihrer Kul­tur: wie ent­schei­den Sie, ob Sie einem Kol­le­gen, Vor­ge­setz­ten oder Unter­ge­be­nen ver­trau­en können?

Regeln und Empfehlungen:

  • Kon­zen­trie­ren Sie sich auf sich selbst und Ihre eige­nen Gedan­ken, las­sen Sie los und machen Sie die­se Erfahrung.
  • Machen Sie sich kei­ne Gedan­ken über Ihre Annah­men über die Ande­ren, Sie kön­nen Ihre Annah­men beob­ach­ten, aber ver­su­chen Sie nicht, Rück­schlüs­se dar­aus zu ziehen.
  • Die Fra­gen müs­sen auf­ga­ben­ori­en­tiert und kon­kret sein.
  • Einer spricht nach dem Anderen.
  • Schau­en Sie wei­ter auf das Lager­feu­er, auch wäh­rend Sie sprechen.
  • Machen Sie kei­ne Kom­men­ta­re über ande­re Kulturen.

Nao­mi Stan­ford lie­fert wei­ter­hin zwei wich­ti­ge zusätz­li­che Emp­feh­lun­gen: „Suchen Sie nach Gele­gen­hei­ten, um die Leu­te die Erfah­rung mit dem ‚Lager­feu­er‘ machen zu las­sen, ohne es als ‚Dia­log‘ oder Ähn­li­ches zu dekla­rie­ren. Es gibt Mög­lich­kei­ten, die kul­tu­rel­len Nor­men zu umge­hen. Zum Bei­spiel: Holen Sie sich die Mei­nung von jedem zu einem The­ma, einer Opti­on, oder einem Stand­punkt ein, bevor Sie die Dis­kus­si­on dar­über begin­nen, wie mit ‚Von die­sen drei Optio­nen, wer denkt, dass Opti­on eins funk­tio­nie­ren wird?‘ (…) För­dern Sie nicht gute Kom­mu­ni­ka­ti­on. För­dern Sie gute Bezie­hun­gen, um sich auf die Auf­ga­be zu eini­gen, den Auf­ga­ben­pro­zess fest­zu­le­gen und die opti­ma­le Struk­tur aufzubauen.“

Quel­len: Instruk­tio­nen von Edgar Schein auf einem Work­shop in Ber­lin; Nao­mi Stanford

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.