Führung bedeutet, die Lage in Bewegung zu bringen

Die Auf­ga­be einer Füh­rungs­kraft ist klar: Sie muss dafür sor­gen, dass die Hand­lun­gen ihrer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter auf den Zweck der Orga­ni­sa­ti­on ein­zah­len. Dafür braucht es Kom­mu­ni­ka­ti­on, kla­re Erwar­tun­gen und eine akti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit Pro­ble­men. Doch in der Pra­xis sind Wil­le und Umset­zung oft ver­schie­de­ne Dinge.

Es gibt drei Wege, mit Pro­ble­men umzu­ge­hen – aber nur einer davon führt zuver­läs­sig zu einer Ver­bes­se­rung, die ande­ren bei­den Wege sind jeweils riskant.

Die Stra­te­gie des Abwartens

Vie­le Füh­rungs­kräf­te ent­schei­den sich bewusst oder unbe­wusst für eine Stra­te­gie des Abwar­tens. Sie tun zunächst wenig, beob­ach­ten die Ent­wick­lung und hof­fen dar­auf, dass sich das Pro­blem irgend­wie von selbst löst. Die­se Hal­tung ist weit ver­brei­tet. Sie bringt jedoch zumeist kei­ne Ver­bes­se­rung, son­dern führt dazu, dass sich die Situa­ti­on zuspitzt.

Am Ende steht oft genug Pflicht­ver­wahr­lo­sung — ein Zustand, in dem Füh­rungs­kräf­te sich nicht mehr zustän­dig füh­len, Ver­ant­wor­tung ableh­nen und das Sys­tem sich selbst über­las­sen. Was dann pas­siert, beschrei­be ich aus­führ­lich in die­sem Arti­kel.

Kurz zusam­men­ge­fasst: Pflicht­ver­wahr­lo­sung beginnt schlei­chend – durch Ver­mei­dung von Ent­schei­dun­gen, durch das Igno­rie­ren von Kon­flik­ten. Die Fol­ge: Pro­zes­se wer­den nicht mehr gesteu­ert, son­dern nur noch reak­tiv ver­wal­tet. Lang­fris­tig ent­steht eine „Kul­tur der Belie­big­keit“, in der sich nie­mand mehr wirk­lich ver­ant­wort­lich fühlt. Die Stra­te­gie des „Aus­sit­zens“ ist also kei­ne Hand­lungs­stra­te­gie, son­dern bedeu­tet oft einen schlei­chen­den Kontrollverlust.

Der freund­li­che Weg – Pro­ble­me anspre­chen, aber mit System

Wer aktiv etwas ändern will, kann das Pro­blem direkt anspre­chen – aller­dings mit Bedacht. Pro­ak­ti­ve Füh­rung ent­fal­tet nur dann Wir­kung, wenn sie drei zen­tra­le Prin­zi­pi­en berücksichtigt:

Hart­nä­ckig­keit: Es reicht nicht, ein Pro­blem ein­mal zu benen­nen. Wer Ver­än­de­run­gen bewir­ken will, muss die Bot­schaft immer wie­der wiederholen.

Geduld: Men­schen ändern ihre Gewohn­hei­ten nicht sofort. Selbst in einem Kin­der­gar­ten muss eine neue Regel min­des­tens 25–30 Mal wie­der­holt wer­den, bevor sie zur Gewohn­heit wird. Um eta­blier­te Mus­ter bei Erwach­se­nen zu ver­än­dern, braucht es ein Viel­fa­ches davon.

Gute Lau­ne: Wer pro­ak­tiv han­delt, aber dabei gereizt oder unge­dul­dig wirkt, erzeugt Wider­stand. Pro­ak­ti­ves Ver­hal­ten ohne gute Lau­ne führt dazu, dass man als „Ner­ven­sä­ge“ oder gar als „Empö­rungs­be­auf­trag­ter“ wahr­ge­nom­men wird.

Ent­schei­dend ist also die rich­ti­ge Hal­tung: Wer auf Ver­än­de­rung drängt, soll­te sich fra­gen, ob er das mit Ent­spannt­heit und Sou­ve­rä­ni­tät tut, oder ob er sich selbst emo­tio­nal schon im „Eska­la­ti­ons­mo­dus“ befin­det — denn das beein­flusst, wie die Bot­schaft auf­ge­nom­men wird.

Die kla­re Ansa­ge – Ulti­ma Ratio der Führung

Der drit­te Weg ist die direk­te Kon­fron­ta­ti­on. Es gibt Momen­te, in denen eine kla­re Ansa­ge unum­gäng­lich ist. Die­ser Weg hat jedoch eine hohe „Ein­tritts­schwel­le“: Eine Kon­fron­ta­ti­on kann nicht mehr zurück­ge­nom­men wer­den. Nach einer Eska­la­ti­on gibt es kei­nen sanf­ten Über­gang zurück in den Dia­log­mo­dus. In der Regel hat eine kla­re Ansa­ge Kon­se­quen­zen – ent­we­der für die betrof­fe­ne Per­son oder für das eige­ne Ver­hält­nis zum Team. Wer die­sen Weg wählt, soll­te sicher sein, dass es kei­ne Alter­na­ti­ven mehr gibt.

Fazit: Die kla­re Ansa­ge ist das schärfs­te Instru­ment einer Füh­rungs­kraft. Setzt man es zu früh oder zu oft ein, ver­liert es sei­ne Wirkung.

Wann wel­cher Weg sinn­voll ist

Wer ein Pro­blem igno­riert, ver­län­gert nur den Zeit­raum bis zur Eska­la­ti­on. Pflicht­ver­wahr­lo­sung beginnt mit der Unter­las­sung von Entscheidungen.

Der freund­li­che Weg ist der effek­tivs­te Ansatz, um Ver­än­de­rung nach­hal­tig her­bei­zu­füh­ren. Dabei gilt es, Pro­ble­me zu benen­nen, aber mit Wert­schät­zung und Ruhe. Es gilt, die Erwar­tun­gen oft zu wie­der­ho­len. Dazu braucht man gute Lau­ne. Man muss „gut gelaunt dran­blei­ben“, um nicht zu viel Wider­stand hervorzurufen.

Die kla­re Ansa­ge bleibt das letz­te Mit­tel. Sie soll­te nur dann genutzt wer­den, wenn ande­re Wege aus­ge­schöpft sind. Wer sie zu oft ver­wen­det, rui­niert sein Stan­ding als Führungskraft.

Und: Kla­re Ansa­gen müs­sen mit Kon­se­quen­zen „bewaff­net“ sein — wer mit Kon­se­quen­zen droht, muss sich auch sicher sein, sie ver­wirk­li­chen zu können.

Letzt­lich geht es nicht dar­um, „nett“ zu sein oder „hart durch­zu­grei­fen“, son­dern es geht um Wirk­sam­keit. Also müs­sen die Füh­rungs­hand­lun­gen „wohl­tem­pe­riert“ sein. Füh­rung bedeu­tet, die Din­ge in Bewe­gung zu bringen.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz bei Herbert Bock (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Bock) Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips: www.kulturderhinterfragung.de). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und ihrem Team im Landkreis Görlitz einen Jugendhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Serbokroatisch sowie Russisch. Er ist häufig an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt tätig und hat viele Jahre Vorlesungen und Seminare an verschiedenen Universitäten und Hochschulen gehalten, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.