Zunächst eine Vorbemerkung: Man wird nicht besser in Gesprächsführung, wenn man sich ein paar Techniken aneignet. Und schon gar nichts nutzt es, wenn man auf eine Kiste voller Tricks hofft. Vielmehr berichten Trainingsteilnehmer bereits nach wenigen Wochen des Übens, dass
- sie sich selbst mehr beobachten und dadurch aus Fehlern lernen,
- die Wortwahl bewusster wird und sich dadurch insgesamt ein besseres Gefühl für Gespräche entwickelt,
- gerade ein positiver Gesprächsanfang dem Gesprächspartner hilft, Kritik besser anzunehmen. (Häufigste Beobachtung: Gesprächspartner bleiben nach positivem Gesprächsanfang beim Übergang zur Kritik zugewandt und hören weiter zu.)
Diese Beobachtungen belegen die ganzheitliche Natur von Trainingseffekten – die Technik allein zu kennen und in Formulierungen zu übertragen nutzt nichts, vielmehr muss lange geübt werden, und die Veränderung wird nur mit der oder dem Übenden als ganzer Person wirksam.
Neben diesen allgemeinen Bemerkungen sei noch etwas anderes vorangestellt, was den Einsatz von Gesprächstechniken kompliziert macht: Je nach Gesprächsinhalt und besonders beim Thema Kritik kommen unterschiedliche Persönlichkeitsprofile bzw. Typen zum Tragen. Es gibt Menschen, denen bereits eine ruhig vorgetragene, sachliche Kritik beinahe den Boden unter den Füßen wegzieht. Andere Menschen bedürfen hingegen einer sehr klaren Ansage, damit sie überhaupt merken, dass es sich (a) um Kritik handelt und (b) sie selbst gemeint sind. Wenn sich aus solchen Erfahrungen überhaupt allgemeine praktische Schlussfolgerungen ableiten lassen, dann diese: Gerade am Anfang (bspw. bei neuen Mitarbeitern während der ersten Monate der Betriebszugehörigkeit oder bei Rückkehrern nach längeren Pausen, so etwa nach einer längeren Erziehungszeit) bzw. während der ersten Gespräche ist besonderes Augenmerk geboten. Die Orientierung an standardisierten Gesprächsmodellen (Beispiel für eine sanfte Variante: a. Erwartungsklärung, b. Positives zuerst, c. Schilderung von Beobachtungen, d. eigenen Standpunkt erfragen, e. gemeinsame Interpretation, f. Vereinbarungen) hilft, zunächst eine positive und tragfähige Beziehung aufzubauen. Im Laufe der Entwicklung dieser Beziehung können sich die Partner dann zunehmend besser einschätzen, und die Kommunikation erhält die für die Beziehung typische Art und Weise, in der bspw. dann auch direkt mit dem Kritikpunkt begonnen werden kann, ohne dass dies negative Auswirkungen hat, im Gegenteil.
Kommen wir nun zu einigen Hinweisen zu Dingen, die Sie im Interesse eines konstruktiven Gesprächsverlaufs besser lassen sollten:
- Wie oft benutzen wir in ganz alltäglichen Gesprächen die Floskel »Ja, aber…«? Diese abermillionenmal gebrauchte Formulierung ist nur eine vermeintlich höflichere Form der direkten Verneinung. Weil es im sozialen Kontakt eher ungünstig ist, direkte Ablehnung zu äußern, haben sich abgeschwächte Formen entwickelt – und dabei gehören wir Deutschen noch zu den am direktesten formulierenden Völkern. In China wird man beispielsweise kaum ein Nein hören. Nein heißt dort eher: »Wir sollten noch dreimal darüber nachdenken.« In Russland – genau dazwischen – bekommt man zunächst eine ganze Reihe von Malen »Ja« zu hören, aber es passiert nachher ggf. gar nichts. Und auch wenn die Russen im Ausland vielerorts ein schroffes Image haben – ein direktes Nein kommt im Umgang untereinander sehr selten vor. »Ja, aber…« meint Nein und impliziert Ablehnung. Es ist daher besser – gerade dann, wenn es noch keine tragfähige Vorgesetzten-Mitarbeiter- oder Kollegenbeziehung gibt – auf das »aber« zu verzichten. Probieren Sie es aus: Tauschen Sie das »aber« in allen »Ja, aber…«-Sätzen eines beliebigen Tages einfach durch ein simples »und« aus. Das ist gar nicht so leicht, wie es klingt, Sie werden aber von der Wirkung überrascht sein.
- In der Auswertung einer längeren Praxiszeit zwischen zwei Trainingsterminen sagte eine Teilnehmerin: »Die Leute reagieren anders, wenn man sich nicht rechtfertigt.« Ein anderer Teilnehmer stimmt zu: »Rechtfertigungen wegzulassen macht die Aussagen klarer.« Gerade im Hinblick auf Kritikgespräche oder andere eher schwierige Gesprächsthemen treffen diese Beobachtungen zu, denn man raubt seinen vorher wohlgesetzten und gut gemeinten kritischen Worten durch eine Rechtfertigung jede Wirkung – etwa so: »Gefallen hat mir… und gut war auch…, aber Du musst schneller werden. … Am Ende ist das alles nicht so schlimm, Du weißt ja, dass ich dieses Gespräch hier mit Dir führen muss.« Analysiert man diese wenigen Sätze allein auf der Grundlage des bisher Gesagten, so erscheinen die Formulierungen als eine Aneinanderreihung von Fehlern: »Gefallen hat mir… und gut war auch…, aber [erster Fehler: und statt aber] Du [zweiter Fehler: Sprich im Ich!] musst [dritter Fehler: Zwang] schneller werden. … Am Ende ist das alles nicht so schlimm [vierter Fehler: Relativierung und Abwertung des eben selbst Gesagten], Du weißt ja, dass ich dieses Gespräch hier mit Dir führen muss [fünfter Fehler: Rechtfertigung].«
- Was gerade über das Thema Rechtfertigung gesagt wurde, gibt es auch in umgekehrter Richtung. Beschäftigt man sich mit der Verwendung von Fragen in Gesprächen, so lernt man, dass offene Fragen in vielen Gesprächssituationen hilfreicher sind als geschlossene. Dementsprechend wird in vielen Trainings über die Vorteile offener und die Nachteile geschlossener Fragen gesprochen. Von dieser Regel gibt es aber eine Ausnahme, nämlich die Frage nach dem Warum. Die Fragewörter »Warum« und »Wieso« verlangen Rechtfertigung und setzen den Gesprächspartner damit in gewisser Weise unter Druck. Man sollte also vorsichtig sein mit der Warum-Frage, denn sie stellt automatisch eine hierarchische Beziehung her. Das muss nicht schlecht sein, und manchmal versucht man gezielt, diese Wirkung hervorzurufen. Aber man sollte sich bewusst sein, dass die Frage nach dem Warum ein »oben« (die Position, aus der man andere nach Gründen fragen darf) und ein komplementäres »unten« herstellt (die Position, in der man anderen eine Erklärung schuldig ist).