Wie kam Freud darauf, so etwas wie ein „Unterbewusstsein“ zu vermuten?

In sei­ner Vor­le­sung zur Ein­füh­rung in die Psy­cho­ana­ly­se schil­dert Freud Phä­no­me­ne, die er „Fehl­leis­tun­gen“ nennt. In der All­tags­spra­che wer­den Fehl­leis­tun­gen als „Freud­sche Ver­spre­cher“ bezeich­net. Von einer Fehl­leis­tung kann gespro­chen wer­den, wenn sich ein Mensch „ver­spricht“, „ver­hört“ oder „ver­sieht“. Die Ursa­che für Fehl­leis­tun­gen sieht Freud in unbe­wuss­ten Beweg­grün­den, bei­spiels­wei­se Inten­tio­nen, die sozia­len Nor­men oder all­ge­mein gül­ti­gen Anstands­ge­füh­len wider­spre­chen (wenn z. B. etwas zum „Vor­schwein“ kommt anstatt zum „Vor­schein“). Nach Freud ist jedes Ver­hal­ten als moti­viert anzu­se­hen. Dem­nach sind Fehl­leis­tun­gen Aus­druck bestimm­ter inne­rer Beweg­grün­de. „Jede mensch­li­che Hand­lung hat eine Ursa­che und einen Zweck, die ent­deckt wer­den kön­nen durch die Ana­ly­se von Gedan­ken­as­so­zia­tio­nen, Träu­men, Feh­lern und ande­ren Ver­hal­tens­hin­wei­sen auf die inne­ren Beweg­kräf­te.“ (Zim­bar­do & Ger­rig 2004, S. 614)

Wenn nun ein Mensch Fehl­leis­tun­gen pro­du­ziert und die­se wie­der­um Ursa­chen haben; die­se Fehl­leis­tun­gen dem betref­fen­den Men­schen jedoch ohne Absicht unter­lau­fen, so Freuds Schluss­fol­ge­rung, dann sind die Ursa­chen der Fehl­leis­tun­gen nicht zugäng­lich. Die nicht zugäng­li­chen Ursa­chen sind dem­nach Moti­ve, die sich der Kennt­nis (Bewusst­heit) und der Kon­trol­le ent­zie­hen. Aus die­sen Über­le­gun­gen sam­mel­te Freud ers­te Indi­zi­en für sei­ne Theo­rie des Auf­baus der Psy­che in Unbe­wuss­tes, Vor­be­wuss­tes und Bewusstes.

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war selbst mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt und an mehreren Universitäten und Hochschulen als Lehrbeauftragter tätig, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.