Bei der Preisgestaltung ist zunächst die Frage wichtig, ob es sich um ein Produkt oder eine Dienstleistung handelt, die öfter oder nur selten gekauft wird. Für Produkte, die öfter gekauft werden, verfügen Käufer über eine Art »Referenzpreis«, das heißt, eine Orientierungsgrundlage zur Preiseinschätzung. Um diesen Referenzpreis herum liegt ein gewisser Toleranzbereich, innerhalb dessen sich ein Preis bewegen kann, ohne dass er als zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt wird. Wird ein Produkt, für das es einen Referenzpreis gibt, als zu teuer eingeschätzt, bleibt die Heuristik »teuer = gut« wirkungslos. Ein vergleichsweise hoher Preis wird nur in solchen Fällen als Beleg für hohe Qualität angesehen, in denen es keinen Referenzpreis gibt, ein Kauf also relativ selten stattfindet. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Preisgestaltung nur dann einen Einfluss auf die Kaufbereitschaft hat, wenn die Kaufabsicht schon grundlegend besteht; den Kauf direkt auslösen kann die Preisgestaltung nicht. So haben Menschen zwar die generelle Tendenz zum Sparen, paradoxerweise aber nicht unbedingt bei teuren Produkten. Grundsätzlich gilt: Je teurer ein Produkt ist, desto geringere Wirkung entfalten Sparangebote. Man kann also davon ausgehen, dass Preisvergleiche insbesondere bei Standardprodukten einen Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit haben, bei besonderen Produkten hingegen kaum. Die Verknüpfung »teuer = gut« existiert vor allem in den Köpfen der Konsumenten; in der realen Produktwelt hingegen gibt es sie nur zum Teil. So korrelieren Preis und Qualität tatsächlich nur in einem Teil der Fälle; in vielen anderen Fällen ist die Korrelation gleich null oder sogar negativ (qualitativ minderwertige Produkte mit hohen Preisen).
Die Bereitschaft zum Kauf teurer Produkte ist vom sozialen Status der Käufer abhängig (teure Produkte als Statussymbole). Menschen mit höherem Einkommen nehmen Preise anders wahr als Menschen mit geringerem Einkommen. Für Letztere kann ein Produkt umso wertvoller und prestigeträchtiger erscheinen, je weniger »erreichbar« es ist. Des Weiteren ist die Bereitschaft, höhere Preise zu bezahlen oder niedrigere vorzuziehen, von der Einstellung der Konsumenten abhängig. Wenn der Kauf eines bestimmten Produktes im Wertesystem einer bestimmten Zielgruppe als »extravagant« bzw. »unpassend« erscheint, führt dies zur Ablehnung des Produktes.
Zur Preisgestaltung gehören auch Fragen der Optik – so werden so genannte »gebrochene Preise«, also Beträge kurz unterhalb eines runden Preises (199 EUR anstelle von 200 EUR) als niedriger und damit günstiger wahrgenommen. Ähnliches gilt für die Ziffernfolge des Preises – kleiner werdende Ziffernfolgen werden für günstiger gehalten als aufsteigende (531 EUR vs. 479 EUR). Darüber hinaus beeinflusst die Größe der Darstellung der Ziffern die Einschätzung des Preises (je größer die Ziffern, desto günstiger der Preis). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch Farben eine Rolle spielen. Viele Supermärkte haben mehrere Farben für Preisauszeichnungen. Allein der Umstand, dass ein Preis auf Papier in der mit »günstig« verknüpften Farbe gedruckt ist, sorgt für signifikante Umsatzsteigerungen, unabhängig davon, ob der Preis wirklich niedriger ist als regulär.
In Bezug auf Honorar- oder Preisverhandlungen ist zunächst die Frage zu stellen, ob es einen Referenzpreis gibt oder nicht. Handelt es sich um Produkte oder Dienstleistungen, bezüglich derer der jeweilige Geschäftspartner über ein gewisses Orientierungsvermögen verfügt? Wenn ja, sollte der zu verhandelnde Preis innerhalb des Referenzrahmens bleiben. Ausgenommen sind Produkte oder Leistungen mit besonderen Eigenschaften – wenn etwas sehr teuer ist, werden die normalen Preisorientierungsrahmen seltener angewendet. Zweitens ist der so genannte »Ankereffekt« zu beachten, der besagt, dass Menschen nur sehr bedingt in der Lage sind, Relationen richtig einzuschätzen, nachdem ein erster »Wahrnehmungsanker« gesetzt wurde. Das gilt für viele Arten von Einschätzungen oder Werturteilen. Der Effekt ist jedoch bei Zahlen besonders stark. Praktisch bedeutet das: Fordert der Staatsanwalt eine hohe Strafe, fallen auch das Plädoyer der Verteidigung und das Urteil höher aus als im Falle niedrigerer Strafforderungen. Die zuerst genannte Zahl »zieht« also alle danach gedachten und genannten Zahlen in ihre Richtung, ein Effekt, den man sich insbesondere bei Honorarverhandlungen zunutze machen kann. Drittens ist von einer gewissen »Tendenz zur Mitte« auszugehen. Wenn drei Ausstattungsvarianten vorliegen (bspw. Premium, Komfort und Basis), dann fällt die Entscheidung besonders häufig auf die mittlere Variante. Schließlich sei noch angemerkt, dass eine von vornherein klare und durchschaubare Preis- und Verhandlungsstrategie die nachhaltigsten Effekte erzeugt. Die Anwendung psychologischer Konzepte auf Geschäftsabläufe sollte sich konsequent an ethischen Maßstäben orientieren.
Ein spannender Beitrag – Vielen Dank! Was mich noch brennend interessiert ist, welche Farbe des Preises ihn als günstig erscheinen lässt?
Herzliche Grüße
Maren
<p>Exzellenter Artikel! Besonders die Erwähnung der Wirkung von Ziffernfolgen (auf- und absteigend in Preisen) hat mich sehr beeindruckt.</p>
<p>Vielen Dank!</p>
eins sehr interessanter Beitrag, der hervorragend Ihren Expertenvortrag zum Dresdner Gründertreff unterstreicht. Alle Teilnehmer waren begeistert und werden sich sicher auch über diese Veröffentlichung freuen.
Nochmals vielen Dank hierfür
mfg David Sauer