Einerseits streben Menschen nach Sicherheit. Für viele Mitarbeiter sind Kontinuität und stabile Abläufe deshalb wichtige, Halt gebende Faktoren. Andererseits müssen sich Organisationen immer wieder anpassen und weiterentwickeln. Standards, Kundenwünsche und Vorgaben durch Kostenträger ändern sich fortwährend. Für Führungskräfte bedeutet das eine ständige Gratwanderung zwischen Stabilität und Veränderung. Einerseits sollen sie Verlässlichkeit und Sicherheit signalisieren, andererseits Veränderungen umsetzen. Das bringt große Herausforderungen mit sich, vor allem, was die Kommunikation mit Mitarbeitern betrifft.
Bei Veränderungen geht es zunächst um drei Fragen:
- Was soll verändert werden?
- Was ist der Grund für die Veränderungen?
- Was wird durch die Veränderungen bewirkt? Was wird dadurch anders bzw. leichter oder besser?
Es ist hilfreich, Mitarbeiter bereits von Anfang an in die Veränderung einzubeziehen. In sehr kleinen Einrichtungen kann man notwendige Veränderungen mit dem gesamten Team erarbeiten. In größeren Einrichtungen oder Organisationen ist es hilfreich, eine bereichs- und hierarchieübergreifend zusammengesetzte Arbeitsgruppe zu bilden. Hierzu sollte man Mitarbeiter nach Eignung auswählen und ihre Bereitschaft abfragen. Freiwilligkeit ist wichtig. Es geht nicht so sehr darum, eine „vollständig repräsentative“ Auswahl zu bilden, sondern vor allem darum, solche Mitarbeiter einzubeziehen, die für wichtige Schnittstellen verantwortlich sind oder einen besonderen Einfluss in wichtigen Arbeitsbereichen haben oder eine wichtige Schlüsselqualifikation mitbringen. Wichtig ist, dass die Gruppenmitglieder Veränderungen nicht von vornherein ablehnen. Ziel ist, dass nicht nur die Führungskräfte an der Spitze der Organisation, sondern eine Gruppe aus Vertretern aller wichtigen Bereiche und Hierarchieebenen zum „Besitzer des Veränderungsprozesses“ wird. Die Arbeit einer solchen Gruppe ähnelt einem PDCA-Zyklus (plan, do, check, act).
Vorphase:
- Vorüberlegungen, in welchen Bereichen und zu welchen Prozessen, Strukturen oder Themen Veränderungen anstehen oder angestrebt werden sollten
- Vorauswahl der Gruppenmitglieder
- Individuelle Anfragen bezüglich der Bereitschaft mitzuwirken durch die (Top-)Führungskräfte
Erstes Treffen der Gruppe:
- Ansprache durch die Top-Führungskräfte zur Notwendigkeit und zu den „großen Zielen“ der Veränderungen
- Analyse der Ist-Situation (bspw. auf der Grundlage einer Mitarbeiterbefragung oder aktueller Unternehmenszahlen) durch die Gruppe (frei moderiert durch eine Stabsstelle oder durch einen externen Moderator, bei kleineren Einrichtungen durch eine Führungskraft, aber nicht unbedingt die Hausspitze)
- Zusammenfassende Visualisierung der Ist-Situation
- Ableitung von Handlungsfeldern, Priorisierung dieser Handlungsfelder
Weitere Treffen der Gruppe:
- Genauere Analyse des ersten Handlungsfelder
- Formulierung von Zielen
- Ableitung von Maßnahmen oder Projekten
- Erarbeitung von Workpackages
- Umsetzungsplanung (Wer macht was bis wann?)
Wenn sich die Mitglieder der Gruppe noch nicht mit Projektmanagement auskennen, ist es wichtig, dies zu schulen (Projektziele, Projektrollen, Meilensteine, Maßnahmen, Zielerreichungskontrolle usw.). Von Bedeutung ist zudem, dass die Projektgruppe einen möglichst weitgehenden Handlungsspielraum erhält — also tatsächlich Ziele und Maßnahmen festlegen, entscheiden und umsetzen sowie kontrollieren kann. Wenn Top-Führungskräfte die Aktivitäten einer solchen Veränderungsgruppe immer wieder durch eigene Entscheidungen durchkreuzen, lassen Motivation und Engagement schnell nach und die Veränderungen geraten ins Stocken. Entweder die Top-Führungskräfte nehmen selbst an dieser Gruppe teil (was Vorteile hat, aber bei zu direktiven Führungskräften auch zu Blockaden in der Gruppen führen kann) oder sie überlassen der Gruppe (ggf. vorher definierte) Handlungsspielräume, sonst besteht die Gefahr, dass der Veränderungsprozess endet, bevor er angefangen hat. Es ist hilfreich, die Gruppe durch eine möglichst neutrale organisationsinterne Person (ggf. eine Stabsstelleninhaberin, die keine Kerninteressen im Veränderungsprozess hat und gut moderieren kann) oder durch eine externe Moderation begleiten zu lassen. Das bewirkt, dass sich die Diskussionen nicht in den aus anderen Besprechungen bekannten „Alltagskonflikten“ oder „Dauerthemen“ festfahren. Ziel ist, dass die Gruppe in jeder Sitzung (am besten monatlich; vierteljährlich ist in vielen Fällen zu selten, weil dann die notwendige Verbindlichkeit bzw. das „Zusammenrücken“ der Führungskräfte kaum gelingt) evaluiert, was seit der letzten Sitzung konkret passiert und nicht passiert ist, woran es gelegen hat, dass etwas nicht umgesetzt wurde oder gelungen ist und sich weitere konkrete Ziele setzt, Maßnahmen und Schritte plant usw.
Folgende Fragen können bei den Arbeitsgruppentreffen hilfreich sein:
- Was wurde seit dem letzten Mal umgesetzt, was nicht? Idealerweise notieren alle Beteiligten am Ende der Sitzungen konkret und, was sie bis wann umsetzen wollen. Diese Notizen werden dann beim nächsten Meeting der Gruppe herangezogen.
- Was ist gelungen, was nicht? Wenn nicht, warum ist es nicht gelungen und was können wir daraus lernen? (Man lernt immer nur, wenn etwas zum ersten Mal gelingt oder nicht gelingt. Beides sollte man reflektieren.)
- Wo stehen wir in den verschiedenen Handlungsfeldern? Was wurde schon erreicht? Was sind die wichtigen nächsten Schritte?
- Welche Ziele und Maßnahmen leiten wir daraus ab?
- Was sind die konkreten Schritte bis zum nächsten Mal?
Diese Vorgehensweise gleicht einer Flugbahn: Man startet im Konkreten, analysiert die Erfolge und Misserfolge, zieht Schlussfolgerungen daraus und lernt dadurch. Dann nimmt man Bezug zu den allgemeineren Handlungsfeldern (Draufsicht: Wo stehen wir? Was sind die Prioritäten? Was haben wir schon erreicht? Sind wir noch in der richtigen Richtung unterwegs? Müssen wir die Prioritäten, die Richtung oder die Geschwindigkeit anpassen?). Die Handlungsfelder wurden zwar zu Beginn priorisiert, aber zumeist werden Maßnahmen aus zwei bis drei Handlungsfeldern bearbeitet, es sei denn, man hat für die einzelnen Felder spezielle Untergruppen gebildet, was aber nur in größeren Organisationen notwendig ist. In Einrichtungen oder Unternehmen bis 150 Mitarbeitern ist es nicht ratsam, mit mehreren Gruppen zu arbeiten. Zum Schluss geht man wieder ins Konkrete: Ziele, Maßnahmen, wer macht was bis wann?
Hilfreich sind zudem folgende Regeln:
- Nicht mit den kompliziertesten Projekten beginnen, sondern mit kleinen Schritten für kurzfristige Erfolge sorgen.
- In der Regel sind diejenigen, die sich an einem solchen „Veränderungsteam“ beteiligen sollen und wollen, relativ engagierte Mitarbeiter, die wenig Zeit haben. Wenn sich eine gewisse Unverbindlichkeit bei der Teilnahme an den Gruppentreffen oder der Umsetzung vereinbarter Schritte einstellt, sind die Top-Führungskräfte gefragt, ggf. immer wieder die Notwendigkeit zu betonen.
- Den Erfolg nicht zu früh feststellen: Veränderungsprozesse fahren sich immer wieder fest, die alten Gewohnheiten kommen oft durch die Hintertür wieder herein. Kontinuität und Verbindlichkeit sind wichtiger als die Schnelligkeit der Maßnahmenumsetzung. Wichtig ist, dass nicht „schnell alles“ passiert, sondern dass „dauernd etwas“ passiert und der Veränderungsprozess selbst zur Gewohnheit wird. Wenn es gelingt, die Gruppe zur Besitzerin des Veränderungsprozesses zu machen, entsteht eine gewisse Verbindlichkeit zwischen den Gruppenmitgliedern und die Kommunikation der Veränderungen in die Bereiche hinein fällt leichter.
- Man kann nicht genug über die Veränderungsziele, deren Notwendigkeit und die Schritte zur Erreichung der Ziele reden. Auch wenn es nervt — das ist wirklich notwendig!