Zukunft braucht Einsatz: Verbindlichkeit, Sicherheit, Effizienz — und das Ende der Wunschkonzerte

Neue Rea­li­tät, neue Prioritäten

Die Zei­ten der Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten sind vor­bei. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren galt es in vie­len Bran­chen als Stan­dard, dass Unter­neh­men sich den Erwar­tun­gen der Arbeit­neh­mer anpas­sen muss­ten – nicht umge­kehrt. Mehr Fle­xi­bi­li­tät, bes­se­re Bezah­lung, mehr Frei­zeit, mehr Home­of­fice, mehr Wohlfühlkultur.

Doch die wirt­schaft­li­che Rea­li­tät ändert sich. Unter­neh­men kön­nen nicht unbe­grenzt in eine Rich­tung nach­ge­ben, wenn sie gleich­zei­tig mit stei­gen­den Kos­ten, här­te­rem Wett­be­werb und schwin­den­den Markt­an­tei­len kämp­fen. Vie­le Orga­ni­sa­tio­nen ste­hen nun vor einer simp­len, aber ent­schei­den­den Frage:

Wie kön­nen wir zukunfts­fä­hig blei­ben, ohne unse­re wirt­schaft­li­che Basis zu gefähr­den? Wie kön­nen Unter­neh­men Effi­zi­enz und Leis­tung in den Fokus rücken, ohne ihre Mit­ar­bei­ter zu verlieren?

Die Ant­wort lau­tet: Sicher­heit — aber nicht ohne Leis­tung. Fle­xi­bi­li­tät – aber nicht ohne Verantwortung.

Märk­te im Umbruch: Die alte Sicher­heit gibt es nicht mehr

Über Jahr­zehn­te wuchs der Wohl­stand, und mit ihm die Mög­lich­kei­ten. Wer jung war, hat­te Aus­wahl. Wer sich für einen Arbeit­ge­ber ent­schied, tat dies viel­leicht mit einem Mix aus Sicher­heits­den­ken und per­sön­li­chen Vor­lie­ben – und wenn es nicht pass­te, wech­sel­te man eben.

Doch das ändert sich. Die deut­sche Wirt­schaft ver­liert Monat für Monat Indus­trie­ar­beits­plät­ze. Und wer sich mit den letz­ten gro­ßen Kri­sen befasst hat, weiß: Eine Volks­wirt­schaft, die zu stark auf Dienst­leis­tun­gen setzt und zu wenig in die indus­tri­el­le Wert­schöp­fung inves­tiert, ver­liert an Widerstandskraft.

Deutsch­land war lan­ge eine star­ke Indus­trie­na­ti­on. Wäh­rend die USA ihren Wohl­stand aus­ge­baut haben und dort der Durch­schnitts­ver­dienst mitt­ler­wei­le 20.000 Dol­lar über dem deut­schen liegt, haben wir uns in zumeist ideo­lo­gie­ge­trie­be­nen Debat­ten verloren.

Die Rea­li­tät ist: Es gibt kei­nen Wohl­stand ohne har­te Arbeit. Und es gibt kei­ne Sicher­heit ohne wirt­schaft­li­che Basis.

Sicher­heit und Effi­zi­enz: Das neue Gleichgewicht

Die Ant­wort auf wirt­schaft­li­che Unsi­cher­hei­ten kann nicht sein, dass Unter­neh­men wei­ter­hin jeden Anspruch erfül­len, den Arbeit­neh­mer stel­len. Sicher­heit ist wich­tig – aber nur für die­je­ni­gen, die bereit sind, sich dafür einzusetzen.

Was bedeu­tet das kon­kret?
• Mit­ar­bei­ter­bin­dung bleibt zen­tral, aber sie darf nicht mit Ver­wöhn­kul­tur ver­wech­selt wer­den.
• Home­of­fice ist an man­chen Stel­len und unter bestimm­ten Umstän­den sinn­voll, aber nicht als Selbst­ver­ständ­lich­keit.
• Fle­xi­bi­li­tät muss beid­sei­tig sein – wer weni­ger Kon­trol­le will, muss mehr Ver­ant­wor­tung über­neh­men.
• Wirt­schaft­li­che Sta­bi­li­tät gibt es nicht ohne Effi­zi­enz und Innovation.

Die jun­ge Gene­ra­ti­on wird ler­nen, dass ein siche­rer Arbeits­platz nicht ein­fach ein Ver­spre­chen ist, son­dern das Ergeb­nis von Leis­tung und Ver­läss­lich­keit. Unter­neh­men kön­nen nicht end­los nach­ge­ben, wenn sie am Ende kon­kur­renz­fä­hig blei­ben wollen.

Mit­ar­bei­ter­bin­dung bedeu­tet Ver­bind­lich­keit – auf bei­den Seiten

Wenn Unter­neh­men lang­fris­tig erfolg­reich sein wol­len, müs­sen sie ihre Mit­ar­bei­ter bin­den. Aber Bin­dung ent­steht nicht durch immer neue Zuge­ständ­nis­se. Sie ent­steht durch Klar­heit, Ver­ant­wor­tung und Perspektive.

Drei Säu­len der Mit­ar­bei­ter­bin­dung:
1. Emo­tio­na­le Bin­dung: Wer sich wert­ge­schätzt fühlt und eine kla­re Per­spek­ti­ve hat, bleibt. Wert­schät­zung ist wich­tig. Aber nicht ohne ent­spre­chen­de Leis­tung.
2. Nor­ma­ti­ve Bin­dung: Lang­fris­ti­ge Loya­li­tät ent­steht durch ein soli­des Arbeits­um­feld und Ver­läss­lich­keit auf bei­den Sei­ten.
3. Ratio­na­le Bin­dung: Wer erkennt, dass der eige­ne Arbeits­platz lang­fris­ti­ge Sicher­heit bie­tet, wird sich eher für das Unter­neh­men engagieren.

Kla­re Erwar­tun­gen: Zukunfts­fä­hig­keit statt Wunschkonzert

Die Annah­me, dass Unter­neh­men sich aus­schließ­lich nach den Erwar­tun­gen der jun­gen Gene­ra­ti­on rich­ten müs­sen, hat sich als Illu­si­on erwie­sen. Jun­ge Men­schen müs­sen sich an eine neue Rea­li­tät gewöh­nen:
• Sicher­heit gibt es nicht ohne Ein­satz.
• Fle­xi­bi­li­tät ist kein ein­sei­ti­ges Recht, son­dern ein gegen­sei­ti­ges Prin­zip.
• Die Zei­ten, in denen Arbeit kom­plett an indi­vi­du­el­le Bedürf­nis­se ange­passt wur­de, sind vorbei.

Es gibt Unter­neh­men, in denen immer noch geglaubt wird, man könn­te jeden Wunsch erfül­len, um Talen­te zu hal­ten. Aber eine Beleg­schaft, die sich nur auf Kom­fort fokus­siert, macht kein Unter­neh­men wettbewerbsfähig.

Es geht nicht dar­um, alte Struk­tu­ren wie­der­her­zu­stel­len. Es gibt kei­ne „Rol­le rück­wärts“ in irgend­ei­ne „alte Welt“. Es geht dar­um, eine neue Balan­ce zu fin­den: Sicher­heit und Leis­tung, Fle­xi­bi­li­tät und Ver­ant­wor­tung, Wert­schät­zung und Effi­zi­enz bzw. Innovation.

Die wirt­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen set­zen Unter­neh­men unter Druck – und mit ihnen die gesam­te Gesell­schaft. Deutsch­land steht an einem Punkt, an dem sich ent­schei­det, wie es mit unse­rer Wett­be­werbs­fä­hig­keit wei­ter­geht. Die nächs­ten Jah­re wer­den eine Bewährungsprobe.

Die Ant­wort kann nicht sein, dass Unter­neh­men wei­ter ver­su­chen, jedem Wunsch gerecht zu wer­den. Sie müs­sen attrak­ti­ve Arbeit­ge­ber blei­ben, aber auf Basis kla­rer Erwar­tun­gen, und mit Leis­tungs­ori­en­tie­rung als Basis für Sicherheit.

Jörg Hei­dig

Von Jörg Heidig

Dr. Jörg Heidig, Jahrgang 1974, ist Organisationspsychologe, spezialisiert vor allem auf Einsatzorganisationen (Feuerwehr: www.feuerwehrcoach.org, Rettungsdienst, Polizei) und weitere Organisationsformen, die unter 24-Stunden-Bedingungen funktionieren müssen (bspw. Pflegeheime, viele Fabriken). Er war mehrere Jahre im Auslandseinsatz auf dem Balkan und hat Ende der 90er Jahre in Görlitz bei Herbert Bock (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Bock) Kommunikationspsychologie studiert. Er schreibt regelmäßig über seine Arbeit (www.prozesspsychologen.de/blog/) und hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, darunter u.a. "Gesprächsführung im Jobcenter" oder "Die Kultur der Hinterfragung: Die Dekadenz unserer Kommunikation und ihre Folgen" (gemeinsam mit Dr. Benjamin Zips: www.kulturderhinterfragung.de). Dr. Heidig lebt in der Lausitz und begleitet den Strukturwandel in seiner Heimat gemeinsam mit Stefan Bischoff von MAS Partners mit dem Lausitz-Monitor, einer regelmäßig stattfindenden Bevölkerungsbefragung (www.lausitz-monitor.de). In jüngster Zeit hat Jörg Heidig gemeinsam mit Viktoria Klemm und ihrem Team im Landkreis Görlitz einen Jugendhilfe-Träger aufgebaut. Dr. Heidig spricht neben seiner Muttersprache fließend Englisch und Serbokroatisch sowie Russisch. Er ist häufig an der Landesfeuerwehrschule des Freistaates Sachsen in Nardt tätig und hat viele Jahre Vorlesungen und Seminare an verschiedenen Universitäten und Hochschulen gehalten, darunter an der Hochschule der Sächsischen Polizei und an der Dresden International University. Sie erreichen Dr. Heidig unter der Rufnummer 0174 68 55 023.