Wie unterscheidet sich die Stimmung in Oberlausitzer Unternehmen vom mitteldeutschen Durchschnitt?

Gemein­sam mit den Markt­for­schern von MAS Part­ners, den Spe­zia­lis­ten für Arbeit­ge­ber­mar­ken von KOCMOC und den Exper­ten für die Gestal­tung von Büro- und Arbeits­wel­ten von design2sense füh­ren wir alle zwei Jah­re eine gro­ße, für Sach­sen, Sach­sen-Anhalt und Thü­rin­gen reprä­sen­ta­ti­ve Stu­die zu The­men wie Mit­ar­bei­ter­bin­dung, Arbeit­ge­ber­at­trak­ti­vi­tät, Moti­va­ti­on und Füh­rung durch. (Hier fin­den Sie eini­ge Ergeb­nis­se der 2018er Befragung.)

Wir mes­sen bei­spiels­wei­se, wie zufrie­den mit­tel­deut­sche Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer mit ihren Jobs, ihren Vor­ge­setz­ten und ihrer Bezah­lung sind, wie moti­viert sie zur Arbeit gehen, was ihnen wich­tig ist und wel­che Tätig­keits- und Orga­ni­sa­ti­ons­merk­ma­le einen star­ken Ein­fluss auf die Mit­ar­bei­ter­bin­dung haben und wel­che nicht. Ursprüng­lich wur­den zu Beginn des Jah­res für die­se Stu­die 2000 Per­so­nen befragt.

Auf­grund der coro­na-beding­ten Ver­än­de­run­gen der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on (Home Office, Kurz­ar­beit, Abstands­re­geln usw.) haben wir mit­ten im Lock­down (Ende April) wei­te­re 1200 Per­so­nen befragt, sodass wir genau sagen kön­nen, wel­chen Ein­fluss Coro­na auf die Zufrie­den­heit, die Moti­va­ti­on usw. hat­te. Wir haben die Aus­wer­tung der Befra­gung fast abge­schlos­sen. Die Ergeb­nis­se der mehr als 300 Fra­gen umfas­sen­den Stu­die wer­den im August 2020 auf einer eige­nen Web­site veröffentlicht.

In die­sem Bei­trag geben wir vor­ab einen klei­nen Ein­blick in die Ergeb­nis­se — und zwar zu der Fra­ge, ob und wie sich die Ober­lau­sitz von ande­ren Regio­nen unter­schei­det. Wir waren von den teil­wei­se deut­li­chen Unter­schie­den eini­ger­ma­ßen überrascht.

Ober­lau­sit­zer mit ihren Arbeit­ge­bern deut­lich zufriedener

Die Ober­lau­sit­zer sind mit ihren Arbeit­ge­bern deut­lich zufrie­de­ner als die Arbeit­neh­mer in allen ande­ren Regio­nen Sach­sens, Sach­sen-Anhalts und Thü­rin­gens. Der Anteil der­je­ni­gen, die ange­ben, mit ihrem Arbeit­ge­ber zufrie­den zu sein, lag im April bei 70 Pro­zent. Zum Ver­gleich: In allen ande­ren Regio­nen der drei genann­ten Bun­des­län­der vari­ier­te die­ser Anteil im April zwi­schen 37 Pro­zent (Hal­le) und 57 Pro­zent (West­sach­sen). Hier scheint es einen gewis­sen Coro­na-Ein­fluss gege­ben zu haben. Auch im Febru­ar lagen die Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer in punc­to Zufrie­den­heit mit dem Arbeit­ge­ber mit einem Anteil von 63 Pro­zent an der Spit­ze, durch Coro­na hat sich die­ser ohne­hin hohe Anteil also noch ein­mal erhöht.

Auch in Bezug auf die Zufrie­den­heit mit den Kol­le­gen unter­schei­den sich die Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer von den­je­ni­gen in ande­ren Regio­nen. 61 Pro­zent geben an, mit ihren Kol­le­gen zufrie­den zu sein. Zum Ver­gleich: Im gesamt­säch­si­schen Schnitt liegt die­ser Anteil bei 54 Pro­zent, in Thü­rin­gen bei 53 Pro­zent. Ledig­lich eine Regi­on in Sach­sen-Anhalt weist einen noch höhe­ren Anteil an mit den Kol­le­gen Zufrie­de­nen auf (die Gegend um Des­sau mit 64 Pro­zent). Ein ähn­li­cher Trend zeigt sich auch in Bezug auf die Zufrie­den­heit mit der Arbeits­be­las­tung: 56 Pro­zent der Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer geben an, mit ihrer Arbeits­be­las­tung zufrie­den zu sein. Im säch­si­schen Durch­schnitt lag die­ser Anteil zum Ver­gleich bei 51 Pro­zent und in allen länd­li­chen Regio­nen Mit­tel­deutsch­lands im Schnitt bei 49 Prozent.

Ein über­ra­schen­des Ergeb­nis zeig­te sich bei der Zufrie­den­heit mit der Bezah­lung: Auch hier lagen die Ober­lau­sit­zer im Febru­ar im regio­na­len Ver­gleich mit 50 Pro­zent Zufrie­de­nen an der Spit­ze. Zum Ver­gleich: Der Anteil der mit ihrer Bezah­lung zufrie­de­nen Arbeit­neh­mer liegt im mit­tel­deut­schen Schnitt in länd­li­chen Regio­nen bei gera­de ein­mal 40 Pro­zent. Der Anteil der mit ihrer Bezah­lung Zufrie­de­nen ist in Chem­nitz (33 Pro­zent) und in Süd­west­thü­rin­gen (25 Pro­zent) am geringsten.

Wech­sel­wil­len in der Ober­lau­sitz deut­lich gerin­ger als in allen ande­ren Regio­nen Mitteldeutschlands

Die Ober­lau­sitz wies im April 2020 im Ver­gleich mit allen ande­ren Regio­nen Mit­tel­deutsch­lands den gerings­ten Anteil wech­sel­wil­li­ger Arbeit­neh­mer (23 Pro­zent) auf. Vor Coro­na hat­te die­ser Anteil noch bei 28 Pro­zent gele­gen. In West­sach­sen lag der Anteil der Wech­sel­wil­li­gen bei knapp 30 Pro­zent, und in eini­gen Regio­nen Thü­rin­gens sogar noch deut­lich dar­über. Im Schnitt gaben im April 26 Pro­zent der säch­si­schen Arbeit­neh­mer an, in den kom­men­den bei­den Jah­ren ihren Arbeit­ge­ber wech­seln zu wol­len, in Thü­rin­gen waren es im April etwas mehr als 31 Prozent.

Vor Coro­na (Befra­gungs­zeit­punkt Febru­ar 2020) lag der Anteil der Wech­sel­wil­li­gen in Sach­sen und Thü­rin­gen noch gleich­auf. In bei­den Bun­des­län­dern erklär­ten damals 32 Pro­zent der Arbeit­neh­mer, ihren Arbeit­ge­ber wech­seln zu wol­len. Coro­na hat­te in Thü­rin­gen also kaum einen Ein­fluss auf die Wech­sel­wil­lig­keit (32,2 Pro­zent Anteil im Febru­ar auf 31,4 Pro­zent Anteil im April), in Sach­sen hin­ge­gen schon (32,2 Pro­zent auf 26,0 Pro­zent). Ins­ge­samt ist der Wech­sel­wil­le in den Städ­ten etwas höher als auf dem Land. Im Febru­ar lag der Anteil wech­sel­wil­li­ger Arbeit­neh­mer in den gro­ßen Städ­ten bei 37 Pro­zent und auf dem Land bei 27 Pro­zent. Wäh­rend Coro­na dem Wech­sel­wil­len der Städ­ter zuge­setzt hat — der Anteil sank von 37 Pro­zent im Febru­ar auf 31 Pro­zent im April — bleib der Anteil der Wech­sel­wil­li­gen vor und wäh­rend Coro­na unter der Land­be­völ­ke­rung fast gleich (27,1 Pro­zent im Febru­ar auf 26,4 Pro­zent im April).

Coro­na-beding­te Moti­va­ti­ons­ef­fek­te in der Oberlausitz

Die Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer haben sich vor Coro­na in punc­to Moti­va­ti­on nicht von denen in ande­ren Regio­nen unter­schie­den. Im Febru­ar gaben 45 Pro­zent der ost­säch­si­schen Arbeit­neh­mer an, moti­viert zur Arbeit zu gehen. In Sach­sen waren es zu die­sem Zeit­punkt 43 Pro­zent und in allen drei mit­tel­deut­schen Bun­des­län­dern waren es 44 Pro­zent. Wäh­rend sich Coro­na auf den gesamt­säch­si­schen und den mit­tel­deut­schen Durch­schnitt kaum aus­ge­wirkt hat, waren die coro­na-beding­ten Moti­va­ti­ons­ef­fek­te in der Ober­lau­sitz hin­ge­gen deut­lich. Im April gaben 62 Pro­zent der Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer an, moti­viert zur Arbeit zu gehen, wäh­rend die Antei­le über Sach­sen (45 Pro­zent) und Mit­tel­deutsch­land (43 Pro­zent) hin­weg betrach­tet etwa gleich blieben.

Etwas aus­ge­präg­te­re Duz-Kul­tur und mehr Ver­trau­en in Ober­lau­sit­zer Unternehmen

In Ober­lau­sit­zer Unter­neh­men wird mehr geduzt als im mit­tel­deut­schen Durch­schnitt. 66 Pro­zent der Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer geben an, sich mit ihren Vor­ge­setz­ten zu duzen. Im mit­tel­deut­schen Schnitt sind es 59 Pro­zent, in Sach­sen 60 Prozent.

In Ober­lau­sit­zer Unter­neh­men geht es ver­trau­ens­vol­ler zu als im säch­si­schen bzw. mit­tel­deut­schen Durch­schnitt. 51 Pro­zent der Ober­lau­sit­zer Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer gaben an, dass es in ihrem Arbeits­um­feld ver­trau­ens­voll zugeht. In Sach­sen sind es im Durch­schnitt nur 44 Pro­zent und über alle drei Bun­des­län­der hin­weg betrach­tet sind es eben­falls 44 Pro­zent. Zudem sind die Ober­lau­sit­zer signi­fi­kant weni­ger nei­disch. Ledig­lich 10 Pro­zent geben an, dass in ihrem Arbeits­um­feld Neid vor­kommt. Im mit­tel­deut­schen Schnitt sind es 17 Pro­zent, in Sach­sen 16 Pro­zent und in Thü­rin­gen sind es sogar 19 Prozent.

Jörg Hei­dig

Vor­trags- und Trai­nings­an­fra­gen zum The­ma Mit­ar­bei­ter­bin­dung, Arbeit­ge­ber­at­trak­ti­vi­tät, Moti­va­ti­on und Füh­rung: heidig@prozesspsychologen.de

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und weiteren Kolleginnen im Landkreis Görlitz einen Familienhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Bosnisch/Serbisch/Kroatisch sowie Russisch. Er ist an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt als Dozent tätig und hatte viele Jahre Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Hochschulen, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.