Wenn wir Unternehmen und Organisationen dabei helfen, mit ihren jeweiligen Herausforderungen besser umzugehen, treffen wir auf viele Beispiele, wie man es lieber nicht versuchen sollte. Es ist leicht festzustellen, dass etwas „nicht richtig“ läuft, und noch schwerer ist es, die Ursachen dafür zu finden. Die wohl schwierigste Aufgabe ist dann, über eine zutreffende Analyse hinaus gangbare Schritte in Richtung Verbesserung zu finden. Wir haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass gelingende Veränderungen weniger eine Frage der Wahl der „richtigen“ Strategie sind. Wir meinen vielmehr, dass es angesichts der Komplexität der Ausgangssituationen und der mehr oder minder ständigen Veränderungen keine passenden, der Vielfalt und Komplexität angemessenen Modelle gibt.
Gelingende Veränderungen entsprechen – und häufig wird das erst im Nachhinein klar – viel häufiger einem Muster aus Versuchen und Irrtümern, also Lernprozessen von Schritt zu Schritt, wobei man, um mit Argyris (1993) zu sprechen, nur etwas lernt, wenn man Fehler macht (und diese auch auswertet!) oder wenn etwas zum ersten Mal gelingt (und man dies auch bemerkt!). Wenn dem so ist und gelingende Veränderungen eher eine Frage des Lernens aus Fehlern und kleinschrittiger Vorgehensweisen als eine Frage „großer“ Strategien sind, dann wird gleichsam der Prozess selbst zur Strategie, und die inkrementellen Vorgehensweisen etwa im Rahmen von Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP) oder von Softwareentwicklungsprozeduren wie SCRUM werden zum Muster der Veränderung.
Wenn dem so ist, dann müssen sich in der Praxis gelingende Fälle von weniger oder nicht gelingenden Fällen unterscheiden. In der Tat belegen Forschungsergebnisse auf eindrucksvolle Weise, dass es auf Kleinschrittigkeit, Lernen, Versuchsphasen (Probeläufe, Trial and Error, in Lernphasen eine anfangs konstante Teambesetzung) und die richtige Führungshaltung ankommt (Edmondson et al. 2001). Entscheidend ist darüber hinaus das Ausmaß an psychologischer Sicherheit (Edmondson 1999).
Kürzlich befragten wir ein relativ unabhängig arbeitendes Team von Pädagogen und Psychologen, dessen Arbeitsfeld als „psychisch belastend“ charakterisiert werden kann, und das sich in mancher Hinsicht von gleichartigen Teams positiv unterscheidet (weniger Krankheits- und andere Fehltage, geringeres Ausmaß der zum Ausdruck gebrachten psychischen Belastung, höheres Kontrollerleben), nach den Arbeitsweisen, die zu diesem positiven Unterschied beitragen. Die Ergebnisse unserer kleinen Fallstudie weisen in eine ganz ähnliche Richtung wie die Resultate von Edmondson et al. (2001):
- Das Prinzip der kleinen Einheit: In einem kleinen Team kann man Arbeitsabläufe besser organisieren und mit eventuell auftretenden Störungen besser und schneller umgehen als in großen Teams.
- „Sicherung“ für auftretende Fluktuation: Bereits in der Startphase des Teams vor mehr als zehn Jahren wurde ein standardisierter Einarbeitungsprozess entworfen, festgelegt und dokumentiert. Seither kann die zwischenzeitlich auch stärkere Fluktuation (in manchen Jahren bis zu 40%) gut kompensiert und tendenziell sogar als Entwicklungsimpuls genutzt werden.
- Feste Gelegenheiten zur Reflexion und zur Verbesserung: Das Teamklima ist von gegenseitiger Unterstützung geprägt. Jede/r kann alle Fragen stellen. Neben den regelmäßigen organisatorischen Teamsitzungen gibt es auch längere Sitzungen in regelmäßigen Abständen, die nur der Reflexion dienen (Lernen aus abgeschlossenen Fällen, Reflexion laufender Fälle, Teamentwicklung, methodische Verbesserungen, Weiterbildung).
- Hoher Tätigkeits- und Entscheidungsspielraum: Es gibt im Team zwar Spezialisten für bestimmte Themen und Methoden, dennoch bearbeiten die Teammitglieder ihre Aufgaben zunächst unabhängig voneinander. Das sichert einerseits die Flexibilität und sorgt andererseits für wechselnde Herausforderungen. Niemand ist nur Spezialist und tut ausschließlich, worauf sie oder er spezialisiert ist, sondern zunächst werden Aufgaben bzw. Fälle ganzheitlich bearbeitet, d. h., Spezialistenrollen werden nur bei Bedarf hinzugezogen.
- Wertschätzung und Augenhöhe: Im Team gibt es zwar eine Leitung, die bei entsprechenden Fragen auch als solche im hierarchischen Sinne agiert (Entscheidungen in Personalfragen, disziplinarische Regelungen etc.), die sich jedoch in inhaltlichen und methodischen Fragen als Teil des Teams und auf Augenhöhe versteht. Die Integrität der fachlich handelnden und in diesem Sinne auch in den meisten Fällen eigenständig entscheidenden Teammitgliedern wird gewahrt. Selbststeuerung, Reflexion und gemeinsames Lernen haben Vorrang.
- Keine existentiellen Themen: Das Team betont immer wieder, wie wichtig es sei, dass die in der Branche ansonsten nicht unüblichen „Not-Szenarien“ (befristete Arbeitsverträge, Finanzierung von Personalkosten über Anträge, leistungsbezogene Abrechnung mit teilweise hohen Unsicherheitsfaktoren) keine bedeutende Rolle spielen. Man dokumentiere zwar lückenlos und werde auch leistungsbezogen finanziert, aber das habe keine existentielle Dimension, sondern diene im Gegenteil der kontinuierlichen Verbesserung. Auch sei man gewohnt, bei Fragen auf die jeweils beteiligten Personen und Institutionen offen zuzugehen und zu verhandeln.