Wie man in den Wald hineinruft…
Den Rhetorik-Lehrer Enkelmann habe ich einmal sagen hören, das erste Gesetz der Rhetorik laute: „Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus!“ Dieses Sprichwort mag jeder Mensch im deutschen Sprachraum schon oft gehört haben, und im Grunde erscheint seine Aussage so banal, dass sie nicht unbedingt in ein Rhetorik-Skript gehört. Dennoch ergeben sich bei näherer Betrachtung wertvolle Hinweise für das eigene Auftreten.
So ist es erstens entscheidend, wie ich meinen Zuhörern und Gesprächspartnern entgegentrete. Tue ich dies offen und freundlich und auf „Augenhöhe“? Oder bin ich unsicher oder wähne mich gar in der erhabenen Position des Belehrenden? Wie so oft im Umgang mit Menschen gibt es kein Richtig und Falsch. Es gibt nur das, was in einer konkreten Situation wirksam ist. Dabei ist jedoch die Art und Weise, wie ein Mensch auf andere zugeht, ausschlaggebend, wie die Präsentation oder das Gespräch verläuft.
Zweitens legt das Sprichwort nahe, sich gut auf die Zuhörer und Gesprächspartner vorzubereiten. Manche Rhetorik-Lehrer meinen, je besser ein Redner die Sprache seiner Zuhörer spricht, desto erfolgreicher könne er sein.
Aber wie funktioniert das?
Kurz gesagt: Je besser jemand in der Lage ist, (mehr oder weniger unbewusst) sein Gegenüber zu imitieren, umso wirksamer wird die Kommunikation verlaufen. Der Begriff Sympathie leitet sich von „sym-pathein“ (mit-empfinden) her. Sympathisch ist, wer anderen Menschen das Gefühl gibt, mitzufühlen, „mit ihnen“ zu sein. Nun funktioniert dies sicher nicht, indem man ab und an ein „Ich bin da ganz bei Ihnen!“ in die Rede oder das Gespräch einstreut. Den überwiegenden Teil dessen, was wir wahrnehmen, verarbeiten wir automatisch und unbewusst. Insbesondere die nonverbale Kommunikation ist nur bedingt bewusstseinsfähig, hat aber einen starken Einfluss auf das Verhalten.
Ein Beispiel aus der „Trickkiste“:
Stellen Sie während eines Gesprächs oder Vortrags rhetorische Fragen, denen die Zuhörer mehr oder weniger einfach zustimmen müssen. Anschließend stellen Sie die eigentliche Frage, um die es Ihnen geht, und ein wesentlich höherer Prozentsatz der Zuhörer wird – bereits an das Nicken gewöhnt – zustimmen, als wenn Sie die Frage einfach so direkt gestellt hätten…
Es gibt nicht die eine gute Art zu reden
Viele erwarten von Rhetorik-Trainings eine Art „Trickkiste“, wie sie in Zukunft besser mit bestimmten Situationen umgehen können – beispielsweise mit Lampenfieber oder mit „schwierigen“ Gesprächspartnern. Sicher gibt es solcherlei Tricks, aber ich möchte behaupten, dass sie zu nichts gut sind, außer, dass sie ggf. den Kontostand des betreffenden Rhetorik-Lehrers erhöhen. Denn so einfach ist es nicht. Man kann nicht zwei, drei Manipulationsstrategien erlernen (die es zweifelsohne gibt) und wird daraufhin alle Ziele erreichen.
Ich möchte behaupten, dass es nicht die eine gute Art gibt, Gespräche zu führen oder zu reden. Vielmehr gibt es viele unterschiedliche Menschen mit vielen verschiedenen Stärken und Schwächen. Was bei dem einen Menschen wirksame Kommunikation ist, kann bei einem anderen ganz schrecklich aussehen. Gute, überzeugende Rhetorik wirkt durch die Körpersprache. Da Körpersprache jedoch zu größeren Teilen unbewusst gesteuert wird, erfordern wirksame Rhetorik und Gesprächsführung ein gewisses Maß an Echtheit. Es gibt Menschen, die wie gedruckt lügen können. Ich meine, diese Menschen sind geborene Imitatoren. Sie können sich unbewusst an jede erdenkliche Situation anpassen und meinen dann im betreffenden Moment ganz ehrlich, was sie sagen. Und so ist es nicht erstaunlich, dass diejenigen Teilnehmer von Rhetorik-Trainings, die sich viel von so genannten Überzeugungsstrategien und manipulativen Tricks erwarten, in Zukunft vor allem eines nicht sein werden – überzeugend.
Ich habe Menschen getroffen, die bereits in den ersten Sekunden ihrer Präsentation einen „komischen“ Eindruck hinterlassen. Manchmal hat ihre Sprache aufgesetzt oder gar gepresst gewirkt, manchmal haben sie zu langsam gestikuliert oder so energisch und gleichzeitig abgehackt, dass man keinen Respekt verspürte, sondern sich das Lachen verkneifen musste. In jedem Fall hat die Körpersprache (unbewusst gesteuert) nicht mit der gesprochenen Sprache (bewusstseinsfähig) übereingestimmt. Gute, überzeugende Kommunikation kommt von innen, und das muss sie auch, denn sie bedarf der Übereinstimmung zwischen Worten (nach Watzlawick et al. [1996]: digitaler Modus) und Körpersprache (analoger Modus). Dies bedeutet, dass es tatsächlich nicht den einen Weg zur guten Rede gibt, sondern viele verschiedene. Jeder Mensch hat unterschiedliche Voraussetzungen – Stärken, auf die er sich bereits verlassen kann und die es ggf. auszubauen gilt, und Schwächen, die man zu reduzieren versucht.
Und wie gesagt: Was bei einer Rednerin gut aussieht, kann bei einer anderen ganz und gar lächerlich wirken. Ziel des Trainings sollte also ein besseres – im Sinne der Kommunikation wirksameres – Gesamtbild sein und nicht eine Sammlung einfacher Tricks, die man sich mit ein bißchen Zeit auch im Internet zusammensuchen könnte. Letztendlich geht es um Persönlichkeitsentwicklung.
Eine gute Rede will gut vorbereitet sein. Je besser die Vorbereitung, desto sicherer können Sie in die Redesituation hineingehen. Genauso wichtig wie der Inhalt ist jedoch, dass es Ihnen gut geht und Ihre Ausstrahlung stimmt. Der Inhalt ist also nur die halbe Miete, wenn überhaupt. Die anderen Bereiche der Wirkung sind nonverbal – Körperhaltung, Gestik, Blickkontakt, ggf. Freundlichkeit.
Es ist die Aufgabe des Redners, sein Publikum zu begeistern
Wenn ein Redner Begeisterung wecken möchte, geht es dabei – psychologisch betrachtet – um Emotionen, also um die Frage, wie ein Redner gezielt Emotionen auslösen kann. Die Physiologische Psychologie betrachtet das Bewusstsein als eine Nebenfunktion des Sprachzentrums. Als einer der im Verlaufe der Phylogenese zuletzt entstandenen Funktionsbereiche des Gehirns ist das Sprachzentrum nicht mit allen anderen (älteren) Funktionsbereichen in gleichem Maße verbunden. Das bedeutet, dass nicht alle Prozesse im Gehirn bewusstseinsfähig sind, sondern vielmehr nur ein eher kleiner Teil. Dies trifft insbesondere auf die emotionalen Prozesse zu – beispielsweise zeigen viele Menschen, wenn sie ärgerlich sind, die entsprechenden körpersprachlichen Signale, bevor sie selbst überhaupt merken, welche Emotionen sich ihrer bemächtigt haben. Manche emotionalen Zustände bemerkt man eher durch Selbstbeobachtung als anhand eines klar benennbaren Gefühls. Hier wird auch der Unterschied zwischen Emotion und Gefühl klar: Die Emotion ist das physiologische Ereignis und das Gefühl das quasi schemenhafte Echo der Emotion im Bewusstsein, also eine Art bewusstseinsfähiges Abbild des eigentlichen emotionalen (physischen) Geschehens. (Vgl. Carlson, 2004)
Der Ton macht die Musik
Das Bewusstsein als eine Nebenfunktion des Sprachzentrums ist nur in geringem Maße mit den emotionalen Verarbeitungszentren verbunden. Deshalb verlaufen viele handlungssteuernde Aktivitäten nicht oder nur teilweise bewusst ab. Schlussfolgerung für die Rhetorik: Es ist weniger wichtig, was gesagt wird, sondern vielmehr, wie es gesagt wird.
Wenn ein Redner nun sein Publikum begeistern möchte, dann findet er am Ehesten einen Zugang zum Publikum, indem er Emotionen hervorruft. Er muss sich einer Sprache bedienen, die vor allem auch die nicht bewussten (und damit wortlosen) Verarbeitungsprozesse anspricht. Es geht also weniger darum, was der Redner sagt, sondern wie er es sagt. Es geht um Gestik, Mimik, Körperhaltung (nonverbale Aspekte). Und es geht um das Sprechtempo, um Pausen in der Rede, um Betonung, um das Heben und Senken der Stimme (paraverbale Aspekte). Darüber hinaus kann ein Redner die emotionale Wirksamkeit seiner Darstellungen durch eine möglichst treffende Bildhaftigkeit seiner Sprache unterstützen, denn die Bildverarbeitung findet automatisierter und damit schneller statt als die Wortverarbeitung.
Hirnfreundliche Dramaturgie
Ein Redner braucht also beides – einen Spannungsbogen für die gesamte Präsentation und Methoden, um seine Zuhörer immer wieder zu aktivieren. Doch wie funktioniert das? Stellen Sie sich bitte einmal einen Standard-Vortrag oder eine „08/15“-Präsentation vor: Was erwarten Sie? Einen Redner, der in vierzig Minuten ebensoviele Powerpoint-Folien herunterspult? Und nun fragen Sie sich bitte, was passieren müsste, damit eine solche „08/15“-Präsentation abwechslungsreich und spannend wird… Welche Erwartungen haben Sie an eine spannende Präsentation? Wie kann man aus „Standard“ etwas machen, das die Zuhörer begeistert und überzeugt, ohne dabei gleich den reinsten Zirkus zu veranstalten?
Erkenntnisse aus der Hirnforschung legen nahe, dass eine gelungene Mischung wirksam ist: Eine gute Präsentation braucht den Spannungsbogen (bspw. durch die Nennung eines überraschenden Ergebnisses oder einer provokanten These bereits am Anfang der Präsentation) genauso wie kurzfristig fesselnde Elemente (Beispiele, Fragen, Auflockerungen, Kontraste zwischen den Folien, Verdeutlichung des Nutzens, rhetorische Stilmittel).
Zuhörer wollen aktiv eingebunden werden. Sie möchten nicht nur passiv konsumieren, sondern das Gefühl haben, Teil der Präsentation zu sein. Kleine Interaktionen, Fragen oder Aufforderungen sorgen dafür, dass das Publikum sich stärker beteiligt. Diese Beteiligung erhöht nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch die Verankerung der Inhalte.
Visuelle Hilfsmittel spielen eine zentrale Rolle. Aber: Weniger ist oft mehr. Präsentationsfolien sollten klar, einfach und übersichtlich sein. Komplexität überfordert, während einfache Strukturen und visuelle Anker die Inhalte unterstützen. Gut gestaltete Folien helfen, das Gesagte zu untermauern, ohne dabei abzulenken oder zu überfrachten.
Der erste Moment entscheidet. Gleich zu Beginn muss eine Verbindung entstehen, die Aufmerksamkeit erzeugt und das Interesse weckt. Ein Einstieg, der überrascht, provokant oder unerwartet ist, zieht die Zuhörer sofort in den Bann. Dabei sollte es nicht zu kompliziert sein – ein kurzer, prägnanter Aufhänger reicht oft aus, um die Bühne zu setzen und das Publikum auf den weiteren Verlauf vorzubereiten.
Menschen denken in Bildern, und genau hier setzt eine anschauliche Sprache an. Wenn Sie Geschichten erzählen, nehmen Sie Ihr Publikum mit auf eine Reise. Durch lebendige Erzählungen, konkrete Beispiele und klare Beschreibungen entsteht ein inneres Bild, das hilft, auch komplexe Themen verständlich und greifbar zu machen. Das Ziel ist es, nicht nur Informationen zu vermitteln, sondern eine emotionale Verbindung zu schaffen, die nachhaltig wirkt.
Monotonie ist der Feind jeder Präsentation. Abwechslung sorgt dafür, dass das Publikum wach und aufmerksam bleibt. Das kann ein Wechsel des Standorts im Raum sein, der den Redner aus einem neuen Blickwinkel zeigt, oder der gezielte Einsatz unterschiedlicher Medien. Wichtig ist, dass immer wieder neue Reize gesetzt werden, um das Interesse zu halten und den Fluss der Präsentation lebendig zu gestalten.
Zum Schluss kommt es darauf an, die Atmosphäre aufzulockern. Ein lockerer Kommentar, ein unerwarteter Witz oder eine humorvolle Anekdote können Wunder wirken. Solche Momente brechen die Spannung auf angenehme Weise und schaffen eine Verbindung, die das Publikum entspannt und die Aufmerksamkeit neu bündelt. Es geht darum, Leichtigkeit in die Präsentation zu bringen, ohne dabei die Ernsthaftigkeit des Themas zu verlieren.
Jede Präsentation lebt davon, dass der praktische Nutzen klar erkennbar wird. Es geht nicht nur darum, Informationen weiterzugeben, sondern auch darum, zu zeigen, warum diese Informationen relevant sind. Was bringt das Gehörte den Zuhörern? Wie können sie es in ihrem Alltag nutzen? Indem Sie diese Aspekte wiederholt in den Vordergrund rücken, schaffen Sie eine starke Bindung und erhöhen die Bedeutung Ihrer Inhalte.
Bilder sind wirksamer als Worte
Einem deutschen Wirtschaftsminister wird der Ausspruch zugeschrieben, dass Wirtschaft zu 50% Psychologie sei. Wie hoch der Anteil der Psychologie genau ist, kann zwar nicht exakt bestimmt werden, aber die bedeutende Rolle, die Marketing und Werbung heute für den wirtschaftlichen Erfolg spielen, spricht für sich. Mit Marketing und Werbung haben sich auch die entsprechenden fachbezogenen psychologischen Wissenschaften entwickelt – die Markt- und die Werbepsychologie.
Einer der wesentlichen Lehrsätze der Werbepsychologie besagt, dass Bilder leichter verarbeitet werden als Worte. Bilder werden zuerst betrachtet, schneller verarbeitet, schneller gelernt und bleiben besser im Gedächtnis als Worte. Darüber hinaus erscheinen Sie glaubwürdiger, weil sie sowohl bewusst (analytisch) als auch unbewusst (emotional wirksam ohne die Möglichkeit einer „Bewertung“) verarbeitet werden. Im Falle angenehmer Motive befördern Bilder eine positive Einstellung gegenüber einer Werbeanzeige. Werbung wird unter anderem deshalb immer weniger argumentationsbetont. Lag der Anteil der Anzeigenwerbung ohne Fließtext 1960 noch bei 16%, so waren es 1990 bereits 37%. Der Flächenanteil von Bildern in Anzeigen wächst, demgegenüber nimmt die Länge der Fließtexte ab. Die Beachtungschance einer Anzeige ist um so größer, je weniger Text sie enthält. Werbeprofis würden sogar ganz auf Text verzichten, wenn Forscher nicht herausgefunden hätten, dass Anzeigen, die etwas Text enthalten, für seriöser gehalten werden (vgl. Felser, 2001).
Die Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Vorträgen und Präsentationen liegen auf der Hand: Bilder sagen mehr als Worte – benutzen Sie daher in Präsentationen durchaus Bilder! Der Rhetorik-Lehrer Pöhm (2002) meint sogar, Bilder sollten großflächig (auf der gesamten Folienfläche nur ein Bild) und möglichst ohne zusätzliche Worte verwendet werden. Des Weiteren sollten Sie möglichst bildhaft (Analogien, Wort-Bilder) und konkret (Beispiele, Nutzen) sprechen.
Bilder kommunizieren mehr Inhalte in kürzerer Zeit. Im Text erhalten die Informationen eine Reihenfolge, während sie durch Bilder simultan erfassbar werden. Die Verarbeitung von Bildern erfolgt schneller und intuitiver. Deshalb sollte die Sprache eines Vortragenden möglichst bildhaft sein. Werden Folien eingesetzt, so ist es ratsam, mit Text sparsam umzugehen und auch hier zusätzlich Bilder zu verwenden.
Bewusste und unbewusste Informationsverarbeitung
Menschen verarbeiten Informationen zu jeder Zeit sowohl bewusst als auch unbewusst, wobei sich die beiden Modi der Informationsverarbeitung hinsichtlich ihrer Eigenschaften deutlich unterscheiden: Der bewusste Modus hat eine wesentlich geringere Kapazität und erfordert vom Zuhörer einen erheblichen Aufwand an Konzentration und kognitiver Energie. Der unbewusste Weg der Informationsverarbeitung funktioniert hingegen automatisch und erfordert keine Aufmerksamkeit. Wenn Sie also beim Lesen einer Zeitung eine Doppelseite mit Werbung achtlos betrachten und nach zwei Sekunden weiter blättern, heißt das nicht, dass diese Werbung wirkungslos an Ihnen vorbeigegangen ist. Bei Präsentationen sollten Sie deshalb darauf achten, dass Sie beide Modi der Informationsverarbeitung in geeigneter Weise bedienen – bspw. indem Sie Bilder einsetzen und möglichst anschaulich sprechen (unbewusster, automatischer Weg der Verarbeitung) und indem Sie die auf Folien dargestellten Texte soweit reduzieren, dass die Konzentration der Zuhörer davon nicht vollkommen in Anspruch genommen ist. Gute Folien unterstützen die Worte des Redners, allzu ausführliche Folien rauben dem Redner die Aufmerksamkeit und damit die Wirkung.
Der so genannte „Dritte-Person-Effekt“ besagt, dass die meisten Menschen glauben, Werbung wirke nur bei anderen, nicht aber bei ihnen selbst. Dem ist jedoch nicht so: Selbst beiläufig und unbewusst wahrgenommene Informationen hinterlassen Gedächtnisspuren, die dann die Zugänglichkeit zu den betreffenden Informationen im Gedächtnis (ebenfalls unbewusst) erhöhen. Beinahe die gesamte Fernsehwerbung zielt nur noch auf unbewusste Informationsverarbeitung ab: Ziel ist, dass die Konsumenten sich für das Produkt entscheiden, dessen Gedächtnisspuren am leichtesten abrufbar sind. So wählen Konsumenten dann aus 30 austauschbaren Produkten im Drogeriemarkt dasjenige aus, das mit den meisten bzw. positivsten Gedächtnisspuren besetzt ist.
Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses
Die menschliche Informationsverarbeitung verläuft nach einem festgelegten Muster:
- Wahrnehmung
- Auswahl relevanter Informationen zur Weiterverarbeitung durch aktivierte Schemata aus dem Vorwissen
- Weiterleitung der sensorischen Informationen ins Ultrakurzzeitgesächtnis (Verbleib der Informationen: einige Millisekunden)
- Weiterleitung ins Kurzzeitgedächtnis (Verbleib der Informationen: einige Sekunden)
- Übertragung ins Langzeitgedächtnis durch Verarbeitung bzw. mehrfache Wiederholung
Das Kurzzeitgedächtnis hat eine begrenzte Kapazität: Lediglich 7 +/- 2 Aspekte können von Kurzzeitgedächtnis simultan erfasst bzw. verarbeitet werden. Es ist daher ratsam, lediglich fünf bis sieben Aspekte auf eine Folie zu bringen (bspw. Bild, Überschrift, drei Punkte).
Die Verlockung der Bühne
Die „Bühnensituation“ des Redens oder Präsentierens birgt – neben der Herausforderung – auch einige Gefahren. Manche Menschen lassen sich von der Möglichkeit verführen, im Rampenlicht zu stehen. Winkler & Commichau (2005) nennen dies die „Narzissmus-Falle“. Im Grunde geht es darum, dass es in manchen Persönlichkeiten Wesenszüge gibt, die dazu prädestinieren, dem Publikum gefallen zu wollen und die Rede diesem Bedürfnis unterzuordnen.
Narzissten geht es in erster Linie um ihren Selbstwert. Grundsätzlich geht es jedem Menschen darum, aber Narzissten sind davon in besonderer Weise betroffen, denn sie können Bestätigung nur in unzureichender Weise speichern. Kurz gesagt: Narzissten brauchen ständig Bestätigung, können in gewisser Weise unersättlich sein. Ihre Gefühle schwanken zwischen Großartigkeit und Wertlosigkeit, und sie reagieren besonders schnell gekränkt. Eine Bühne hat „narzisstische Verführungsqualitäten“ (Commichau & Winkler, 2005, S. 14). Bühnen können auch in weniger narzisstischen Menschen das entsprechende Potenzial wecken, insbesondere „wenn das Publikum groß und (hierarchisch oder gesellschaftlich) ‘bedeutend’ ist“ (ebd.).
Einem narzisstischen Redner geht es vor allem darum, gut dazustehen, Lob zu erhalten, und in Konkurrenzsituationen der Beste zu sein. Entsprechende Verhaltensweisen: Charme, Brillanz, perfekte Rhetorik, guter & trickreicher Umgang mit Fragen und Einwänden, Beherrschung modernster Vortragsmedien, kaum Angriffsflächen, gepflegtes Äußeres, „sein“ Publikum mit Heilsversprechen begeistern: Werdet wie ich!
Der Einsatz eines narzisstisch motivierten Redners ist extrem hoch, aber er wird niemals wirklich zufrieden sein können: Erreicht er sein Ziel, hat er nichts davon, es nährt seinen Hunger nicht. Die „narzisstische Spirale“: Einerseits wächst die Anstrengung, noch besser zu sein, andererseits wächst aber auch die innere Aushöhlung. „Man fühlt sich, wenn die psychische Abwehr nicht absolut stabil ist, im Grund als Mogelpackung und muss noch mehr Energie aufwenden, um das nach außen zu verbergen und innerlich abzuspalten.“ (Winkler & Commichau, 2005, S. 16)
Narzisstische Redner schreiben ihren Zuhörern eine enorme Macht zu: Im besten Falle „bändigen“ sie ihre Zuhörer, im schlimmsten Falle wähnen sie sich in der Höhle des Löwen. Potenzielle Quellen für Energie sind bspw. echte Begeisterung für das Thema oder tatsächliches Interesse an den Zuhörern. Diese Quellen fließen aber nicht für den Narzsissten, da er alle Leichtigkeit unter dem Druck des Perfektionszwanges verliert. (Vgl. Winkler & Commichau, 2005, S. 16f.)
Die Zuhörer werden von einem narzisstischen Redner in gewisser Weise „missbraucht“: Der Redner (Trainer, Referent…) motiviert seine Zuhörer, doch es geht ihm mit seinem „Beziehungsangebot“ nicht um sie, sondern um sich. Es geht nicht um „Wie Du die Dinge siehst (oder Wie Du Dich fühlst), ist in Ordnung.“ oder um „Ich habe Fähigkeiten und Grenzen, und die sind transparent.“, sondern es geht um die Mehrung des Ruhms, der Macht und des Selbstwertgefühls des Redners. Widerstand wird von solchen Rednern als ungehörig empfunden. Besonders drastische Beispiele geben jene Trainer ab, die (teilweise ganz offen) der Meinung sind, „man müsse Teilnehmer erst ganz klein machen, regelrecht zerstören, um sie dann neu aufbauen zu können“ (Winkler & Commichau, 2005, S. 16f.).
Alle Redner, Trainer usw. werden immer wieder von ihren Zuhörern getestet. Das ist normal. Aber geht es dem Referenten dann ausschließlich um den Widerstand oder darf der Zuhörer so sein, wie er ist? Des Pudels Kern ist also die innere Ausrichtung des Redners – er braucht wirkliches Interesse am Thema und an den Zuhörern sowie genügend Selbstwertgefühl auch ohne permanenten Erfolg.
Viele Menschen, die gerne reden, haben etwas von der hier diskutierten „Bühnen-Mentalität“. Ganz so schlimm, wie Winkler & Commichau (2005) es darstellen, ist es nicht. Am Ende geht es ganz einfach um Anstand und Charakter bzw. um die Frage, warum jemand gerne redet – geht es ihm um die Sache oder nur um sich selbst? Oder ist es irgendetwas dazwischen?
Literatur
Bock, H. (2008): Kommunikative Handlungskompetenzen I: Rhetorik, Argumentation und Gesprächsführung. Dresden International University: Studienskript
Boneberg, I. (2008): Präsentation und Rhetorik. In: T. Steiger & E. Lippmann: Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg: Springer Medizin Verlag
Carlson, N. R. (2004): Physiologische Psychologie. 8., aktualisierte Auflage. München: Pearson Studium
Felser, G. (2001): Werbe- und Konsumentenpsychologie. 2. Auflage. Heidelberg, Stuttgart: Spektrum Akademischer Verlag
Fog, K.; Budtz, C. & Yakaboylu, B. (2004): Sorytelling. Branding in Practice. Berlin: Springer
Irle, M. (2008): Das ungeschriebene Buch. In: brand eins Wirtschaftsmagazin. 10. Jahrgang. Heft 02 (Februar 2008)
Jung, C. G. (2008): Archetypen. 14. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag
Mark, M. & Pearson C. S. (2001): The Hero and the Outlaw. New York: McGraw-Hill
Pöhm, M. (2002): Vergessen Sie alles über Rhetorik. Frankfurt am Main: mvg Verlag
Thiele, A. (2006): Die Kunst zu überzeugen – Faire und unfaire Dialektik. 8. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer
Thiele, A. (2007): Präsentieren Sie einfach. Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine Buch
Watzlawick, P.; Beavin, J. H. & Jackson, D. D. (1996): Menschliche Kommunikation. 9., unveränd. Aufl. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Huber
Winkler, M. & Commichau, A. (2005): Reden. Handbuch der kommunikationspsychologischen Rhetorik. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag