Handlungen in schwierigen Situationen: Drei mögliche Wege

Wenn Men­schen in schwie­ri­ge Situa­tio­nen kom­men, kön­nen sie sich zwi­schen drei Mög­lich­kei­ten entscheiden:

  1. Man macht erst ein­mal gar nichts, war­tet ab und reagiert nur, wenn Hand­lungs­be­darf ent­steht und es nicht anders geht.
  2. Einen zwei­ten Weg kann man gehen, indem man auf rei­ne Wir­kungs­ori­en­tie­rung setzt, also auf stra­te­gi­sches Han­deln und gut vor­be­rei­te­te Rhe­to­rik. Auch die wäh­rend Kri­sen oder Skan­da­len häu­fig zur Anwen­dung kom­men­de „Sala­mi­tak­tik“ (ich gebe nur zu, was die ande­ren ohne­hin bereits ent­deckt haben) fällt unter die­se Rubrik.
  3. Drit­tens kann man sich für einen trans­pa­ren­ten und men­schen­ori­en­tier­ten Weg ent­schei­den. Hier han­delt man ethisch, das heißt, dass man zwar hart in der Sache, aber trans­pa­rent und weich den Men­schen gegen­über agiert. Wich­tig ist hier, dass man sei­ne Ver­hand­lungs­li­ni­en fle­xi­bel hält, bei Bedarf offen legt und nicht nach Unter­schie­den in den Zie­len, son­dern zuerst nach Gemein­sam­kei­ten sucht.

Der ers­te Weg ist der denk­bar schlech­tes­te, weil man nicht selbst han­delt („agiert“), son­dern abwar­tet, bis man nur noch reagie­ren kann. Das schränkt die Hand­lungs­spiel­räu­me ein, erhöht den Druck und dadurch auch die eige­ne Anspan­nung. Es ist des­halb immer bes­ser, selbst die Initia­ti­ve zu ergrei­fen und zunächst zu ver­su­chen, trag­fä­hi­ge Bezie­hun­gen zu gestal­ten. Gelingt dies nicht, kann man immer noch „hoch­schal­ten“.

Der zwei­te Weg ist im Ernst­fall gang­bar, aber ris­kant. Er erfor­dert viel Ener­gie und nicht zuletzt eini­ge Taten, die ggf. nicht zwin­gend mit den eige­nen Wer­ten zu ver­ein­ba­ren sind. Man kann die­sen Weg als „machia­vel­lis­tisch“ bezeich­nen. Grund­sätz­lich ist die­ser Weg nur dann zu emp­feh­len, wenn man ent­we­der kurz­fris­tig Zie­le errei­chen will, ohne auf die lang­fris­ti­gen Aus­wir­kun­gen ach­ten zu wol­len oder zu müs­sen, oder wenn man kei­ne ande­re Wahl hat, als die Flucht nach vorn. In der Regel führt die­ser Weg nicht zu nach­hal­ti­gen, son­dern zu kurz­fris­ti­gen Erfol­gen. Das Ergeb­nis kann aber auch „total“ sein, weil even­tu­ell vor­han­de­ne Bezie­hun­gen oder posi­ti­ve Ein­stel­lun­gen auf der Gegen­sei­te voll­ends zer­stört wer­den. Des­halb ist die­ser Weg ent­we­der als „pro­phy­lak­ti­sche Eska­la­ti­on“ mit dem Ziel, sich durch­zu­set­zen, oder als „letz­te Aus­fahrt“ geeig­net, wenn alle ande­ren Ver­su­che (auch wie­der­holt) zu kei­nen Ergeb­nis­sen geführt haben.

Der drit­te Weg dau­ert län­ger, führt aber zu nach­hal­ti­ge­ren Ergeb­nis­sen. Eine eher fra­gen­de, mode­rie­ren­de Gesprächs­hal­tung vor­aus­ge­setzt, las­sen sich so zunächst die „Grund­li­ni­en“ des Den­kens der ande­ren Sei­te sowie deren Erwar­tun­gen eru­ie­ren. Das kann als Grund­la­ge für die Erar­bei­tung gemein­sa­mer Stand­punk­te die­nen. Wich­tig ist, dass man die betei­lig­ten Per­so­nen von der Sache, um die es geht, trennt. Eine hilf­rei­che Annah­me: Es könn­te in einer ande­ren Kon­stel­la­ti­on jeden, auch Sie selbst, tref­fen. Dar­aus resul­tie­ren die Fra­gen: Wie wür­de es Ihnen gehen, wenn Sie in die­ser Situa­ti­on wären? Was wären Ihre Erwar­tun­gen? Wovon wären Ihre Welt und Ihre Wahr­neh­mun­gen gekennzeichnet?

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.