Wir blicken mit Sorge auf die gegenwärtigen Verhältnisse in Deutschland. Einerseits werden Diskussionen immer polarisierender geführt. Andererseits sagen viele Menschen nicht mehr laut, was sie denken. Die Art und Weise, wie wir miteinander reden und wie wir uns gegenseitig hinterfragen, ohne wirklich miteinander zu streiten, vermindert den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Hier finden Sie eine ausführlichere Beschreibung der Inhalte des Buches und unserer Motivation, es zu schreiben.
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Es hilft wenig, über gute Kommunikation zu reden, gute Kommunikation muss man machen: wider eine „Kultur der gegenseitigen Hinterfragung und des Belehrens“
Damit Kommunikation gelingt, bedarf es einer Voraussetzung. Die Beteiligten müssen miteinander reden und einander verstehen wollen. Das bedeutet unter anderem, dass ich mein Gegenüber ernst nehme. Was momentan geschieht, hat damit jedoch zu oft nichts zu tun. Anstatt Protest als das zu nehmen, was er ist – jemand ist nicht einverstanden und sagt das – wird dem Protest oft die Berechtigung abgesprochen. Es wird nicht zugehört, sondern belehrt. Man könne dies oder das nicht so sehen, man sei undemokratisch und so weiter.
Was geschieht, wenn man Menschen, die gegen etwas sind, belehrt anstatt sie ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören? Wenn die Macht auf der Seite der vermeintlichen Besserwisser groß genug ist, ziehen sich die anderen zurück, sprechen nicht mehr öffentlich, sondern nur noch im persönlichen Umfeld. Aber sie ändern ihre Meinungen nicht, im Gegenteil: sie werden offener für radikale Positionen. Eigentlich müsste man sich hinsetzen und zuhören. Aber das ist nicht spannend. Viel spannender ist es, das Geschehen zu hinterfragen und eine krasse Überschrift zu formulieren. Dies geschieht oft genug nur, weil wir es können. Überschriften haben eine kürzer werdende Halbwertszeit. Der Modus einer solchen Währung ist leider: je krasser, desto besser. Das ist kein Argument gegen Medien oder soziale Netzwerke, wohl aber ein Argument für Gelassenheit, Geduld und Demut. Es geht darum, das Verbindende in den Fokus zu nehmen. Es ist einfacher, darüber zu reden oder zu schreiben, was uns trennt. Ab an den Pranger, das gibt Beifall im eigenen „ideologischen Bunker“.
Wir sitzen in unseren „sozialen Echoräumen“ und befassen uns lieber mit Meinungen, die unserer eigenen entsprechen. Das stilisieren wir dann wahlweise zu einem „nicht verhandelbaren demokratischen Konsens“ oder zur „Rettung Deutschlands“ hoch. Wenn dann jeder aus seinem ideologischen Bunker heraus posaunt, was in seinem Bunker gerade verhandelt wird, hört man draußen nur noch Thesen. Der gemeinsame Platz – die Zeitung, die Kneipe, der Sportverein, die Kirchgemeinde, das sonntägliche Mittagessen – wird leerer. Viele gehen an die Ränder des gemeinsamen Platzes in ihre Bunker und rufen sich, angefeuert von ihresgleichen, gegenseitig Behauptungen zu. Immer weniger kommen wirklich heraus und ertragen verschiedene Meinungen. Dieses Ertragen hat viel mit persönlicher Stärke zu tun, mit der Fähigkeit, die Unsicherheit auszuhalten, die es bedeutet, mit einer Meinung gegebenenfalls alleine zu sein. Ich kann zuhören, nach dem Verbindenden suchen, kann Fragen stellen und lernen, dass es ein „Binnenspektrum“ an Meinungen gibt. Ich kann meine Vor-Verurteilungen aufgeben und ohne die Rückversicherung des eigenen ideologischen Bunkers leben. Das macht mich verletzlich. Doch dann entdecke ich die menschlichen Seiten meines Gegenübers. Ich höre seine Geschichte, seine Gedanken, seine Ängste. Mein Gegenüber tritt, bildlich gesprochen, vor mein Vorurteil und bekommt einen Namen. Wir werden nicht einer Meinung sein. Aber ich kann Beweggründe verstehen – und respektieren. Denn es ist unser Land, unser Frieden. Ich werde auf diese Weise nicht alle erreichen. Ein Teil der Menschen wird sich auch in Zukunft dafür entscheiden, eine vorverurteilende oder sogar radikale Position einzunehmen. Einen gewissen Teil davon erträgt unsere Gesellschaft, wenn wir „liebend kämpfen“ (Karl Jaspers) – also verbunden bleiben und streiten ohne das Echo aus den Bunkern. Heraus kommt dann natürlich nicht genau das, was die einen oder die anderen jeweils wollen. Heraus kommt etwas Gemeinsames.
Dieser Text fasst einige der wichtigsten Thesen unseres Buches zusammen. Eine ausführlichere Version des Textes ist 2018 im Dresdener Magazin Funkturm (Nr. 2/2018) erschienen.